Wochen, zum Teil gar Monate, kämpften Einsatzkräfte nach dem Anschlag in Ratingen um ihr Leben. Ihr Schicksal bewegte auch noch lange Zeit nach dem 11. Mai bundesweit die Gemüter – und sorgte für massives Entsetzen und Schock.
Seit Freitag (24. November) wird der Fall vor dem Düsseldorfer Landgericht neu aufgerollt. Für die Opfer und ihre Angehörigen eine nervenaufreibende Zeit, müssen sie die Erlebnisse vom Schreckenstag nun erneut durchleben. Und schon der Auftakt sollte für Schock sorgen, denn erstmals wurden hier Bodycam-Aufnahmen der Einsatzkräfte abgespielt, die nicht mal die Beamten und Rettungskräfte selbst bislang zu Gesicht bekamen (hier mehr dazu). Dabei wurden auch erstmals schockierende Details zu den zum Teil lebensgefährlich verletzten Polizeibeamten und Rettungskräften ans Licht gebracht. Für einen Polizisten sind sie nicht zu ertragen.
+++ Ratingen: Neue Details kommen ans Licht – DESHALB liefen die Einsatzkräfte ins offene Messer +++
Anschlag in Ratingen: So geht es der verletzten Polizistin heute
„Meiner Mandantin geht es weiterhin körperlich sehr schlecht. Sie musste einige Operationen über sich ergehen lassen. Außerdem sind die Geschehnisse psychisch immer noch sehr belastend für sie“, offenbarte Michael Emde, Nebenklagevertreter der 25-jährigen Polizisten und ihrem damals 29-jährigen Kollegen, vor Beginn des Prozesses am Freitag. „Meine Mandaten betrachten das auch als Mittel, um mit der ganzen Angelegenheit für sich ins Reine zu kommen. Denn sowas lässt gerade auch die Verletzten sehr ratlos zurück.“
Die 25-jährige Polizistin sei überraschend stabil, trotz künstlichem Koma und monatelanger Behandlung auf der Intensivstation. Im Laufe des Prozesses wolle sie auch zu den Geschehnissen am 11. Mai in einem Wohnhaus in Ratingen aussagen. Ihr mittlerweile 30-jähriger Kollege hatte bereits zum Auftakt am Freitag am Düsseldorfer Landgericht seine Aussage gemacht.
Zwar wurde er bei dem eskalierten Einsatz weit weniger schwer als seine Kollegin verletzt, die den Feuerball als erste abbekam, nachdem der Tatverdächtige Frank P. sie laut Anklage mit Benzin übergoss und dann einen brennenden Stofffetzen in ihre Richtung warf. Doch auch für ihn sind die Geschehnisse vom besagten Maitag noch lange nicht verdaut. Auch er lag 2,5 bis drei Wochen im künstlichen Koma, fing danach nach eigenen Angaben erst mal wieder „bei 0 an“.
Der Beamte zog sich bei dem Anschlag in Ratingen Verbrennungen zweiten und dritten Grades zu. Die Schmerzen seien unerträglich gewesen. Immer wieder musste sich der 30-Jährige während der Verhandlung am Freitag räuspern, doch er blieb lange Zeit gefasst, suchte auch immer wieder den Blick des angeklagten 57-Jährigen auf der gegenüberliegenden Saal-Seite. Doch plötzlich musste er doch die Reißleine ziehen.
Ärztin enthüllt grausame Details
Insgesamt neun Einsatzkräfte wurden bei dem Anschlag in Ratingen teils lebensgefährlich verletzt, leiden bis heute unter den Folgen des schicksalhaften Maitages. Am schlimmsten hatte es eine 25-jährige Beamtin erwischt. Dr. Sonja Siegel vom Universitätsklinikum Düsseldorf sorgte im Gerichtssaal am Freitag für gespannte Stille. Doch was sie enthüllte, war nichts für schwache Nerven.
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Detail für Detail beschrieb sie die Verletzungen der Nebenklägerin, die sich bei dem Anschlag Verbrennungen zweiten und dritten Grades zuzog. Ihr medizinisches Gutachten machte den Abschluss, zuvor wurden die der weiteren schwer verletzten Einsatzkräfte verlesen. Gut 66 Prozent ihrer Hautoberfläche sollen durch die Verbrennungen nachhaltig geschädigt worden sein. Infolge mussten ihre Ohrmuscheln teilamputiert werden, eventuell wird sie Prothesen erhalten. Bis heute leidet sie unter starken Schmerzen, müsse Schlaftabletten und Antidepressiva zur Beruhigung ihrer Nerven einnehmen. Aktuell sei die 25-Jährige in ihrer Bewegung noch eingeschränkt. Dass sie und ihr Kollege für ihr Leben gezeichnet bleiben und trotz ihres noch jungen Alters nie wieder in den Polizeidienst zurückkehren werden, ist gewiss.
Polizist hält es nicht mehr aus
Während der Beschreibungen der massiven Verletzungen seiner Kollegin sank der 30-jährige Polizist immer weiter in seinem Stuhl zusammen. Irgendwann konnte er seine Tränen nicht mehr zurückhalten, wischte sich immer wieder über die Augen und hielt seinen Kopf tief unter seinen Händen vergraben. Angehörige fragten ihn zwischenzeitlich, ob er den Saal verlassen wolle. Doch der junge Mann kämpfte weiter mit seinen Emotionen, bis er es nicht mehr aushielt. Plötzlich sprang er inmitten des noch laufenden Prozesses auf und verließ schlagartig den Saal. Ein Angehöriger folgte ihm.
Wie schlimm es wirklich um die 25-Jährige stand, wurde der Staatsanwaltschaft sowie den Vertretern der Kläger und Nebenkläger auch durch Bildmaterial belegt. Und dass die Aufnahmen nichts für schwache Nerven sind, zeigte auch Nebenklagevertreter Michael Emde auf dem Rückweg zu seinem Platz. Betroffen wirkte sein Blick, er musste schwer schlucken, bevor er sich kurzzeitig wieder niederließ, um dann seinem Mandanten nach draußen zu folgen.
Den einzigen, den die Schilderungen kalt zu lassen scheinen, ist der 57-jährige Angeklagte. Während der detaillierten Schilderungen kämpfte Frank P. gegen seine Müdigkeit, wirkte, selbst als ihn sein Verteidiger ansprach, wie weggetreten. Sein Schweigen sollte er am ersten Prozesstag nicht brechen. Ob er noch hinter seine emotionslose Fassade blicken lassen wird, bleibt abzuwarten.