Dieser Kumpel verrät, was wir alle von Bergleuten lernen können: „Am Ende der Schicht sehen wir sowieso alle gleich aus“
Ramazan Atli (47) ist Bergmann in der dritten Generation
Mit dem Ende der Steinkohle-Ära endet für seine Familie eine lange Tradition
Der 47-Jährige hat einen außergewöhnlichen Heimat-Begriff
Bottrop.
„Für uns Bergleute sind Nationalität, Glaube und Hautfarbe egal. Wir sind Bergleute. Wir sind eine Familie. Am Ende der Schicht sehen wir sowieso alle gleich aus. Dann haben wir alle schwarzes Gold am Körper“, sagt Ramazan Atli (47) mit einem Leuchten in den Augen. Es sind die stolzen Worte eines Kumpels in der dritten Generation.
Atlis Großvater war Bergmann in der Türkei. Sein Vater folgte dem Beispiel. Ihn zog es 1972 als so genannten Gastarbeiter nach Deutschland. Nach Jahren der Arbeit im Ruhrgebiet erschien eine Rückkehr in die Heimat für viele türkische „Gastarbeiter“ Ende der 1970er nicht besonders verlockend – wegen des Bürgerkriegs, der Inflation und hoher Arbeitslosigkeit. Familie Atli blieb, wie viele andere, in Deutschland.
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Auf Kohle geboren ist der Titel unseres Specials zum Ende der Steinkohle-Ära im Ruhrgebiet. Bis zur Schließung der letzten Zeche Ende Dezember berichten wir wöchentlich über alles rund um den Abschied der Bergleute aus dem Revier. Echte Typen, ganz viel Tradition und noch mehr Herz – hier findest du alle Glückauf-Themen in der Übersicht.
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Bergbau-Tradition: Es zählt nur ein Beruf
Schon als Kind bewunderte Ramazan Atli die Arbeit seiner Vorfahren. Zu Hause erzählte ihm sein Vater von der Maloche unter Tage und wie intensiv die Kameradschaft der Kumpel sei.
Unter Tage und nirgendwo sonst wollte der junge Ramazan Atli deswegen arbeiten. 1987 ging er in die Lehre als Berg- und Maschinenmann auf der Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort. Mit 17 Jahren war er mit der Ausbildung fertig und lebte seinen beruflichen Traum.
Erst ging es für Atli in den Kohleabbau. Später bildete er sich fort, wurde zum Sprengmeister und arbeitete in der Vorleistung. Dort, wo der Grundstein für den späteren Abbau gelegt wird. Ein Abziehbild der Karriere seiner Vorfahren.
Ein ganz besonderer Heimatbegriff
Nach einem Vierteljahrhundert Maloche unter Tage arbeitet Ramazan Atli heute in der Öffentlichkeitsarbeit der RAG. Ins Bergwerk fährt er auch heute noch ein, als Begleitung bei Besucher-Grubenfahrten auf der Zeche Prosper-Haniel.
Knapp 1.200 Meter unter der Erde verrät er seinen ganz besonderen Heimatbegriff. „Mein Arbeitsplatz ist für mich meine Heimat“, so der 47-Jährige. Entscheidend für das Heimat-Gefühl sei aus seiner Sicht nicht der Ort der Herkunft, sondern der, an dem jemand für seine Familie sorgt. „Ohne Arbeit kannst du deine Familie nicht ernähren, kannst dir nichts aufbauen“, findet Atli.
Ende einer Ära – Ende einer Familientradition
Der 47-Jährige bedauert das Ende der Steinkohle-Ära in Deutschland zutiefst, denn damit endet nun auch die Bergarbeitertradition der Familie Atli. „Ich hätte gern gesehen, dass meine Kinder bei der RAG anfangen“, sagt er.
Stattdessen haben seine Söhne eine akademische Laufbahn eingeschlagen. Einer studiert Maschinenbau, der andere Wirtschaftsingenieurwesen. Sie müssen ihre Heimat nun an einem anderen Ort suchen als ihre Vorfahren.