Dank Magenverkleinerung – Sandra Selbach nahm 80 Kilo ab
Als junge Frau wog Sandra Selbach fast 160 Kilo. Dann bekam sie Magenverkleinerung. Heute arbeitet sie als Fotomodel. Und hat ein Buch geschrieben.
An Rhein und Ruhr.
Sandra Selbach isst und isst. Während ihr Freund eine Karnevalsveranstaltung besucht, zappt sie sich durch die Programme. Wie ferngesteuert geht sie zum Kühlschrank, holt sich ein Töpfchen Milchreis nach dem anderen heraus und löffelt sich durch eine ganze Palette. Schoko, Zimt, Kirsch. Nur ein Töpfchen, mit Himbeeren, lässt sie für ihn übrig. Das ist 14 Jahre her, damals war Sandra Selbach 26 Jahre alt und 140 Kilo schwer, und es sollten noch mehr werden. Sandra Selbach war fettsüchtig, krankhaft adipös. Und sie hat 80 Kilo abgenommen, sich sozusagen halbiert, und ein Buch geschrieben über ihren Weg hinein und heraus aus der Sucht: „Durch dick und dünn“.
Wir telefonieren mit Sandra Selbach in ihrem Lieblingsbistro, wo sie gerade Kaffee trinkt. Sie ist heute mit ihren 80 Kilo auf 178 cm wieder eine große, schöne Frau, die sie mal war. Neben ihrem Bürojob modelt sie als „Plussize-Model“, was eigentlich Quatsch ist, es sei denn, man bezeichnet Normalgewicht als „Übergröße“.
Sie fühlt sich heute rundum wohl, hat die Magenverkleinerung, ohne die sie es wohl nicht geschafft hätte, und diverse Folgeoperationen gut überstanden. Das Buch, das die 40-Jährige gemeinsam mit der Journalistin und Co-Autorin Antje Diller-Wolff geschrieben hat, sei für sie eine Therapie gewesen, es soll Ratgeber sein, die Augen öffnen, Verständnis wecken.
Die Waage zeigt 120 Kilo
Dafür gibt die Rheinländerin vieles von sich preis, so zum Beispiel, wie es ist, wenn man unter der Dusche steht, und entdeckt, wie Dehnungsstreifen zerstörter Haut „wie Maden“ über den bis dahin ansehnlichen Busen kriechen. Wie es ist, wenn die Waage erst hundert, dann 120 Kilo zeigt und die Sachen, die man gerade erst gekauft hat, schon wieder nicht mehr passen. Von Größe 50 auf 52 auf 54, dunkle Zelte bis auf eines, ein rotes Versprechen, sich selbst noch ein bisschen attraktiv zu finden.
Sie schildert, wie sie sich vormachte, Menschen, die sie anstarren, würden sie attraktiv finden, dabei fanden sie sie „nur fett“. Sie erzählt, wie es ist, wenn sich nach fünf Eiskugeln der Hunger nach einer Spinat-Lasagne erst einstellt oder der Weg zur Arbeit mit Schokoladencrêpe versüßt wird.
Sellbach wählte Biergärten nach Stühlen aus
Wer so dick ist wie Sandra Selbach es war, trägt Schuhe, „in die man hineinschlüpfen kann“. Weil man sie nicht zubinden muss. Der wählt Biergärten nach Stühlen aus: „Einfache Plastikstühle hätten mein Gewicht nicht ausgehalten. Da konnte ich nicht hin.“
Sandra Selbach war ein lebhaftes Kind, wenn auch mit gutem Appetit. Die Eltern hätten viel zu jung geheiratet und sich schnell wieder scheiden lassen. Sandra ist oft bei den Großeltern, wo alles schön ist, wo es Milchreis gibt oder Quarkspeisen mit frischen Erdbeeren: „Daher kommt mein Hunger nach Milchspeisen. Milchspeisen bedeuten Geborgenheit“.
Essen gegen den Liebeskummer
Später kompensiert sie Frust und Einsamkeit mit Essen. Solange sie sich viel bewegt, in der Schule, in der Ausbildung, hält sich ihr Gewicht. Doch nach einer unglücklichen Affäre mit einem verheirateten Mann schlägt das um. Sandra Selbach isst, um nicht nachdenken zu müssen. Um Trost zu finden. Um den Tag zu überstehen. Der Liebeskummer schwindet, die Gier nach Essen bleibt.
„Ich wurde immer träger.“ Und wenn eine Freundin sie überredet, auszugehen, endet es im Fiasko: „Wir sind auf den Rummel gegangen. Wir wollten auf unser Lieblingskarussell, die Nessie-Schaukel.“ Doch der Sicherheitsbügel geht nicht zu, passt nicht über Sandras Bauch, „obwohl zwei Männer versuchen, von außen dagegenzudrücken.“ Schließlich muss sie das Karussell verlassen.
Bei 158 Kilo bewilligt die Krankenkasse die Magenverkleinerung
„Mann, bist du hässlich“, hat eine Frau mal auf der Straße zu ihr gesagt, einfach so. Sie hat es geschluckt. „Fett sein. Hässlich sein. Wertlos sein.“ steht in ihrem Buch. Bei 140 Kilo („trotz Dauerdiäten“) schickt sie die Krankenkasse zur Kur. Sie sitzt in einer Gesprächsgruppe mit anderen Essgestörten, auch Magersüchtigen. „Deren Schicksale haben mich so mitgenommen, dass ich noch fertiger aus den Sitzungen herauskam!“
Sie geht viel spazieren, „eine halbe Stunde, das war die totale Arbeit“, und nimmt zehn Kilo ab, Zuhause nochmal drei bis vier. Um sich dann auszurechnen, dass sie in dem Tempo Jahre braucht, um das Übergewicht loszuwerden. Bei 158 Kilo bewilligt die Krankenkasse die Magenverkleinerung.
Flüssige Nahrung
Sandra Selbachs Magen wird zu einem Schlauch operiert: „Das macht man nicht nebenbei! Man muss sehr viel Disziplin aufbringen.“ Aber dieser Riesenhunger ist erstmal weg. Sechs Monate lang gibt es flüssige Nahrung, kleine Portionen, mit geschlossenen Augen löffelt sie ihren ersten Joghurt. Und verliert an Gewicht, immer weiter. Um sich die überschüssigen Hautlappen wegschneiden zu lassen, hat sie sich viel Geld geliehen: „Das ist keine Schönheitsoperation. Das muss sein, um sein Körperbild wiederzufinden.“
Essen steht für Sandra Selbach heute nicht mehr im Mittelpunkt und bedeutet ihr doch viel: „Tisch schön decken, selbst zubereiten, gutes Restaurant aussuchen, sich darauf freuen. Genießen!“
Diese Möglichkeiten zur Magen-OP gibt es
Es gibt verschiedene operative Wege zur Adipositas-Behandlung. Schonend ist das Einsetzen eines Magenballons über den Mund. Der Ballon füllt einen Teil des Magens aus und hilft, sich schneller satt zu fühlen. Ein Magenband schnürt einen Teil des Magens ab. Der Patient kann nur langsam und wenig essen. Bei der Magenverkleinerung wird ein Großteil des Magens entfernt. Der Rest des Magens wird zu einem Schlauch zusammengebunden.
Beim Magenbypass wird der Magen bis auf einen Rest abgetrennt und mit einem Teil des Dünndarms umgangen. Dadurch wird ein Teil der aufgenommen Nahrung gar nicht erst verdaut. In allen Fällen allerdings gilt: Sie helfen auf Dauer nur, wenn eine gesunde Lebensweise nach der Operation eingehalten wird. Krankenkassen bezahlen die notwendigen Behandlungen erst, wenn die Operation die einzige Möglichkeit einer Heilung darstellt bzw. durch das Übergewicht eine Gefahr für den Körper zu befürchten ist.