Frühlingskonzert an Rhein und Ruhr: Die Vogelwelt bringt Leben in die Städte. Mehr als 120 Arten sind vertreten. Und der Zaunkönig singt alle in Grund und Boden
An Rhein und Ruhr.
Jetzt kann man den Frühling auch hören. Ein vielstimmiges Vogelkonzert begleitet frühmorgens den Weg zur Arbeit, zur Bäckerei oder zur Schule. In den Bäumen, in der Hecke an der Straße: Überall sitzt ein Piepmatz und ist ausgeschlafener als der vorbei marschierende Mensch. Und das notgedrungen: Damit Reviergesang und Brautwerbung nicht völlig im Krach des morgendlichen Berufsverkehrs untergehen, singen manche Vögel nicht nur lauter, sondern auch früher. „Die Tiere passen sich an“, sagt Birgit Königs vom Naturschutzverband Nabu. „Wir Menschen reden ja auch lauter, wenn wir uns in einer voll besetzten Kneipe verständigen wollen.“
Wissenswertes zum Morgenkonzert an Rhein und Ruhr:
Alle Vögel sind schon da, oder?
„Alle bei uns in Gärten und Siedlungen verbreiteten Arten sind aus den Winterquartieren zurück“, sagt Holger Sticht vom Umwelt BUND. Einen Kuckuck hat Sticht selbst noch nicht gehört, aber auch er müsste in diesen Tagen wieder zurück sein. Erwartet werden noch Arten aus dem ländlichen Raum – der Pirol etwa oder diverse Spötter. Mancher Vogel freilich hat die Reise in den Süden gar nicht erst angetreten. Im nicht so kalten Winter hat er auch in hiesigen Breiten genug Futter gefunden.
Wer ist der Lauteste?
Birgit Königs vom Nabu muss nicht lange überlegen: „Ganz klar, der Zaunkönig.“ Auch Peter Schütz vom Landesumweltamt Lanuv nennt den nur daumengroßen Vogel sofort. Der kleine Kerl schmettert seinen Gesang mit bis zu 90 Dezibel hinaus in die Welt. Königs vergleicht das mit einem vollaufgedrehten Radio. Laut Holger Sticht stehen Amseln dem nicht nach. Auch sie sind mit einem starken Organ gesegnet, sie sind aber auch knapp dreimal größer als der kleine König. Nicht zu verachten, aber nur begrenzt unter Gesang zu verbuchen: Spatzen. „Wenn die sich in der Gruppe streiten, geht es auch richtig zur Sache“, erklärt Sticht.
Wer der Ausgeschlafenste?
Das Rotkehlchen braucht keine Dämmerung. Es singt gern auch schon vorher los. Es reicht, wenn eine Lichtquelle (Laterne, Fenster, heller Mond) in der Nähe ist. Die Amsel erwacht laut Birgit Königs etwa gegen fünf Uhr. Es folgen Meisen und Finken. Die Nachtigall singt bekanntlich die ganze Nacht, allerdings sinkt ihr Bestand. Laut Holger Sticht ist sie in hiesigen Breiten nur noch punktuell zu hören (etwa am Niederrhein).
Wie viele Vögel leben in der Stadt?
120 bis 150 der insgesamt 220 in Nordrhein-Westfalen verbreiteten Vogelarten leben zwischen Wohnhäusern und Bürogebäuden, in Parks, Grünanlagen und Gärten. „Enorm“ findet Birgit Königs vom Nabu diese Anpassungsfähigkeit. Nicht nur qualitativ, auch quantitativ trumpfen Vögel in den Städten auf. Die Nabu-Sprecherin verweist auf Studien von Stadtökologen, die von bis zu 2000 Vögeln je Quadratkilometer ausgehen. Für Großstädte wie Düsseldorf oder Essen ergeben sich so Vogelbestände von etwa 400 000 Tieren. „Die Zahl wird aber nicht das ganze Jahr über zutreffen, sondern eher im Frühsommer – wenn die Jungtiere da sind“, vermutet Königs.
Neu im Vogelkonzert?
Den Stieglitz zieht es zunehmend in die Städte. Rote Wangen, schwarzes Käppi, dazu ein crèmefarbenes Gefieder mit gelbem Rallyestreifen an der Seite – laut Birgit Königs kann der Vogel nicht nur prima singen, er sieht auch noch gut aus. Den Grünspecht zieht es ebenfalls in die Städte. Er zählt zwar nicht zu den Singvögeln, das hindert ihn aber nicht, sich auf andere Weise deutlich ins Konzert einzuschalten. Auch keine Singvögel, aber ebenfalls gut vernehmbar: Halsbandsittiche. „Sie sind mittlerweile in der Rheinschiene zwischen Bonn und Duisburg verbreitet“, sagt Peter Schütz vom Landesumweltamt. Bei den Vögeln handelt es sich um Nachfahren ausgebüxter Tiere.