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Duisburg und Gelsenkirchen: Nichtwähler strafen Politiker ab – „Tragisch“

Duisburg und Gelsenkirchen: Nichtwähler strafen Politiker ab – „Tragisch“

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Warum heißt Duisburgs Stadtteil Marxloh eigentlich Marxloh?

Duisburg und Gelsenkirchen: Nichtwähler strafen Politiker ab – „Tragisch“

Warum heißt Duisburgs Stadtteil Marxloh eigentlich Marxloh?

Die NRW-Wahl 2022 hielt eine bittere Klatsche für die SPD bereit, auch andere Parteien mussten Federn lassen – doch noch bitterer als die schwindenden Werte dürfte die geringe Wahlbeteiligung den Politikern schmecken.

Gerade in den Ruhrgebiets-Städten Gelsenkirchen, Duisburg und Oberhausen straften die Wähler die Politik ab. Die niedrige Wahlbeteiligung ist für viele Experten die größte Überraschung bei der NRW-Wahl 2022.

Duisburg und Gelsenkirchen: Niedrige Wahlbeteiligung „fast schon ein bisschen tragisch“

Nicht mal die Hälfte aller Wähler in Gelsenkirchen nutzten am Wahlsonntag ihre Stimme – gerade einmal 44,45 Prozent stimmten über den neuen Landtag ab. Vor vier Jahren waren es immerhin noch 58 Prozent. Auch in Oberhausen (49,46 Prozent) und Duisburg (46,82 Prozent) fiel die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent.

Die Pott-Städte spiegeln dabei auch das NRW-Gesamtbild wieder. Mit einer landesweiten Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent liegt diese auf einem historischen Tiefststand. Diese Zahl ist nicht nur ein bitteres Zeugnis für die Parteien, sondern auch eine große Überraschung für Wahlforscher und Polit-Experten.

Duisburg und Gelsenkirchen: Wahlbeteiligung überrascht Experten – und nimmt Politik in die Pflicht

Politikwissenschafter Heiko Giebler von der Freien Universität Berlin und dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin gibt gegenüber DER WESTEN zu, dass „niemand erwartet hätte, dass die Wahlbeteiligung so niedrig ausfällt.“ Gerade das prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hendrik Wüsts CDU und Thomas Kutschatys SPD hätte die Menschen zur Wahl motivieren können. „Das ist fast schon ein bisschen tragisch, wenn die Beteiligung so niedrig ausfällt“, bewertet der Experte.

Laut Giebler ist die niedrige Wahlbeteiligung vielen Gründen geschuldet und nicht ganz einfach zu erklären. Fakt sei aber: „Die Menschen werden nur zur Wahl gebracht, wenn sie eine Partei sehen, die ein Thema auch tatsächlich vertreten kann.“ Politische Probleme wie steigende Energiekosten, der Ukraine-Krieg oder auch die Corona-Krise motivieren nicht zum Gang zur Wahlurne, wenn nicht klar sei, was eine Landesregierung eigentlich bewirken kann. Abgesehen davon müssen die Parteien „versuchen, die Bürger zu erreichen, auch mit Themen, die über die Partei hinausgehen“, erklärt der Politikwissenschaftler.

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Das ist die Stadt Duisburg:

  • Frühste schriftliche Erwähnung im Jahr 883
  • Fünftgrößte Stadt in NRW, besteht aus sieben Stadtbezirken, hat rund 496.000 Einwohner (Stand: Dezember 2020)
  • Duisburger Hafen gilt als größter Binnenhafen der Welt
  • Fast ein Drittel des in Deutschland erzeugten Roheisens stammt aus den acht Duisburger Hochöfen
  • Sehenswürdigkeiten unter anderen: Landschaftspark Duisburg-Nord, Tiger & Turtle – Magic Mountain, Sechs-Seen-Platte
  • Oberbürgermeister ist Sören Link (SPD)

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Duisburg und Gelsenkirchen als Nichtwähler-Hotspots – „Leute haben andere Probleme“

Dass mit Gelsenkirchen und Duisburg ausgerechnet die Städte die niedrigste Wahlbeteiligung haben, die auch seit Jahren als ärmste Städte Deutschlands gelten, ist laut Giebler kein Zufall: „Es gibt einen relativ starken Zusammenhang zwischen Einkommen, Bildung und Wahlbeteiligung.“ Je geringer das Einkommen der Wähler in einer Stadt, umso geringer falle auch die Beteiligung aus – unter anderem, weil keine Partei wirklich die Position der schwächer Gestellten vertritt.

So stellt sich ein Gefühl des „Abgehängt-Seins“ ein – und der Enttäuschung, so wie bei Kiosk-Mitarbeiterin Nicole aus dem Stadtteil Erle. Warum sie nicht gewählt hat, kannst du hier nachlesen. Die Lebensrealität der Menschen in sozialschwachen Wohnorten ist auch laut Experte Giebler ein Grund für schwindende Wahl-Motivation. Aufgrund von Armut haben dortige Wähler zum Beispiel mehrere Jobs und so „vielleicht gar nicht die Zeit und Energie sich zu engagieren oder zu informieren.“

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Das ist die Stadt Gelsenkirchen:

  • Stadtteil Buer 1003 erstmals urkundlich erwähnt
  • Rund 260.000 Einwohner, fünf Stadtbezirke und 18 Stadtteile, elftgrößte Stadt in NRW
  • Heimatstadt von FC Schalke 04
  • Wahrzeichen unter anderen: Zoom Erlebniswelt, Wissenschaftspark Rheinelbe, Sport-Paradies
  • Oberbürgermeisterin ist Karin Welge (SPD)

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Dennoch „möchte man ja nicht irgendwas wählen, sondern ‚richtig‘ wählen“ – das geht allerdings nur mit Informationen, so Giebler. Wenn Politik dann auch im direkten Umfeld – der Nachbarschaft, dem Fußballverein, in der Kneipe – kein Thema ist, „spürt man auch selbst weniger die Bürgerpflicht.“

+++ Zoo Duisburg plant besonderes Event – Besucher diskutieren eifrig +++

Duisburg und Gelsenkirchen: „Man muss dahin gehen, wo’s weh tut“

Es ist Aufgabe der Parteien, die Wähler an diese Bürgerpflicht zu erinnern und deren Wichtigkeit klar zu machen, stellt der Politologe gegenüber DER WESTEN klar. Das sei an Orten mit geringer Wahlbeteiligung nicht einfach, „da wird man auch nicht mit offenen Armen empfangen“, räumt Giebler ein. Aber: „Man muss dahin gehen, wo’s weh tut, den Menschen die Möglichkeit geben, zu sagen, was sie sich wünschen.“

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Das sei eine große Aufgabe für die Parteien, gerade weil die Mitgliederzahlen von SPD, CDU und Co. rapide sinken – „in Ortsverbänden sind ganz oft nur noch 10 bis 15 Personen“, so Heiko Giebler. Vergangene Initiativen in ganz Deutschland haben aber gezeigt, dass es den Kraftakt wert ist: „Da gab’s einen deutlichen Anstieg der Wahlbeteiligung.“

Vielleicht könnte sich Wahl-Verlierer SPD diese Worte für die nächste Wahl zu Herzen nehmen. Die Partei mit Spitzenkandidat Kutschaty lag bei der NRW-Wahl 2022 deutlich hinter der CDU. Welche Worte dem SPD-Kandidaten jetzt auf die Füße fallen, liest du hier.