Bei der Euthanasie von Tieren bewegen sich Tierärzte täglich bei schweren Entscheidungen in einer Grauzone. Was ist erlaubt und was nicht?
Essen.
Euthanasie bei Tieren. Ein Thema, bei dem die Gemüter hochkochen. Erst kürzlich zeigten zwei ehemalige Mitarbeiterinnen eines Krefelder Tierheims ihren Arbeitgeber, die Tierärzte und das Veterinäramt an. Der Vorwurf: Das Tierheim habe in 30 bis 40 Fällen Tiere ohne Grund eingeschläfert. Die Entrüstung im Netz war groß, zum Teil aber auch resignierend: Kein Einzelfall, so der Tenor.
Die Fragen für private Tierhalter bleiben: Wann darf man sein Tier einschläfern lassen? Und wer hat das letzte Wort? Die Grauzone, in der sich Tierärzte bei den Entscheidungen bewegen, ist groß. Und die Antworten nicht immer eindeutig.
Im Tierschutzgesetz heißt es in Paragraph 17: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.“ Aber was ist ein „vernünftiger Grund“? Die auf Tierrecht spezialisierte Rechtsanwältin Susan Beaucamp aus Krefeld: „Nutztiere aus Gründen der Ernährung zu schlachten ist rechtlich beispielsweise ein ‚vernünftiger Grund‘.“ Bei Haustiere sei das Gesetz hingegen interpretierbar. „Es muss von Fall zu Fall entschieden werden“, sagt Beaucamp.
Drei Problemfälle für die Tierärzte
Die Anwältin berichtet von drei Problemfällen für Tierärzte, die am häufigsten vorkämen. Es gebe die Halter, die ihre Tiere einfach nur loswerden wollen. Aber auch die, die nicht loslassen können und einer Euthanasie nicht zustimmen wollen. Und die Fälle, in denen wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. „Halter können nicht verpflichtet werden, über ihre finanziellen Grenzen hinaus Behandlungen zu zahlen.“ Abzuwägen sei immer die Verhältnismäßigkeit – eine Grauzone.
Kommt es zwischen Tierarzt und Halter zu Unstimmigkeiten, hat das letzte Wort das Veterinäramt. Ohne Einwilligung der Besitzer darf ein Tierarzt das Tier nicht behandeln oder gar einschläfern. „Wenn der Arzt aber eine Verletzung des Tierschutzes erkennt, muss er das Veterinäramt hinzuziehen“, erklärt Beaucamp. Die Entscheidungen des Amtstierarzt kann der Halter wiederum per Eilantrag anfechten.
Die drei Problemfälle im Alltag der Tierpraxis
Was das alles für den Alltag eines Tierarztes bedeutet, weiß die Essener Tierärztin Dr. Annette Baltes-Owczarzak. Sie bewegt sich täglich in der Grauzone in Sachen Euthanasie und fechtet die kleinen Konflikte mit den Tierbesitzern aus. Sie kennt die Fälle, in denen Halter sich erst weigern ein Tier einschläfern zu lassen, weil sie sich an ihren Hund oder die Katze klammern.
So weit, dass sie das Ordnungsamt einschalten musste, kam es bei Baltes-Owczarzak in 20 Dienstjahren aber noch nicht. „Man muss den Tierbesitzer manchmal einfach ein wenig Zeit geben und Überzeugungsarbeit leisten. Ihnen einen Perspektivwechsel ermöglichen, von der eigenen Trauer und dem Verlust hin zu dem, was am besten für das Tier ist.“
In Duisburg kennt Tierarzt Dr. Hans-Otto Böckmann das Problem auch. Er hat oft den Fall, dass Tierhalter nicht einschläfern lassen wollen. „Im Fachjargon nennen wir die Halter auch Sekundärpatienten. Man muss mit Engelszungen auf sie einreden. Am Ende sind aber eigentlich alle einsichtig“, sagt Böckmann.
„Es kommt stark auf die Klientel an“
Leute, die ihre Tiere einfach nur loswerden wollen, kämen bei Böckmann nur selten vor. „Es kommt stark auf die Klientel an“, sagt er. Bei seiner Kollegin in Essen ist es anders. Einmal pro Woche hat Baltes-Owczarzak solche Fälle, schätzt sie. „Die Leute gehen taktisch vor, rufen erstmal an und behaupten, das Tier will nicht mehr leben, und dass sie es nicht unnötig quälen wollen mit Tierarztbesuchen. Manche kommen mit den windigsten Geschichten. Sie behaupten, sie wären in einer Klinik gewesen und das Tier hätte überall im Körper Krebs.“ Verlassen würde sie sich nie auf solche Aussagen. Baltes-Owczarzak schickt solche Halter wieder weg und hofft, dass sie sonst niemanden finden, der nachgibt.
„Was kann man der Familie finanziell zumuten?“
„Jede Euthanasie muss eine Einzelfallentscheidung sein“, sagt Baltes-Owczarzak. Die „vernünftigen Gründe“ müssen immer wieder neu abgewogen werden. „Es gibt auch die Fälle wo ein Familie sich eine OP für 3000 Euro einfach nicht leisten kann. Der Hund schon alt ist und ohne die OP sein restliches Leben nur leiden würde. Da muss man dann auch bedenken, was der Familie finanziell zuzumuten ist.“ Pauschal sei so was einfach nicht zu regeln.
Böckmann stimmt Baltes-Owczarzak zu: „Bei jedem Fall geht es darum, eine vernünftige Lösung zu finden. Vielleicht gibt es eine günstigere Behandlungsmethode oder eine Ratenzahlung ist möglich.“
Kommt es letztlich zur Euthanasie, versucht Baltes-Owczarzak ihren tierischen Patienten und den Haltern den Abschied so leicht wie möglich zu machen. „Vor allem bei Patienten, die lange bei uns in der Behandlung sind, versuche ich das zu Hause zu machen. Oft kommt nochmal die ganze Familie zusammen und verabschiedet sich. Das Tier kann dann an seinem Lieblingsplatz einschlafen.“