Siegen steht nach dem brutalen Messer-Angriff einer Frau (32) in einem Bus auf dem Weg zum Stadtfest noch immer unter Schock. Nur eine Woche nach dem Anschlag auf der 650-Jahr-Feier in Solingen ringen wieder Menschen um ihr Leben, die eine unbeschwerte Zeit auf einem Stadtfest in NRW haben wollten.
Die Gedanken kreisen in den Stunden nach dem grauenvollen Akt um die lebensgefährlich verletzten jungen Männer (19, 21 und 23). Zumindest sollten sie das. Wegen unsäglicher Reaktionen in den Sozialen Netzwerken, musste die Polizei Siegen-Wittgenstein allerdings schnell eingreifen.
Siegen (NRW): Unsägliche Reaktionen im Netz
„Jeden Tag trendet in Deutschland irgendein Städtename und es ist einfach jeden Tag irgendeine Migrantenattacke“ oder „Ihr wollt Vielfalt – ihr kriegt Vielfalt“. Ohne auch nur den Hauch einer Chance, Details über die Tatverdächtige wissen zu können, sprang die Maschinerie der rechten Hetze im Netz kurz nach der Messer-Attacke in Siegen an. Die Rede war vom „nächsten Einzelfall“, von „Terror“ und „Remigration“.
Dennis Radtke, EU-Abgeordneter (CDU) für das Ruhrgebiet sprach von „unfassbaren Reflexen“. Denn ohne Fakten-Check werde die schreckliche Tat für Hetze genutzt. „Natürlich haben wir ein Problem mit Islamismus“, so der CDU-Politiker, merkt aber an: „Es ist wahrlich nicht unser einziges Problem.“
Es nahm derartige Ausmaße an, dass die Polizei sich dazu genötigt sah, weniger als zwei Stunden nach dem brutalen Akt öffentlich an die Bevölkerung zu appellieren: „Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger darum, in sozialen Netzwerken oder auf anderen Kanälen keine Falschmeldungen zu verbreiten, insbesondere keinen Bezug zu einem Terroranschlag herzustellen.“ Den Beamten lagen dazu nach eigenen Angaben keine Informationen vor – und Gefahr bestand nach der Festnahme der Tatverdächtigen auch keine mehr. Sonst wäre die Bevölkerung gewarnt und sicher auch das Stadtfest abgesagt worden.
„War es vielleicht eine deutsche, muslimische Frau?“
Doch die rechte Hetze ging weiter, weswegen die Polizei noch am späten Abend mitteilte, dass es sich bei der Tatverdächtigen um eine deutsche Staatsbürgerin handle. Ein religiöses oder terroristisches Motiv sei auszuschließen. Und selbst das reichte dem rechten Mob noch nicht. „War es vielleicht eine deutsche muslimische Frau?“, lautete etwa eine Frage in Richtung der Polizei Siegen-Wittgenstein. Die Beamten verneinten knapp.
Auch die Polizei Dortmund sah sich offenbar einer nicht enden wollenden Lawine von Fragen aus dem rechten Lager ausgesetzt und machte mit einem Beitrag bei „X“ (vormals Twitter) am Morgen nach der Tat endgültig klar: „Bei der 32-jährigen Tatverdächtigen handelt es sich um eine Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit und ohne Migrationshintergrund“ und appelliert: „Bitte unterlassen Sie die Spekulationen und Anfeindungen in jegliche Richtung!“
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Der Fall ist demaskierend für alle diejenigen, die sich im Fall Siegen offensichtlich neues Futter für rechtsextremistische Propaganda gewünscht haben. Und selbst wenn die 32-Jährige einen Migrationshintergrund gehabt hätte, würde diese Information den bemitleidenswerten Opfern der Attacke auch nicht helfen.
Übrigens hätte die Tat noch viel schlimmer ausgehen können. Doch weil verschiedene Insassen des Busses dazwischengegangen und die Frau festgehalten haben, gab es wohl nicht noch mehr Opfer zu beklagen. Es sind nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul übrigens Menschen unterschiedlicher Nationalitäten gewesen, die Zivilcourage gezeigt haben. Aus dem rechten Lager sind in diesem Zusammenhang aber keine Fragen zum Migrationshintergrund gestellt worden…