Von Sanja zu Sissi – 18-Jährige steigt ins Elisabeth-Kostüm
Sanja Graeber gewann mit Karten für das Musical „Elisabeth“ in Essen auch die professionelle Verwandlung zur Kaiserin.
Essen.
Mit einer gehörigen Portion Skepsis schaut Sanja Graeber aus Mülheim durch ihre schwarze Brille, die sie wenig später so schmerzlich vermissen wird. Was hat ihre Mutter da nur angestellt? „Als der Anruf kam, stand ich gerade unter der Dusche. Ich habe dann nur gesagt ‘ja, ja’, was das heißt, habe ich erst später gemerkt!“, sagt sie.
nd nun steht die Studentin (18) vor dem Colosseum in Essen, eine coole junge Frau, die vor einem Jahr Abi gemacht hat und nun Bionic an der Westfälischen Hochschule in Bocholt studiert und die, wie Mutter Anke Graeber (50) verrät, „eigentlich am liebsten schwarz trägt“. Sie soll sich verwandeln – in die legendäre, geheimnisvolle und sicher auch schönste Kaiserin, die Europa damals kannte: Elisabeth von Österreich, bei uns genannt „Sissi“.
Anke Graeber hatte sich beim NRZ-Gewinnspiel beworben und gewonnen – eine bühnentaugliche Verwandlung und Karten für die abendliche Vorstellung des Erfolgsmusicals, das derzeit wieder in Essen gastiert.
Musical-Fans seit „Phantom der Oper“
„Elisabeth“ haben die beiden Graebers noch nicht gesehen. Musical-Fans sind sie aber schon, ihr Lieblingsstück ist „Phantom der Oper“, das Sanja bereits als kleines Mädchen in Essen sah und „total begeistert“ von dem schön-schaurigen Stück war, erinnert sich die Mutter. Große Freude also bei den Graebers, die Verwandlung mithilfe der Masken- und Kostümbildner trat Anke Graeber dann doch an die Tochter ab.
Die Elisabeth der Musical-Bühne (gespielt von Roberta Valentini), das wissen die Graebers, hat so gar nichts mit dem Zuckerguss gemein, mit dem in den 50er-Jahren die Sissi-Filme mit Romy Schneider übergossen waren. Authentisch ist das Stück über die junge Monarchin angelegt, die mit ihrem unbändigen Freiheitswillen ihrer Zeit weit voraus war und die sich dann doch immer mehr auf einen Tanz mit dem Tod einlässt. Es hält sich eng an die historischen und biografischen Vorlagen wie beispielsweise Notizen von Elisabeths Leibarzt, erzählt Mona Helene Kern, Company Managerin, die Anke und Sanja Graeber in Empfang nimmt. Und authentisch sei auch die Requisite, die unter anderem aus 590 Kostümteilen besteht. In eines dieser Teile, das Sternenkleid, welches Elisabeth im Musical einen Song lang trägt, soll Sanja Graeber steigen.
Einmal „Sissi“ sein – das ist auch eine spannende Reise in die Vergangenheit von Frauen, die viel Zeit brauchten, sich an-, um- und auszukleiden und frisieren zu lassen. „Die hatten ja sonst auch nicht viel zu tun“, bemerkt Maskenbildnerin Sarah Kleindienst.
Sieben Mal wechselt „Sissi“ in der Show die Perücken
Sanjas lange Haare verschwinden zu kleinen Knoten gerollt unter einem Haarnetz. Auf den Regalen warten die Echthaarperücken, jede einzelne einige Tausend Euro wert, darunter die eine, die auch auf dem berühmtesten Kaiserinnen-Porträt des Malers Franz Xaver Winterhalter zu sehen ist. Sissis hüftlanges Haar ist da ringsum auf Schulterhöhe gebändigt durch eine geflochtene Strähne, in der Edelweißblüten aus Juwelen stecken.
Sieben Mal wechselt Roberta Valentini als Elisabeth während der Vorstellung die Perücken, 14 Mal muss sie sich umziehen. „Der schnellste Umzug dauert 40 Sekunden“, erzählt Maskenbildnerin Sarah. Sie grundiert Sanjas helle Haut, deckt Augenschatten und Unebenheiten ab, schattiert das blasse Gesicht mit einem beigebraunen Puder, dass es schmaler wirkt und Konturen bekommt.
Sissi darf auf keinen Fall geschminkt aussehen. „Schminke, das war damals vor allem etwas für die leichten Mädchen in den Bordellen“, erzählt Sarah. Sanja bekommt die kräftigen Augenbrauen der jungen Kaiserin, rosige Lippen und die prachtvolle Perücke aufgesetzt, die so viel wiegt, dass Sanja Kopf und Rücken aristokratisch gerade halten muss. Dann geht es in die Garderobe, wo Kostümchefin Agnes Mittelholcz das elfenbeinfarbene Kleiderungetüm aus Röcken und Unterröcken im Dutzend bereithält.
Ein Berg aus Tüll und Spitze
Zunächst schlüpft Sanja in geschnürte Tanzstiefelchen, dann steigt sie in den Berg aus Tüll und Spitze. Agnes Mittelholcz ordnet die Röcke, knüpft die Korsage zu, und Sanja kommentiert mit trockenem Humor: „Ich kann nur noch sehr kontrolliert atmen“.
Da Sanja groß und schlank ist, macht das schulterfreie Kleid mit den ausladenden Hüftpolstern und handgenähten Edelsteinsternen schon was her. An Sissis Taille allerdings, die Rede ist von 40 Zentimetern Umfang, kommt heute keine normale Frau mehr ran. Die Kaiserin hielt strenge Diät aus wässerigen Zutaten und unterwarf sich einem für die Frauen ihrer Zeit ungewöhnlichen Sportprogramm aus Reiten, Turnen und Wandern.
Das Tüpfelchen auf dem I ist ein funkelndes Juwelenhalsband aus Edelweißblüten, sind Fächer und weiße Handschuhe. Was für eine prachtvolle Königin! Was für eine aufregende Zeit!
Zurück in die Kapuzenjacke
Und doch – nach 5 Minuten Fotoshooting ist Sanja froh, Tonnen Tüll und Geschmeide wieder losgeworden zu sein und wieder in die schwarze Kapuzenjacke und die Jeans schlüpfen zu können.
Das Kleid wird sie an diesem Tag noch einmal auf der Bühne sehen, wenn Elisabeth den berühmtesten Song des Musicals singt: „Ich gehör nur mir!“