Nationalpark mit Familienanschluss: In dem Dorf Telok Melano können Urlauber den Alltag der malaiischen Fischer erleben
Sanft dümpelt das schmucklose Boot am Anlegesteg Sematans, des kleinen Küstenortes im Westen Sarawaks auf Borneo, vor sich hin. Mit lautem „Hallo” laden die beiden malaysischen Skipper Lebensmittel und Gepäck ein und verstauen es unter zwei schmalen Holzbrettern, die als Sitzbänke dienen. Nur das Gepäck und die beiden schweren Außenbordmotoren deuten daraufhin, dass die zerbrechliche Glasfiberschale nicht nur für eine strandnahe Schnorchelfahrt gedacht ist.
Im Gegenteil, es geht quer über das offene südchinesische Meer nach Telok Melano, einem nur über das Wasser zu erreichenden moslemischen Dorf auf einer Halbinsel unweit des „Western Tip”, des westlichsten Punkts Borneos.
Das Boot springt und hüpft, als die beiden Außenborder aufheulen und voll beschleunigen. Die Küste und die Schildkröten-Inseln, ein Schutzgebiet, in dem es immer weniger Tiere gibt, fliegen vorbei. Brettharte Schläge kommen ungehindert zur Wirbelsäule durch, als Bootsführer Minhad Bin Fanzan direkten Kurs auf die Halbinsel nimmt. „Zur Zeit des Monsuns ist die See meist so rau, dass das Dorf oft wochenlang nicht zu erreichen ist”, erzählt Minhad.
Das Begrüßungskommitee steht schon bereit
Nach einer Stunde schrauben sich vor dem schwankenden Bug Kokospalmen in die Höhe, zwischen den Palmen stehen bunte Häuser, davor wird ein weißer Streifen Sand sichtbar. Am Strand hat sich ein Begrüßungskomitee aus den einflussreichen Dorffrauen versammelt; Männer sind keine zu sehen.
Etwa 350 Menschen, ausschließlich Malaien, leben in den rund vierzig, unter den Palmen auf Stelzen errichteten Holzhäusern. Im Gegensatz zu den in Malaysia lebenden Indern und Chinesen sind die Malaien alle per Gesetz Moslems. Ihre Haupteinnahmequelle im Dorf sind der Pfefferanbau in kleinen, hinter dem Dorf im Regenwald angelegten Plantagen und ein wenig Fischerei.
Der Fischereiverband war es denn auch, der ursprünglich das so genannte „Homestay-Programm” für das Dorf initiierte. „Bewohner, wie das Ehepaar Samiah stellen einfache Zimmer zur Verfügung und nehmen Gäste auf. Dabei teilt sich das Dorf die wenigen Besucher redlich,” erklärt Edward, ein erfahrener 62jähriger Tour-Guide.
Etwa zwanzig Familien beteiligen sich an dem Programm und die Gäste werden quasi reihum vergeben – so kommen alle einmal an die Reihe. Die Besucher kommen nicht nur, um das einfache Leben in einem malaiischen Dorf kennen zu lernen, sondern um einen Geheimtipp Sarawaks zu besuchen: den Tanjung Datu National Park, häufig auch „Heaven of Borneo” genannt. Er ist mit vierzehn Quadratkilometern der kleinste Nationalpark Sarawaks und nimmt etwa die Hälfte der Halbinsel ein.
Unweit des Nationalpark-Centers, auf einer großen, beschatteten Wiese, hat es sich eine Gruppe Jugendlicher bequem gemacht. „Sie kommen aus Kuching, der rund drei Stunden entfernt gelegenen Hauptstadt Sarawaks”, erklärt Ranger Ben, der den Park betreut. „Sie sind im Rahmen eines Seminarprogramms für einige Tage hier, um zu campen und mehr über die Flora und Fauna ihres Landes zu erfahren.”
Die Schildkröten stehen unter Schutz
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Schildkröten-Aufzucht-Programm, dass die Ranger zum Schutz der gefährdeten „Green Turtles” und „Olive Ridley Turtles” am Strand unterhalten.
„Die markierten, anderthalb- bis fünfstündigen Dschungel-Trails durch den Park enden alle wieder hier am Meer”, erklärt Ben, der einzige der bei den von über 30 Grad Celsius und über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit begleiteten Touren scheinbar nur unwesentlich ins Schwitzen gerät.
Zudem entgeht seinen scharfen Augen nichts, weder einer der in den Gipfeln umher springenden Langschwanz-Makaken, eine für Ostasien typische Affenart, noch der Nashornvogel, ein auf Borneo heimischer Vogel.
Zurück im Dorf. Innerhalb von Minuten ist die Sonne im Meer versunken, die Dunkelheit bricht herein. Einzelne Glühbirnen flackern auf und von jedem zweiten Haus geht ein lautes Brummen aus, welches die Idylle stört. Die Generatoren sind angesprungen – für drei Stunden gibt es nun Strom in Telok Melano.
Die Gastfamilie und Gäste versammeln sich vor dem Abendessen, das trotz der Hitze traditionell drinnen eingenommen wird, im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Es wird Tee gereicht und Sirup mit Wasser. Auf den Tisch kommen Fisch, Hühnchen, Gemüse, Reis, in dicken, süß-sauren oder schwarz-pfeffrigen Soßen. Nach dem Essen wird es ruhiger im Dorf.
Die Kinder spielen noch eine Weile am Strand, dann ist auch der menschenleer. Nur das Knattern überdrehter Mopeds stört gelegentlich die Ruhe. „Das sind indonesische Jugendliche. Die schlagen sich zu dritt oder viert auf einer Maschine sitzend auf Dschungelpfaden illegal über die nahe gelegene Grenze nach Sarawak durch”, erklärt Edward das nächtliche Geschehen. Doch der Spuk ist schnell vorbei und ebenso schnell ersterben die Generatoren – um halb elf versinkt das Dorf in absoluter Dunkelheit und Stille.
Auch Minhad und Edward ziehen sich zurück. Die Terrasse in dieser schwül-warmen Nacht gehört den Besuchern alleine, bis die Stechmücken, angezogen von einem funzeligen Teelicht, die Gäste zurück ins Haus unters Moskitonetz treiben. Was zumindest für ein paar Stunden Schlaf sorgt, denn spätestens wenn früh die malaiischen Kampfhähne krähen, ist die kurze Homestay-Nacht zu Ende.