Dubrovnik ist typisch dalmatinisch und eine Touristen-Hochburg. Wer sucht, findet wahres Leben in der Altstadt – einem Unesco-Weltkulturerbe
Eine Menschenmenge, lautes Stimmgewirr. Doch es ist nicht zu überhören – Henry Mancinis „Moon River”. Gleich rechts zeigt sich der „Wohltäter”. Ein Mann mit schwarzen Haaren sitzt, etwas versteckt, hinter einem einfachen hellbraunen Klavier. Direkt an der Hauswand einer kleinen Bar. Das Publikum hört jedoch nicht andächtig zu, sondern ist intensiv in Gespräche vertieft. Jede Sekunde schleppen Kellnerinnen volle Tabletts zu den gut gelaunten Gästen.
„Dubrovnik muss man fühlen. Und das geht nicht nur an jeder Ecke der Stadt, sondern auch in jedem Winkel und jeder Nische des Hard Jazz Caffe Troubadour”, erzählt Nikola Breskovic mit leuchtend nationalstolzen Augen. Seinem Vater gehört seit etwa 30 Jahren die kleine Bar ganz in der Nähe des Straduns – der 300 Meter langen Hauptflaniermeile in Dubrovniks Altstadt. Gegenüber des Rektorenpalastes aus dem 15. Jahrhundert, dem heutigen Stadtmuseum.
Sein Vater, das ist Marko Breskovic – einst Mitglied der Dubrovacki Trubadori, der Dubrovnik Troubadours, und eine regelrechte Legende in der Stadt. Jeder kennt ihn. Kein Wunder. 1968 war er mit der Band beim 13. Eurovision Song Contest in London dabei. Platz sieben erreichten sie damals. Und der Song „Jedan dan”, ein Mix aus Pop und traditioneller kroatischer Folklore, wurde in vielen europäischen Ländern ein Hit.
Heute spielt er Gitarre für die Gäste seiner Jazz-Bar, die im Innern nicht größer als ein Wohnzimmer ist . Zusammen mit seinen zwei ebenfalls musikbegeisterten Söhnen: Nikola (34), Kontrabass und Gesang und Antoni (35), Piano. Jazz aus den 50er und 60er-Jahren bekommen die Gäste zu hören. Hauptsächlich Frank Sinatra: „You can fly me to the moon” oder auch „I’ve got you under my skin”. Im Sommer stehen die Gäste für einen Platz auf der Terrasse sogar Schlange.
Trotz des Erfolgs – als „The Breskovic Brothers” haben Nikki und Toni sogar eine eigene CD auf dem kroatischen Markt – bleibt die Musikerfamilie bescheiden. „Wir wollen die Bar nicht erweitern. Wir lieben das, was wir tun. Und das ist Musik machen!”, erzählt der Jüngere der zwei Brüder. Und jeder ebenfalls musizierende Gast kann mitmachen. Nicht selten entwickelt sich ein spontanes Zusammenspiel. Das „Jazz Caffe” ist zwar kein Geheimtipp mehr in Dubrovnik, aber dafür höchst authentisch. Fernab von jeglichem Touristenspektakel.
Ganz im Gegensatz zum Rest von Dubrovnik. Besonders tagsüber, selbst im Juli und August, wenn das Thermometer weit über 30 Grad steigt, kann sich die Stadt vor Tagestouristen kaum retten. Über 800 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr steuern den Hafen an. Mehrere Touristenschwärme nebst zahlreichen Stadtführern quetschen sich durch die Gassen der Altstadt.
Wie ein Freilichtmuseum wirkt die aufgrund von Kriegsschäden restaurierte Stadt: „Ich werde oft gefragt, ob in den Häusern überhaupt Menschen wohnen”, sagt Stadtführer Albin Saut etwas belustigt. Von den insgesamt 55 000 Dubrovnikern leben 2000 hier in der autofreien Altstadt.
Obwohl sie alles zu Fuß und per Hand, im schlimmsten Fall hundert Stufen hinauf, schleppen müssen, hat das Wohnen hier einen Vorteil: „Es gibt immer was zu sehen”, meint Saut.
Die Protagonisten in den Straßen: Japaner, Deutsche, Engländer, Italiener, Südamerikaner und nicht zuletzt auch Dubrovniker. Denn trotz des Tourismus, den Souvenirläden, Pizzabuden, den Schleppern, sind authentische Orte geblieben. Und die dazugehörigen Menschen. Verlässt man den Stradun nach links oder rechts, zeigt sich wahres dalmatinisches Stadtleben.
Das „Cafe´ Talir” ist so ein Ort. Um 12 Uhr trifft man sich, trinkt Kaffee, und raucht: Geschäftsleute, Künstler und Studenten. Im Innern gibt es viel zu sehen. Hunderte Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen Freunde und Gäste des Talirs. Das Leben spielt sich aber hauptsächlich draußen ab – an kleinen Marmortischen. Und wenn kein Platz mehr frei ist, sitzen die Gäste einfach auf der angrenzenden Treppe. Kissen liegen am Ende jeder Stufe und Aschenbecher stehen bereit.
Wer die Stufen der Altstadt weiter hinauf steigt, entkommt den Touristenströmen völlig. Auf einmal ist es ganz ruhig: eine Katze döst im Schatten, ein Vater spielt auf einem kleinen Platz mit seinem Sohn Fußball, große Einmachgläser mit Mirabellen für Likör stehen auf einer Fensterbank, zwei Frauen sitzen vor ihrem Haus und quatschen. Zwei englische Studentinnen mit großen Rucksäcken haben gerade ihr neues Feriendomizil erreicht. An vielen Balkonen dienen über 150 Jahre alte Weinstöcke als Schattenspender.
Und man trifft hier auch auf Juliana. Die 74-Jährige sitzt auf einer Treppenstufe, isst Fladenbrot und wartet auf Kundschaft. Für 20 Euro verkauft sie selbst genähte Decken, um ihre Rente aufzubessern. Nur erwischt werden darf sie nicht, denn ihr fehlt die offizielle Lizenz.
Dann geht es Richtung Adria wieder hinunter. Je tiefer man kommt, desto lauter werden die Stimmen. Doch die Tagestouristen begeben sich langsam wieder zurück zu ihren Schiffen. Was bleibt, ist eine angenehme Geschäftigkeit. Und eins ist gewiss: Am Abend spielt Familie Breskovic für all diejenigen, die Dubrovnik die Treue halten.