Ob im Sommer bei Kletterabstürzen oder im Winter bei Skicrashs: Flugrettung ist bei Notfällen in den Bergen unverzichtbar. Im Ernstfall gilt: keine Angst vor dem Heli.
Wien.
Bei Unfällen und Notsituationen in den Bergen sind Rettungshubschrauber und ihre Crews oft die letzte Hoffnung. Sie gelangen aus der Luft auch in schwieriges Gelände und bergen Verletzte oder Verirrte.
„Das ist ein wahnsinnig komplexer Rettungsauftrag“, sagt der Journalist und Autor Robert Sperl, der ein Buch über die fliegenden Helferinnen und Helfer geschrieben hat („Die alpine Flugrettung“).
Diese seien derartig gut und professionell, dass man sich fast wünscht, einmal von ihnen gerettet zu werden, so Sperl. Doch natürlich soll es lieber nicht so weit kommen.
Herr Sperl, Sie waren häufiger mit Bergrettern unterwegs und haben mit vielen gesprochen. Was würden Sie sagen: Was bringt Menschen in den Bergen am häufigsten in Notlagen?
Robert Sperl: Ich führe das auf drei Punkte zurück. Zum Ersten ist es mangelhafte Ausrüstung, körperlich und technisch. Viele haben zu wenig Kondition, zu wenig Wissen über die Berge, unzureichendes Equipment und sind insgesamt zu blauäugig unterwegs.
Punkt zwei ist die mangelnde Routine: Wer in die Berge geht, muss üben und sich langsam herantasten. Das ist nicht anders als bei jedem Sport. Der alpine Raum wird aber immer mehr zur Spielwiese. Menschen üben auf Plastik in einer Kletterhalle in der Stadt – dann kommen sie in den Fels und denken, es geht so weiter wie unterm Dach.
Dazu kommt Punkt drei: die Selbstüberschätzung, also der Drang, immer gleich eine besonders herausfordernde Route zu wählen. Das trifft nicht nur Jüngere, sondern gerade auch die Älteren mit Bergerfahrung. Sie glauben, die über Jahrzehnte angesammelte Erfahrung schützt sie, und so rechnen sie teils gar nicht mehr mit Gefahren. Erfahrung heißt aber auch, mit dem Unerwarteten zu rechnen.
Gibt es etwas, das die Notärzte und Piloten wirklich ärgert? In ihrem Buch erzählt ein Bergretter davon, dass sie teilweise junge Leute aus schwierigen Klettersteigen holen – und die erzählen, dass sie es heute zum ersten Mal ausprobiert haben. So viel Leichtsinn muss einen doch wütend machen…
Sperl: Egal, mit wem ich gesprochen habe, ob Pilot, Flugretter oder Arzt: Natürlich beklagen sie sich über den Leichtsinn, aber nur ganz wenig. Es geht ihnen ums Helfen. Sie haben schwierige Situationen vor sich und versuchen, das Beste zu machen, um sie zu lösen.
Die Klientel der Retter ist speziell. Die gehen cool ran und lassen sich nicht von Emotionen leiten. Auch nicht, wenn ein Mountainbiker ohne Helm und Schutzausrüstung in kurzer Hose und mit Turnschuhen schreiend im Bachbett liegt.
Die Crews gehen auch deshalb so offen und neutral an jede Rettung heran, weil sie in solchen Ausnahmesituationen immer auch viel dazulernen können – mit Wut im Bauch geht das nicht.
Wenn man selbst in eine Notlage gerät oder jemandem, der verletzt ist, beisteht: Was sollte man tun, wenn der Helikopter anschwirrt – und was nicht?
Sperl: Man kann nicht viel falsch machen und sollte deshalb auf jeden Fall aktiv werden. Ein paar Tipps gibt es aber: Man sollte als Helfer nach einer gut erreichbaren Landestelle schauen. Eine freier Platz, 30 mal 30 Meter groß, ist ausreichend. Hängen eine elektrische Leitung oder ein Liftseil im Weg, ist das zum Beispiel ein Problem. Die Landefläche sollte man von Gegenständen räumen, die durch den Wind der Rotorblätter umherfliegen könnten – etwa Rucksäcke.
Schwirrt der Hubschrauber heran, streckt man die Arme senkrecht hoch, die Handflächen nach innen. Wichtig ist, ruhig stehen zu bleiben. Der Helikopterpilot orientiert sich an einem fixen Punkt. Bewegt man sich aus Angst weg, macht es die Landung schwierig bis unmöglich. Während der Einweisung Augenkontakt mit dem Piloten halten. Man braucht keine Angst haben vor dem Heli – der Pilot weiß, was er tut.
Literatur:
Robert Sperl: „Die alpine Flugrettung. Leben retten am Berg – damals und heute“. Bergwelten Verlag, 216 Seiten, 28 Euro, ISBN: 978-3711200365. Erscheint am 30. Juni 2022. (dpa)