Im Böhmischen Bäderdreieck wird mit frischem Wasser geheilt
Die Kurbäder in West-Tschechien im sogenannten Böhmischen Bäderdreieck nutzen das Mineralwasser des Erzgebirges für besondere Heilkuren. Die Kurbäder dieser Region stehen in einer Jahrhunderte alten Tradition. Schon Größen wie Chopin, Freud, Casanova und Goethe verliebten sich in diesen Ort.
Karlsbad.
Der erste Schluck schmeckt metallisch, ein starkes Eisen-Aroma breitet sich auf der Zunge aus, eingebettet in eine leicht säuerliche Note. Mit dem nächsten Schluck scheint sich die ganze Mundhöhle zusammenzuziehen, salzig rinnt die Flüssigkeit über erschrockene Geschmacksknospen. Schnell runter damit – lecker ist anders.
Wie gut, dass die gerade verkosteten Marienbader Tropfen Karolina- und Kreuzquelle gar nicht den Anspruch haben, den Gaumen zu erfreuen – sie sollen heilen. Das Böhmische Bäderdreieck in West-Tschechien, nahe dem Erzgebirge, ist bekannt für seine natürlichen Mineralquellen, die als Bade- oder Trinkkur zahlreiche Erkrankungen und Beschwerden lindern sollen – und das schon seit mehreren Hundert Jahren.
Marienbad
Schon Johann Wolfgang von Goethe verlor sein Herz an Marienbad, das wie von Malerhand hingetupft in einem grünen Tal liegt. In seiner „Marienbader Elegie“ besingt Goethe, 74-jährig, allerdings nicht die Kur-Idylle, sondern klagt in 23 Strophen sein Liebesleid, nachdem die 19-jährige Ulrike von Levetzow seinen Heiratsantrag abgelehnt hat. Tief enttäuscht verließ Goethe damals Marienbad und kehrte nicht mehr zurück. Anders als die Kurgäste, die Jahr für Jahr in die Stadt mit den schmucken Häuschen und schlossartigen Häusern reisen.
Beruhigende Farben
Das einstige Sumpfgebiet schmückt sich mit Neorenaissance-, Neoklassizismus- und Jugendstil-Bauten, ausschließlich in Gelb- und Ockertönen, denn das seien „beruhigende Farben“, wie Stadtführerin Marie Vincíková erklärt. Gebaut wurde nur auf einer Straßenseite, „damit die Gäste ins Grüne schauen können“. Diese schätzen neben dem besonderen Flair Marienbads vor allem die Heilquellen: kühl, stark mineralhaltig, mit ganz unterschiedlicher Zusammensetzung und wirksam gegen Atemwegs- oder Stoffwechselerkrankungen, Verdauungsbeschwerden und Nieren- oder Gallensteine. Mondän wie die Stadt wirkt hier auch die Kur: Beim CO2-Trockenbad im Maria Spa Courtyard des Hotels Zentralbad sitzt man, die Sauerstoffbrille auf der Nase, in einer Art kleinem Schwimmbecken. Es läuft Musik, ein Film zeigt die Geschichte der Stadt und blaues Licht strahlt den Nebel an, der durch das Becken wabert.
Karlsbad – Wo Chopin, Freud, Casanova und Goethe badeten
Der Weg nach Karlsbad führt an ausgedehnten Waldgebieten vorbei, die Sonne blickt verschlafen durch zarte Wolkenbänder – man wäre nicht überrascht, würden plötzlich Elfen oder Zwerge zwischen den gezuckerten Bäumen hervorschauen.
Schon im 14. Jahrhundert soll die Heilwirkung der Karlsbader Quellen bekannt gewesen sein. Benannt nach dem böhmischen König und römisch-deutschen Kaiser Karl IV. sah die Stadt im Laufe ihrer Geschichte viele prominente Kurgäste kommen und gehen: Frédéric Chopin, Sigmund Freud, Giacomo Casanova und wieder: Goethe.
In Karlsbad ist das heilende Wasser zwar ebenfalls salzig – aber warm. Die mit 72 Grad heißeste Quelle ist der Sprudel, der mitten im Zentrum als Fontäne aus 2000 Metern Tiefe emporschießt und nebenan in der Wandelhalle getrunken werden kann. Zu medizinischen Zwecken empfehlen Ärzte den Genuss dreimal täglich eine Stunde vor den Mahlzeiten; im Idealfall soll das glaubersalzhaltige Wasser bei Verdauungsstörungen helfen, aber auch Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen kurieren.
Sprudelleitung ins Hotel
Dem gesundheitlichen Wohl der Kurgäste haben sich zahlreiche Hotels verschrieben, so zum Beispiel das prunkvolle Hotel Imperial, das hoch über der Stadt thront und hinter seiner historischen Fassade moderne medizinische Infrastruktur versteckt.
Kur sieht hier eher ein bisschen nach Wellness aus: Viel Luxus, viel gutes Essen. Trotzdem kann man den Sprudel auch hier zu sich nehmen: Ein Rohrsystem leitet das Wasser hinauf ins Hotel.
Franzensbad
Nach Franzensbad, dem kleinsten der drei Kurorte, kommen gerade die über 60-Jährigen gern, „weil alles ebenerdig ist“, so Stefan Kühn von der Bad Franzensbad AG. Ein Argument für „seinen Ort“, das ihm selbst gar nicht eingefallen wäre. Doch es stimmt: Berge oder gar Hügel wie in Marienbad oder Karlsbad gibt es in dem etwas verschlafen wirkenden 5000 Einwohner zählenden Ort nicht.
Der Gesundheitsaspekt allerdings tritt hier stärker hervor als in den anderen beiden Kurstädten: Krankenschwestern ordnen liebevoll bevormundend an, was zu tun ist, man fügt sich wie ein Kind, legt den nackten Rücken in braune Moorpampe und spürt, wie die Wärme tief in die Muskeln eindringt. Eingepackt in drei Schichten Laken, Wachstuch und Wolldecke lauscht man dem tropfenden Wasserhahn und den Gesprächen auf dem Flur, dämmert vor sich hin, doch dann reißt die Schwester wieder die Tür auf und sieht nach dem Rechten – das hier ist Kur, kein Wellnessurlaub.
Doch das versucht Franzensbad auch gar nicht anders zu verkaufen: „Wir bieten hier die traditionelle, klassische Kur“, sagt Kühn. Bürgerliche Küche, abends Konzerte im Festsaal, Spaziergänge auf der Kurpromenade. Kein Schnickschnack.