Personalnot im Urlaubsparadies: Nach Corona gibt es Probleme
Harz, Thüringer Wald oder Sächsische Schweiz. Nach der Pandemie haben beliebte Urlaubsregionen mit neuen Problemen zu kämpfen.
Rathen.
Als es vor einigen Tagen unterhalb des Basteifelsens in der Sächsischen Schweiz lichterloh brannte, wirkte das wie ein Alarmfeuer. Der Löscheinsatz mitten im Urlaubergebiet erwies sich als schwierig. Feuerwehrleute konnten im steilen Gelände nur mühsam gegen die Flammen kämpfen, Sachsen besitzt kein Löschflugzeug. Jetzt ist der Kauf von Polizeihubschraubern geplant, die auch Wasserbehälter transportieren können. Doch bis die im Einsatz sind, dürfte noch viel Wasser der Elbe in die Nordsee fließen. Der Kampf gegen Naturunbilden und Klimawandel ist nur ein Thema, auf das man reagieren muss.
Personalnot gab es schon vor Corona, nun kommen steigende Kosten und verunsicherte Touristen dazu
Als größtes Problem gilt die Personalnot im Gastgewerbe. Das unterscheidet die Sächsische Schweiz nicht von anderen Regionen. Verzweifelt sucht die Branche nach Mitarbeitern. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Sachsen hat dieser Tage die Sorgen der Betreiber erfragt. Das Ranking mag der aktuellen Lage geschuldet sein. An erster Stelle stehen steigende Energiekosten und wachsende Preise für Lebensmittel. Aber auch „akuter Mitarbeitermangel“ wird von mehr als der Hälfte der Betriebe angeführt.
Der Faktor Work-Life-Balance
Frank Schönherr (45) betreibt das Hotel Wehlener Hof im Nachbarort von Rathen. Zu besten Zeiten hatte er 16 Mitarbeiter, darunter fünf aus Tschechien. 2017 begann der personelle Aderlass, Beschäftigte wechselten den Job: „Wir mussten uns verkleinern, Ruhetage einlegen, Öffnungszeiten anpassen.“ Das Café ist nun verpachtet. Im Hotel gibt es nur noch drei Mitarbeiter – inklusive Chef. „Ich mache die ganze Gästebetreuung von früh bis abends, auch den Abwasch.“
Michael Geisler, CDU-Landrat und Chef des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, sieht die Branche vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Dass manche Häuser aufgegeben haben, hänge auch mit anderen Problemen zusammen – beispielsweise mit einer fehlenden Nachfolgeregelung. Unisono hätten Hotels und Restaurants schon vor der Pandemie einen Personalmangel beklagt. „Das hängt unter anderem mit der Work-Life-Balance zusammen. Bei vielen jungen Menschen steht jetzt das Life an erster Stelle“, sagt Geisler.
Wer in der Sächsischen Schweiz im Gastgewerbe arbeitet, kann in der Hauptsaison von April bis Oktober normalerweise keinen Urlaub nehmen. Auch Arbeit am Wochenende ist Normalität. Bis vor ein paar Jahren konnte die hiesige Branche noch vom tschechischen Arbeitsmarkt profitieren. Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die Bezahlung in Tschechien ist besser geworden. Viele sind deshalb in die Heimat zurückgekehrt. Die Pandemie hat den Trend zementiert.
„Region für den Zweit- oder Dritturlaub“
Die Branche hat längst auf die Personalknappheit reagiert. Micaela Lindheimer, Vize-Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, verweist auf verkürzte Öffnungszeiten von Hotelrestaurants und eine Reduzierung des Angebotes in Gaststätten. „Manche bieten nur noch Frühstück und verzichten ganz auf Mittag und Abendessen.“ Nicht alle Urlauber hätten Verständnis. „Wegen Reichtum geschlossen“ nennt Lindheimer nur einen der sarkastischen Kommentare.
Geisler kann die Enttäuschung nachvollziehen, wenn Wandergruppen nicht mehr beim Bier rasten können, weil die Lokalität geschlossen ist oder im Außenbereich nicht bedient wird. „Vielleicht werden einige mehr auf Selbstbedienung umstellen. Aber was kann man dem Gast zumuten“, fragt sich der Landrat selbst. Von einem Kahlschlag im gastronomischen Angebot möchte er nicht sprechen, eher von Schwund.
„Wir sind nicht das Urlaubsgebiet, wo die Leute drei Wochen Ferien am Stück verbringen. Wir sind eher eine Region für den Zweit- oder Dritturlaub“, berichtet Lindheimer. Offenbar würden viele Verbraucher angesichts der Inflation nun erstmal die Entwicklung abwarten. „Die Kurzfristigkeit bei den Buchungen nimmt immer mehr zu. Manche überlegen sich erst einen Tag vorher, dass sie eine Unterkunft brauchen. Dann müssen alle mitspielen und reagieren können, was für die Planung der Ressourcen eine Katastrophe ist.“
Tourismus, Naturschutz und Klimawandel
„Das hat auch Einfluss auf die Stimmung der Branche“, ist sich Geisler sicher. Die Leute sind verunsichert und wissen nicht so richtig, in welche Richtung sich das alles entwickelt und welche Auswirkungen das auf ihr Geschäft hat. Die Mitarbeiter machen sich ja auch Gedanken und fragen sich, was macht der Chef mit uns, wenn ihm das Gas abgedreht wird“, sagt der Landrat und spricht von einer unheilvollen Situation: „Verunsicherung hemmt uns.“
Aus Sicht der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz kommt ein anderes Thema hinzu: den Tourismus im Einklang mit dem Naturschutz zu entwickeln und sich dem Klimawandel zu stellen. Im Nationalpark gibt es 400 Kilometer Wanderwege, in der ganzen Region sind es 1200. Die müssen in Schuss gehalten werden. Bei der letzten Besucherzählung 2008 wurden 3,5 Millionen Nutzer erfasst. Nationalpark-Chef Ulf Zimmermann geht inzwischen von einer höheren Zahl aus.
Zudem habe sich das Verhalten der Gäste geändert, sagt Zimmermann. Manche würden schon vor Sonnenaufgang anreisen und auch länger in der Natur bleiben. Er hält mehr Parkranger für nötig, um den Ansturm in den Griff zu bekommen. Zimmermann weiß, dass sich nicht alle Leute an die Regeln halten und auch abseits der Pfade unterwegs sind – mit fatalen Folgen für die Bodenerosion. Mit einer effektiven Verkehrslenkung sollen Besucherströme nun besser verteilt werden.
Hohe Lebensqualität
„Mit der Zahl der Ankünfte oder Übernachtungen im Verhältnis zur Zahl der ansässigen Bevölkerung steht die Sächsische Schweiz vor der Herausforderung, auch für die Einheimischen attraktiv zu bleiben“, sagt die sächsische Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU). Um Möglichkeiten zu finden, wie die große Besucheranzahl mit einer hohen Lebensqualität der Einheimischen zu vereinbaren ist, stehe der Tourismusverband Sächsische Schweiz im engen Austausch mit der Reiseregion „Wilder Kaiser“ aus Österreich.
Hotelier Schönherr sieht zwar besorgt in die Zukunft, will vom Typ her aber ein optimistischer Mensch bleiben. Dass der Klimawandel sein nur wenige Meter von der Elbe entfernt liegendes Hotel in die Knie zwingen könnte, sieht er selbst nach zwei Hochwassern nicht. „Es gibt inzwischen Routine im Umgang mit dem Hochwasser. Die Hausbesitzer haben ihre Baustoffe angepasst. Das Problem mit der Flut kann man lösen, das Personalproblem dagegen nicht.“ (dpa)