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Wandern auf alten Panzerfahrspuren im Fläming

Wandern auf alten Panzerfahrspuren im Fläming

Früher militärische Sperrzonen, heute Ausflugsziele: Das gibt es südlich von Berlin an mehreren Orten. An einem kann man von einem Kommandoturm aus Hirsche bei der Landschaftspflege beobachten.

Trebbin. 

Der Trampelpfad zweigt rechts vom Weg ab und führt zwischen Kiefern hin zu den alten Panzerrampen. «Da können wir gefahrlos drauf laufen», sagt Führerin Ronja Grothe und lacht.

Denn die Spur durchs Gras haben die Wildtiere getrampelt, die hier leben. Und wo den Tieren nichts passiert ist, können auch wir unsere Füße bedenkenlos hinsetzen. Sonst gilt hier nämlich die Vorgabe: Bitte auf den ausgewiesenen Wegen bleiben.

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Wir sind unterwegs in Glau, einem Ortsteil von Trebbin, 30 Kilometer von Berlin entfernt. Hier war früher ein Truppenübungsplatz, zunächst vorn der Wehrmacht genutzt, nach dem Krieg von den Sowjets. 1994 zog die russische Armee ab, und wo einst Pioniereinheiten ausgebildet wurden, entstand das Wildgehege Glauer Tal.

Vom militärischen Sperrgebiet zum Ausflugsziel: Im Höhenzug Fläming, der sich südwestlich der Hauptstadt durch Brandenburg bis nach Sachsen-Anhalt zieht, gibt es einige solcher Konversionsorte.

Beelitz-Heilstätten zählt dazu, einst Lungenheilstätte, später Standort des größten sowjetischen Militärhospitals außerhalb der Sowjetunion. Jüterbog II ist ein weiteres Beispiel – ein Stadtteil, Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und fast 100 Jahre nur militärisch genutzt. Oder eben das Wildgehege Glauer Tal.

Spuren der Vergangenheit bleiben sichtbar

Als das Wildgehege Ende der 1990er Jahre angelegt wurde, mussten Lkw-Ladungen voller Trümmer wegtransportiert werden. Relikte aus den militärischen Zeiten sieht man immer noch. An einer umgeknickten Birke liegt ein rostiges Panzerrad, an anderer Stelle ragen Betonfundamente aus dem ausgeblichenen Gras.

Die Panzerfahrspuren von einst dienen heute als Wanderwege. «Die wurden intensiv beräumt, da können wir garantieren, dass alles sicher ist», sagt Ronja Grothe, die uns an diesem Tag begleitet. Die restliche Fläche des 160 Hektar großen Geheges wurde zwar auch abgesucht, aber es sei nie auszuschließen, dass noch Trümmerteile herumliegen, an denen sich zum Beispiel herumtobende Kinder verletzen könnten. Und das ist nicht alles.

Vor einigen Wochen musste wieder einmal der Kampfmittelräumdienst anrücken. Ein Naturparkmitarbeiter hatte eine alte Tellermine entdeckt. Es sei zwar «nur» Übungsmunition und in aller Regel passiere nach so langer Zeit nichts mehr, sagt Grothe. Dennoch geht man hier lieber auf Nummer sicher.

Und dann sagt sie einen schönen Satz: «Es ist noch nie ein Hirsch in die Luft geflogen – und die sind ja die ganze Zeit im Gehege unterwegs und schwerer als wir.» Beruhigend.

Wildtiere als Landschaftspfleger

Es gibt Damwild, Rotwild und Muffelwild – rund 150 Tiere momentan – sie sind hier seit ihrer Ansiedlung Ende der 1990er Jahre für die Landschaftspflege zuständig. Die Panzerfahrten haben im Glauer Tal über Jahrzehnte eine sogenannte Offenlandschaft geschaffen, in der wärmeliebende Tierchen, darunter bestimmte Käfer- und Spinnenarten, ein Zuhause finden.

Die Wildtiere wiederum sorgen dafür, dass das offene Terrain nicht von Kiefern bewaldet wird. «Sie schrubbeln ihre Geweihe an den Bäumen ab, was deren Wachstum stört», erklärt Grothe. Was in anderen Wäldern die Förster ärgert, ist hier gewollt. Die beste Aussicht auf Tiere und Landschaft hat man vom früheren Kommandoturm.

Das Gehege am Glauer Tal ist nur ein winziger Teil des Naturparks Nuthe-Nieplitz. Der zieht sich auf 623 Quadratkilometern vom Berliner Ring im Norden bis fast nach Jüterbog im Süden – von dort ist es nicht mehr weit bis Sachsen-Anhalt.

Am Naturparkzentrum direkt am Wildgehege gibt es nicht nur die Eintrittsmarken ins Reich von Damwild, Mufflons und Panzerrampen. Davor gibt es den ganzen Naturpark auch noch mal im Miniformat – in Form eines kleinen Flickenteppichs von acht Feldern. Von Blütenwiese bis Binnendüne lassen die Landschaftsformen des Parks an einem Fleck erkunden. Auf einer kleinen Weide blöken Kamerun- und Gotlandschafe.

Rufbusse als Problemlöser

Schon der Weg zum Wildgehege ist interessant. Wir fahren mit dem Kranich-Express durch ein sommerliches Unwetter. Hinter dem Namen stecken zwei Minibusse, die auf telefonische Bestellung fahren. Man ruft eine Telefonnummer an und sagt, wann man gerne von A nach B fahren möchte. Das funktioniert bei uns zweimal reibungslos.

Das Spannende am Kranich-Express: Er wurde durch ein Crowdfunding-Projekt aus der Taufe gehoben, hinter dem unter anderem die Stadt Trebbin, Tourismusvertreter in der Region und der Naturpark standen.

Es galt, ein Problem zu lösen: Denn mit dem Zug kommt man zwar gut aus Berlin bis nach Trebbin. Nur wie geht es von dort weiter zu den Zielen der Umgebung – etwa zum Wildgehege oder nach Blankensee, das mehrfach als schönstes Dorf Brandenburgs ausgezeichnet wurde?

Das sind zwar nicht mal zehn Kilometer – und dennoch ein Hindernis. «Die sogenannte letzte Meile zu überbrücken, ist manchmal schwierig», sagt Daniel Sebastian Menzel, der Geschäftsführer vom Tourismusverband Fläming.

Die Idee des Kranich-Express kam an: Fast 10 000 Euro wurden gesammelt, um die Bus-Leasingraten für die ersten 18 Monate zu zahlen. Und der Rufbus löste nicht nur ein Problem der regionalen Tourismusbranche. Es ging auch ganz praktisch um die Anbindung der umliegenden Dörfer. Das zeigt sich bei den Fahrgästen: Einheimische nutzen den Kranich-Express ebenso wie Gäste.

Als wir vom Wildgehege zurück Richtung Bahnhof fahren, steigt eine Familie zu – es geht zum Einkaufen. Großes Hallo mit dem Fahrer, man kennt sich. Der Rufbus ist eine offizielle Linie des Verkehrsbundes VBB, vor einigen Monaten wurde das Bediengebiet ausgeweitet.

Fläming als Reiseziel – von Baumwipfelpfad bis Skate-Strecke

Im Schatten von Berlin und Potsdam haben viele den Fläming erstmal nicht auf dem Zettel, dessen ist sich der Chef des Tourismusverbandes bewusst. «Wir arbeiten daran und werden Stück für Stück bekannter.» Projekte wie der Rufbus sollen helfen.

Zu erleben gibt es im Fläming genug: Da wären die alten Lungenheilstätten in Beelitz, mit einem Baumkronenpfad, der entlang der Dächer der Ruinen führt – und einem Barfußpark direkt daneben, wo man über Glasscherben gehen und durch Schlamm waten kann. Da wäre das Wegesystem «Flaeming-Skate»: Rund 230 Kilometer Wege für Inlineskater und Radfahrer, mehrere Rundkurse durch Städte, Dörfer und Natur – kostenlos nutzbar. Oder das Museumsdorf Baruther Glashütte.

Gute Anbindung zahlt sich aus

An der Anbindung scheitert es ebenfalls nicht. Vom Hauptbahnhof Berlins bis nach Trebbin etwa fährt der Regionalzug RE 3 nur eine halbe Stunde, nach Beelitz-Heilstätten sind es 40 Minuten mit dem RE 7, nach Baruth/Mark eine Stunde mit dem RE 5.

Es ist eine Region, die attraktiv für Tagesausflüge ist – nicht nur aus Berlin kommend, sondern auch aus Magdeburg, Leipzig oder Dresden. Tourismusverbandschef Menzel kann die Zahlen für 2019 nennen: 13,1 Millionen Tagesgäste, «nur» 2,1 Millionen Übernachtungsgäste.

Menzel sieht aber eine Veränderung. Dass Leute nicht mehr immer in der Stadt, sondern auch mal vor deren Toren Urlaub machen – und etwa für einen Tag nach Berlin oder Potsdam fahren. Der Fläming punkte eben mit viel Natur, mit viel Wald – und wenn man es dann noch mit Aktiv- und Mitmachangeboten verknüpfen kann, sei das natürlich super.

Ein «Fund» im Wildgehege

So wie im Wildgehege im Glauer Tal. Hier laufen wir von den Panzerrampen ein Stück querfeldein zurück zum Wanderweg. Plötzlich beugt sich die Fotografin und hebt eine kleine schwarze Scheibe auf, nur wenige Zentimeter im Durchmesser – ein weiteres militärisches Relikt etwa? Gar ein Teil einer Mine?

Sie reicht es Ronja Grothe. Das geübte Auge der Naturparkführerin sieht sofort: kein weiteres Überbleibsel der russischen Truppen, sondern nur die Abdeckung eines Fernglases. (dpa)