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5:6 nach 4:0

5:6 nach 4:0

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Das größte Spiel der Vereinsgeschichte des VfL Bochum… Als der Filmemacher Ben Redelings das in seinem Film „Wer braucht schon ein Sektfrühstück bei Real Madrid?“ prominente VfL-Fans fragte, brauchten die nicht lange zu überlegen. VfL gegen FC Bayern. 5:6. Nach 4:0-Führung. Einfach Wahnsinn.

Schon wenn Fans beider Mannschaften die Aufstellungen lesen, zittern die Hände und tränen die Augen – versammelte Bochumer und Münchener Fußball-Legenden! Bei Bochum: Gerland, Lameck, Tenhagen, Pochstein, Kaczor. Bei den Bayern die komplett versammelte Welt- und Europameister-Riege: Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Hoeneß, Müller.

„Das war“, erinnert sich Schriftsteller Frank Goosen in Ben Redelings‘ Film, „zur Eröffnung der neuen Südtribüne.“ Sein Vater habe Sitzplatztickets springen lassen. Jeder VfLer wollte sie sehen: die Bayern und die Tribüne. Und dann das: Der VfL spielte die Bayern schwindelig. Zweimal Harry Elbracht, einmal Josef Kaczor (in Bochum nur bekannt unter „Jupp“) und Hans-Joachim „Sammy“ Pochstein. 4:0 nach 53 Minuten. Beim dritten Gegentor reklamierten die Bayern Abseits – doch Schiri Walter Horstmann, der sein 100. Spiel leitete, pfiff nicht. Was auch immer die Bayern versuchten: Es war wie verhext.

Die große Sensation. Greifbar nahe für den VfL.

Doch dann stellte der VfL im „Spiel der offenen Tore“ (Zitat von Bayern-Trainer Dettmar Cramer) die Offensivbemühungen ein. Dabei hatten sich die Bochumer noch in der Pause vorgenommen, es den Bayern „richtig zu zeigen“, wie sich Abwehrspieler Jupp Tenhagen später erinnerte. Klappte nicht. Karl-Heinz Rummenigge, damals zarte 21 Jahre alt, eröffnete die Aufholjagd in der 55. Minute mit 1:4. Nur 20 weitere Minuten benötigten die Bayern, um ratzfatz noch vier weitere Tore zu erzielen. Schwarzenbeck, Müller, Müller, Hoeneß. Nach 0:4 noch 5:4. Das schaffen nur die Bayern. War die Entscheidung gefallen? Oh nein! Jupp Kaczor schoss das 5:5, zehn Minuten vor Schluss. Retten die Bochumer wenigstens diesen einen Punkt? Nein! Uli Hoeneß setzte in der 89. Minuten den Schlusspunkt. Das elfte Tor des Tages entschied eins der denkwürdigsten Spiele der Bundesliga-Geschichte.

Der Journalist und Autor Christoph Biermann erinnert sich in Redelings‘ Film, dass er nach dem Schlusspfiff geweint hat. Schauspieler Uwe Fellensiek erzählt im gleichen Streifen, dass ein Fan auf der Tribüne einen Herzinfarkt erlitt und starb. „Das war too much für den“, sagt Fellensiek. Jupp Tenhagen verrät, dass seine Mitspieler in der Kabine „todtraurig und total leer“ waren.

Am Ende schaffte der VfL knapp den Klassenerhalt, die Bayern wurden nicht Meister. Eine eher unspektakuläre Saison. Aber dieses Spiel an einem Samstagmittag zwischen 15.30 und 17.20 Uhr, das hat niemand vergessen. Wer immer VfL-Fan wird, hört in seiner ersten Dauerkarten-Saison diese Geschichte. Garantiert.

Die Aufstellungen

VfL Bochum – FC Bayern München 5:6 (3:0)

VfL: Scholz, Gerland, Franke (11. Ellbracht), Herget, Lameck, Eggert, Miß, Tenhagen, Trimhold, Pochstein, Kaczor

Bayern: Maier, Horsmann, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Andersson, Kapellmann, Torstensson (85. Künkel), Dürnberger, Hoeneß, Müller, Rummenigge

Tore: 1:0 Harry Ellbracht (24.), 2:0 Jupp Kaczor (38.), 3:0 Harry Elbracht (43.), 4:0 Hans-Joachim Pochstein (53.), 4:1 Karl-Heinz Rummenigge (55.), 4:2 Georg Schwarzenbeck (57.), 4:3 Gerd Müller (63.), 4:4 Gerd Müller (74./Foulelfmeter), 4:5 Uli Hoeneß (75.), 5:5 Jupp Kaczor (80.), 5:6 Uli Hoeneß (89.)

Zuschauer: 17.000

Schiedsrichter: Walter Horstmann (Hildesheim)