Im London ist der Rekord-Weltmeister auf Abschiedstour. Phil Taylor hat 7,48 Millionen Pfund an Preisgeld erspielt und träumt noch vom 17. Titel.
London.
Die Fans im Alexandra Palace wollten Phil Taylor einfach nicht gehen lassen. Schon zwei Stunden vor dem Viertelfinale gegen Gary Anderson sangen sie sein Lied „Walking along, singing a song, walking in a Taylor Wonderland“. Überall hallte sein Name im altehrwürdigen Palast. Auch nach dem Spiel sangen sie. Taylor zog durch ein 5:3 ins Halbfinale ein.
Anders als die Darts-Welt war Phil Taylor längst bereit für den Abschied. Der 57-Jährige hatte sich vor der 25. Weltmeisterschaft rar gemacht. Plötzlich war der sonst so plauderfreudige Engländer zurückhaltend, gab kaum Interviews. „Das Feuer ist erloschen“, sagte er gegenüber der Professional Darts Corporation (PDC). Das Feuer, das fast 30 Jahre lang brannte: 16-mal wurde Taylor Weltmeister, 118 WM-Partien gewann er und verlor nur zwölf.
Der Mann aus Stoke-on-Trent war eigentlich kein Darts-Spieler, sondern Bodybuilder. Seine Ex-Frau Yvonne schickte Taylor, der für 52 Britische Pfund die Woche Klorollen montierte, irgendwann in die Kneipe, um Pfeile zu werfen und schenkte ihm ein paar zum Geburtstag. In Burslem spielte er regelmäßig im Crafty Cockney. Der Pub gehörte Eric Bristow, einem professionellen Dartsspieler, der Taylors Talent erkannte und ihm 10 000 Pfund für den Karriere-Start lieh. Bedingung: Er soll das mit der Keramik sein lassen.
Taylor nahm die Pfeile in die Hand und wurde 1995 der zweite Weltmeister der PDC, die er mitbegründet hatte. Sieben weitere Titel ließ er bis 2002 folgen. 44 Spiele in Serie hieß in dieser Zeit der Sieger Phil „The Power“ Taylor. Die Legende war geboren.
Die schlimmsten zwei Jahre
Ein Produkt aus seiner genialen Fähigkeit, in den lautesten Arenen jeden Fehler auszunutzen. Und aus Training, viel Training. Acht Stunden täglich sollen es gewesen sein. Fleiß, der sich ausgezahlt hat.
Doch Taylor, der als Profi 7,48 Millionen Pfund (8,4 Millionen Euro) an Preisgeld einnahm, kennt auch die Tiefen. 1999 lud er nach einem Show-Event in Schottland zwei junge, betrunkene Frauen in sein Luxuswohnmobil. Später zeigten sie ihn an wegen sexueller Belästigung. Taylor musste 2000 Pfund Strafe zahlen. Für ihn „die schlimmsten zwei Jahre meines Lebens“.
Sportlich musste Taylor bei der WM 2007 den wohl tiefsten Schlag hinnehmen. Im Finale gegen Raymond van Barneveld führte er 3:1, 4:2, 5:3 und verlor im Sudden Death mit 6:7. „Wenn ich etwas bereue, dann dieses Match“, sagt er. Für andere ist es das größte Darts-Spiel aller Zeiten. Bislang.
2013 holte Taylor noch einmal den WM-Titel gegen Michael van Gerwen, danach bekam seine Dominanz immer tiefere Risse. „The Power“ wurde auf einmal von Spielern geschlagen, die 20 Jahre jünger als er sind. Er ließ seinen Frust am 31 Jahre jungen Daryl Gurney aus, warf ihm mangelnden Respekt vor, weil er ihm beim Grand Slam of Darts kein Wasser eingeschüttet hatte. Einer seiner Psychotrick? Ein Zeichen, findet Taylor: „In 25 Jahren habe ich nie schlecht über Spieler gesprochen. Erst jetzt rede ich schlecht, weil es mich fertig macht, wie es läuft. Es ist an der Zeit für mich, zu gehen.“
Wie bei Sir Bobby Charlton
Oder gibt es doch noch ein Comeback? „Ich glaube nicht, dass er zurückkommt”, sagt John McDonald dieser Zeitung, der über ein Jahrzehnt Taylor mit seiner markanten Stimme ankündigte. „Vielleicht wird es so wie bei Sir Bobby Charlton. Es wäre schön, wenn er in dieser Art dabei bleibt.“ Der heute 80-jährige Charlton hielt dem Fußball die Treue, war lange Botschafter seiner Sportart auf der Insel.
Taylor selbst betont, dass sich das Karriereende nur auf den Rücktritt als aktiver Profi beschränkt. Er wird weiter spielen, bei Show-Matches, macht nach der WM aber erstmal Pause in Australien und guckt Tennis und Cricket. „Dazu hatte ich vorher nie Zeit.“
Auch zu Hause wird er gebraucht. Nicht als „The Power“, sondern als Opa. Phil Taylor hat vier Enkelkinder, die sicher viele Geschichten hören wollen. Vom Alexandra Palace in London, von Rekorden, von Raymond van Barneveld, von seinem Leben als größter Darts-Spieler der Geschichte.