Essen.
Der Mann sah schlecht, aber er war nicht zu übersehen, denn er trug eine riesige Brille. Eine Harley-Davidson unter den Brillen. Der Mann, der an diesem Abend durch die Tür kommt, trägt keine Brille. Man erkennt ihn nicht. „Hallo“, sagt er dann. „Ich bin es, Ed!“
Ed heißt eigentlich Michael Edwards, aber die Menschen kennen ihn nur unter seinem Spitznamen: Eddie the Eagle, der schlechteste Skispringer aller Zeiten.
Die Brille mit den Glasbausteinen hat er immer in seiner Reisetasche dabei. „Die setze ich auf, wenn Fans ein Foto von mir machen wollen. Sonst würde mich doch niemand erkennen.“ Und Eddie lebt davon, dass ihn die Menschen erkennen, er verdient noch immer Geld mit Werbe-Aufträgen, bei denen er auch mal sechs Meter weit von einer Mini-Schanze hüpft.
Erfolgreiche Augen-Operation
So ein Werbe-Auftrag hat dem Engländer auch die Sehschärfe zurück gebracht. Er machte drei Tage lang Reklame für einen russischen Augenarzt, im Gegenzug gab es dann die erfolgreiche Augen-Operation.
Eine Anekdote wie von einem Basar, aber der 46-Jährige hat schlechte Zeiten erlebt und war auf solche Geschäfte angewiesen. 1988, bei den Olympischen Spielen in Calgary, feierten ihn die Fans. Er landete zwar bei beiden Skispringen auf dem letzten Platz, doch die Menschen liebten ihn.
Er wog zehn Kilo mehr als alle anderen Springer, die neben ihm wie Krawatten-Nadeln aussahen. Er war Maurer, er hatte für jeden einen Spruch auf Lager, er war die beste Unterhaltung, die seit Charlie Chaplin aus England kam.
Bei der Abschlussfeier der Spiele würdigte ihn der damalige IOC-Chef Juan Antonio Samaranch im Stadion mit den Worten: „Einige haben Gold gewonnen, einige haben Rekorde gebrochen, und einer ist sogar geflogen wie ein Adler.“ In diesem Moment riefen 100 000 Menschen auf den Tribünen: „Eddie, Eddie, Eddie.“
Der Engländer, der 70 Meter sprang, wo andere über 130 Meter weit flogen, war in den Herzen gelandet. Er verdiente Geld mit seiner Popularität, vertraute einem Anlageberater, und war 1992 bankrott. Deshalb der Handel mit dem russischen Augenarzt.
In Kanada unvergessen
Aber Eddie ist nicht nur lustig, er hat auch Biss. „Das verlorene Geld hat mich fast wahnsinnig gemacht“, sagt er. Aber er ist der Mann, der seinen Olympia-Traum wahr gemacht hat. Nachdem er es im Volleyball, Judo und Reiten nicht geschafft hatte, entdeckte er in London eine Skihalle mit Kunstschnee, lernte Ski fahren und wurde der erste britische Skispringer. „90 000 Sprünge habe ich in meinem Leben gemacht“, sagt er. „Und bei jedem einzelnen hatte ich verdammte Höhenangst.“
So ein Mann lässt sich von einem Anlage-Betrüger nicht abservieren.
Eddie, der nach der Schule eine Ausbildung zum Stuckateur gemacht hatte, schrieb sich an der Universität ein, studierte Jura und verklagte den Anlageberater. Sein Geld hat er noch nicht zurück. „Aber ich fühle mich jetzt besser.“
Er gründete eine Baufirma und renoviert zur Zeit mit seinen Leuten Häuser. „In der Firma nennen sie mich übrigens Michael“, erzählt Edwards. Da ist Eddie the Eagle weit weg.
Er ist auch nicht auf dem Laufenden, was Skispringen angeht. In England interessiert sein Sport niemanden, nicht mal die Vierschanzen-Tournee wird übertragen. „Ich kann zuhause auch kein Eurosport empfangen“, schüttelt er den Kopf. „Frag mich also bloß nicht nach meinen Olympia-Favoriten.“
Trotzdem haben sie ihn in Kanada nicht vergessen. Vor ein paar Wochen war er in Winnipeg und hat das Olympische Feuer einen Kilometer weit getragen. „Wenn mich noch jemand nach Vancouver einlädt, fahre ich auch dorthin“, meint Eddie. Wahrscheinlich aber fährt er nicht.
Olympia lässt ihn trotzdem nicht los. Es soll bald einen Kinofilm über sein Leben geben. Wer die Hauptrolle spielen soll? Eddie überlegt nicht lange: „Brad Pitt!“ Der könne schließlich auch nicht Skispringen. Kurzes Schweigen, dann lacht Eddie.