Michael Ballack hat sein Schweigen gebrochen und kritisiert, wie er von Joachim Löw aus der Nationalelf ausgebootet worden ist. Er vermutet eine Intrige, an der auch Philipp Lahm beteiligt gewesen sein soll, hinter seiner Absetzung.
Frankfurt.
Der ehemalige DFB-Kapitän Michael Ballack hat sein wochenlanges Schweigen gebrochen und 88 Tage vor dem EM-Start mit seinem Nachfolger Philipp Lahm und Bundestrainer Joachim Löw abgerechnet. ‚Ich wollte 2010 vor Ort sein, und als ich abgereist bin, kam am gleichen Tag das Interview von Philipp Lahm. Er ist ein intelligenter Junge. Um in so einer Situation ein Interview zu geben, das macht man nicht einfach so. Da muss man schon einen Doppelpass mit dem Trainer führen, um sich so weit aus dem Fenster zu lehnen. Das sagt mir mein Gefühl‘, sagte Ballack bei Sky90, wo sich der 35-Jährige den Frust über seine Ausbootung in der DFB-Auswahl von der Seele redete.
Ballack vermutet ein „abgekartetes Spiel“ hinter seiner Absetzung
Ballack wirft Löw und dem aktuellen Kapitän Lahm auch mit einigem Abstand vor, ihn 2010 während des WM-Turniers in Südafrika mit einem abgekarterten Spiel hintergangen zu haben. Damals hatte der verletzte Capitano die deutsche Mannschaft am Kap besucht und sich im DFB-Quartier behandeln lassen, war dann aber frühzeitig wieder abgereist, nachdem er feststellen musste, dass er nicht mehr die erste Geige spielte. Lahm hatte am Tag der Ballack-Abreise gefordert, auch über die WM hinaus die Kapitänsbinde zu tragen, was zu einem Konflikt mit seinem Vorgänger geführt hatte.
‚Ich war Kapitän und ich weiß, wie man sich in einer Gruppe verhält. Philipp war dann Kapitän und diese Situation war komisch für mich. Mit Philipp Lahm habe ich nicht mehr über die Situation gesprochen. Man sollte es auch irgendwann mal ruhen lassen‘, sagte Ballack. Der zurzeit verletzte Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen, der nach eigenen Angaben möglicherweise im Sommer noch einmal ins Ausland wechseln wird, lehnt eine Aussprache mit Lahm ab. Ein Wiedersehen mit Löw, um sich ‚die Hand zu geben und sich auszusprechen‘, sei allerdings im Bereich des Möglichen, so der 98-malige Nationalspieler: ‚Es bleibt nichts hängen. Sicher wird man irgendwann sprechen, sich wieder über den Weg laufen und die Hand reichen.‘
Die Art und Weise, wie Löw mit ihm nach der WM umgegangen sei, findet Ballack allerdings nach wie vor nicht in Ordnung: ‚Wenn man mit offenen Karten gespielt hätte, wäre ich der Letzte gewesen, mit dem man keine Lösung gefunden hätte. Aber es sind viele Dinge passiert, die sind nicht korrekt.‘ Ballack kritisierte konkret, dass man das ‚Problem Ballack‘ bewusst auf die lange Bank geschoben und ausgesessen habe. Deshalb sei es dann auch nach 98 Länderspielen zu seinem unrühmlichen Ende in der Nationalmannschaft ohne ein Abschiedsspiel gekommen: ‚Dass ich das Freundschaftsspiel abgelehnt habe, ist nur logisch, weil man mich elf Monate hingehalten hat und ich nie wusste, woran ich bin. Aber es sind viele Dinge passiert, die sind nicht korrekt und deshalb sollte man meine Reaktion verstehen.‘
Ballack nennt Leverkusen-Engagement ein Missverständnis
Dass er in der Nationalmannschaft systematisch aus seinem Amt und damit auch aus dem Team gejagt wurde, steht für Ballack offensichtlich fest. Dass sein Bundesliga-Comeback bei Bayer Leverkusen nach der WM in Südafrika nicht so wie geplant verlief, sei dagegen wohl einem Missverständnis geschuldet.
‚Ich hatte auch andere Angebote. Aber es war eine Herzensangelegenheit, ich wollte dem Verein etwas zurückgeben und habe mich fit gefühlt. Ich glaube, es gab intern Kommunikationsprobleme, wie meine Rolle auszusehen hat‘, sagte er. Demnach hätten Sportchef Rudi Völler, der ihm noch einmal eine zentrale Rolle zugetraut habe, und der damalige Trainer Jupp Heynckes unterschiedliche Auffassungen gehabt. ‚Ich hatte das Gefühl, dass Heynckes mit jüngeren Spielern als mir plante‘, so Ballack.
Nachdem sich seine Situation auch unter Heynckes-Nachfolger Robin Dutt nicht gebessert, sondern eher noch verschlechert hat, will der Routinier die Saison ‚professionell zu Ende führen‘ und dann im Sommer noch einmal ‚eine neue Herausfoderung im Ausland‘ suchen. Auf die Frage, ob das Ziel Red Bull New York heißt, antwortete Ballack: ‚Es könnte schon in die Richtung gehen.‘ (sid)