Fußball-Schiedsrichter Deniz Aytekin traf zuletzt einige umstrittene Entscheidungen. Im sozialen Netzwerk Facebook wurde nun eine Gruppe „Gegen Deniz Aytekin Profifußball“ gegründet. Am Freitagabend hat Facebook reagiert und die Gruppe geschlossen. Auf der Internetplattform wurde schon gegen Fußballer Kevin Pezzoni und Schiedsrichter Babak Rafati gehetzt.
Essen.
Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin hat keinen Facebook-Account, jedenfalls keinen öffentlichen. Im sozialen Netzwerk aber wird über ihn diskutiert – scharf und hemmungslos. „Gegen Deniz Aytekin im Profifußball“, heißt eine am Mittwoch gegründete Gruppe über den Unparteiischen. Titelbild: Deniz Aytekin, rot durchgestrichen. Eine weitere Gruppe mit dem gleichen Titelbild heißt: „Aytekin Pannenschiri“. Der Schiedsrichter wurde zuletzt mehrfach wegen strittiger Entscheidungen kritisiert.
2008 gab Aytekin sein Debüt als Bundesliga-Schiedsrichter. Seither leitete er 57 Spiele in der höchsten deutschen Spielklasse – und erarbeitete sich unter Fußballfans einen zweifelhaften Ruf. Aytekin gilt als konsequent, manchmal gar als zu hart in seinen Entscheidungen. Mehr als 800 Facebook-Nutzer sind der Gruppe „Gegen Deniz Aytekin im Profifußball“ in den ersten gut 30 Stunden beigetreten.
Facebook-User nennen Aytekin „Spinner“
Der erste Eintrag ist ein Foto von Szabolcs Huszti, der oberkörperfrei am Zaun hinter dem Tor hängt und mit den Fans seinen spektakulären Siegtreffer gegen Werder Bremen feiert. Aytekin stellte ihn dafür vom Platz. Gelb für ein ausgezogenes Trikot, Gelb für Auf-den-Zaun-klettern – Gelb-Rot. Eine harte Entscheidung, das Regelwerk aber ließ dem Schiedsrichter keinen Spielraum.
In den Kommentaren zu den weiteren Einträgen wird Aytekin, der bei der Fußball-Europameisterschaft Teil des Schiedsrichtergespanns um Wolfgang Stark war, beschimpft. Ein User nennt ihn „Spinner“, der „nur Scheiße“ baue; ein anderer unterstellt Aytekin, mehr mit seinen gegelten Haaren als mit dem Spielverlauf beschäftigt zu sein; weiter heißt es: „ein Witz, der Typ“, „ist doch echt jedem klar, dass der was gegen Gladbach hat, so wie der pfeift“, „wofür kriegt der sein Geld?“ oder „wenn ich Scheiße bauen würde auf der Arbeit, hätte ich eine Abmahnung am Arsch“.
Schaaf fehlt bei Aytekin die Einsicht
Aytekin, der für den TSV Altenberg pfeift, hatte in der Bundesliga zuletzt mehrere unglückliche Auftritte als Schiedsrichter: In Hannover stellte er nicht nur Huszti vom Platz, sondern gab auch ein Bremer Tor nicht, weil Sokratis im Kopfballduell seinen Gegenspieler gefoult haben soll. In den TV-Bildern war das nach der Partie nicht zu erkennen.
Der Schiedsrichter blieb aber auch bei seiner Meinung, als er die Szene nochmals im Fernsehen gesehen hatte. Unverständlich für viele Fans und Thomas Schaaf. Der Werder-Trainer äußert sich nur sehr selten über Schiedsrichter, sagte aber über Aytekins fehlende Einsicht: „Wenn ich das höre, finde ich es nur traurig. Da fehlt mir jegliches Verständnis. Ich finde es schlimm, solche Aussagen zu erleben. Es können durchaus Fehler vorkommen, auch wir haben in dem Spiel Fehler gemacht. Aber dann muss man auch dazu stehen.“
Lange Geschichte zwischen Aytekin und Gladbach
Jüngst in Mönchengladbach pfiff Aytekin Strafstoß und stellte Borussen-Verteidiger Martin Stranzl vom Platz, nachdem er dessen Grätsche gegen Ivo Ilicevic als Foul gewertet hatte. Die TV-Bilder allerdings zeigten später, dass Stranzl den Hamburger nicht berührt hatte. Stranzl selbst profitierte von einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Bei seinem Kopfballtreffer zum 1:1-Ausgleich hatte er sich – wie er nach der Partie vor laufenden Kameras auch einräumte – auf seinem Gegenspieler aufgestützt.
Aytekin und Mönchengladbach verbindet eine längere Geschichte von umstrittenen Entscheidungen des Schiedsrichters: am 30. Spieltag der Saison 2010/11 flog Mike Hanke im Abstiegskampf gegen Mainz mit Gelb-Rot vom Platz, ein Foul an Marco Reus im Strafraum des FSV wurde nicht geahndet. Seither ist Aytekin am Niederrhein alles andere als beliebt. In der gleichen Saison verlor die Borussia ein hektisches Heimspiel gegen St. Pauli, Schiedsrichter: Deniz Aytekin.
Pezzoni-Hetze auf Facebook
Zuletzt rückten der Profi-Fußball und die Internet-Plattform Facebook in den Fokus von Medien, Liga und Vereinen, als der mittlerweile Ex-Kölner Kevin Pezzoni vor seinem Haus bedroht wurde. Dazu hatten vermeintliche Fans des FC in einer hetzerischen Facebook-Gruppe aufgerufen. Pezzoni und der 1. FC Köln lösten den bestehenden Vertrag unmittelbar danach auf, der Spieler erstattete Anzeige gegen unbekannt. Der Vorfall sei ein „katastrophales Beispiel“, schimpfte Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß.
Gegenüber der Welt kritisierte Pezzoni wenig später seinen ehemaligen Verein: „Ich hatte gehofft, dass die Verantwortlichen sich hinter mich stellen und versuchen, mich zu schützen. Ein Verein sollte dazu in der Lage sein, seine Spieler vor den Fans zu schützen. Das war in diesem Fall nicht so.“
Rafati klagte nach Selbstmordversuch über zu hohen Druck
Vor weniger als einem Jahr beging Schiedsrichter Babak Rafati einen Selbstmordversuch. Auch gegen ihn wurde im Internet gehetzt, unter anderem in der Facebook-Gruppe „Anti Babak Rafati“. Der mittlerweile nicht mehr aktive Schiedsrichter erklärte später, der öffentliche Druck sei zu groß gewesen, er habe eine ständige Angst vor Fehlern verspürt. Vielfach wurde in der anschließenden Debatte ein fairerer Umgang mit den Unparteiischen gefordert. Keine zwölf Monate später scheint das bereits wieder vergessen.
Aytekin wird am Samstag das Zweitliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und Energie Cottbus pfeifen.
Facebook hat die Gruppe „Gegen Deniz Aytekin im Profifußball“ im Laufe des Freitagabends geschlossen.
Martin Stranzl und Deniz Aytekin im Dialog
Martin Stranzl ist eine ehrliche Haut. Nach dem 2:2 (1:2) gegen den Hamburger SV gab der Abwehrchef von Borussia Mönchengladbach unumwunden zu, dass er sich vor dem 1:1 im Luftduell gegen HSV-Kapitän Heiko Westermann aufgestützt hatte. „Ja. Da hätten wir uns nicht beschweren dürfen.“
Umso erboster war der Österreicher dann aber über den Foulelfmeter, der offensichtlich keiner war. In der 53. Minute hatte Stranzl im Strafraum zu einer Grätsche gegen Ivo Ilicevic angesetzt. Die TV-Bilder zeigten: Stranzl hatte den HSV-Stürmer tatsächlich nicht getroffen. Das habe er auch Schiedsrichter Deniz Aytekin, der Stranzl für das Foul zudem Rot zeigte, so mitgeteilt.
„Ich habe ihm gesagt, frag ihn doch“, berichtete Stranzl nach dem Spiel. Aytekins zumindest ungewöhnliche Antwort: „Meinst du wirklich?“. Stranzl: „Ja, frag ihn.“ Aytekins Antwort: „Nein, geh bitte vom Platz.“ Stranzl zeigte aber Verständnis. „Das ist schwierig zu sehen und nicht einfach für den Schiedsrichter.“ Das Miteinander der Spieler müsse aber besser werden. Unverhohlene Kritik an Ilicevic, der trotz der Diskussionen auf dem Platz nichts sagte. Das hatte Stranzl selbst nach seinem Treffer allerdings auch nicht getan. (mit Material von dapd)