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Alle lechzen nach der Hand Götzes

Alle lechzen nach der Hand Götzes

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Foto: Linz/PiLi
Die WR verloste elf Plätze als Escort-Kids beim Champions-League-Spiel des BVB am Dienstagabend gegen Olympiacos Piräus. Wir haben die Kinder an dem wohl aufregendsten Tag ihres Lebens begleitet.

Dortmund. 

Irgendwann kommen Jungs ja in dieses Alter, da gilt es als „voll uncool“, an die Hand genommen zu werden. Es sei denn, der wegweisende Nebenmann heißt Mario Götze, das Ziel Signal Iduna Park, der Anlass Fußball-Champions-League. Liebe Eltern, so schwer das jetzt auch sein mag: Aus der vermeintlichen Peinlichkeit wird im Handumdrehen ein erfüllter Kindheitstraum. Ein einmaliges Erlebnis, das für 22 Kinder – darunter elf kleine WR-Leser, die beim Gewinnspiel unserer Zeitung gewonnen haben – wahr geworden ist. Sie liefen am Dienstagabend Hand in Hand mit den Profis von Borussia Dortmund und Olympiacos Piräus ins ausverkaufte Stadion ein. Wir haben die Kleinen an dem wohl aufregendsten Abend ihres bisherigen Lebens begleitet.

Es ist halb acht, gut eine Stunde vor dem Anpfiff. Drinnen, im Fußballtempel, pulsiert das Borussen-Blut schon jetzt im Dreivierteltakt. Auf den Rängen fachsimpeln sie („Götze oder Kagawa?“), philosophieren („4-3-3-System?“), tippen („Erster Heimsieg oder nächstes Debakel auf Europas Bühne?“). Draußen, in einer kleinen Umkleidekabine mit Turnhallen-Charme, stellen sich andere mindestens ebenso drängende Fragen, wie diese: „Hilfst Du mir mal mit den Schnürsenkeln?“ oder „Ist das Stadion ausverkauft? – Ja, echt? Boah geil!“ Die Nervosität ist greifbar, die Vorfreude aber auch.

Theo, das Geburtstagskind

„An diese Spannung bei den Kindern gewöhnst Du Dich nie. Ein Traumjob“, sagt Bastian Rustemeier, einer von denen, die die Rasselbande im Zaum halten – und sie auf ihren Auftritt vor Millionen Fernsehzuschauern in mehr als hundert Ländern vorbereiten. „Wer von Euch ist Schalke-Fan?“, fragt er in die dicht besetzte Kabine. Die Arme ruhen. „Und wer von Euch will mit Mario Götze einlaufen?“ 22 Finger schnellen in die Höhe. Die Hand Götzes ist das Objekt der Begierde. Wer mit den Borussen aufs Feld geht, entscheidet das Los. Welcher Akteur nun die Hand ergreift, entscheidet sich erst im Spielertunnel.

Auch Theo Karafillidis aus Schwelm lechzt nach der Hand des jungen Spielmachers. Der Halbgrieche hat aber auch so Grund zu feiern: Er hat ausgerechnet an diesem Dienstag Geburtstag; es ist sein Siebter. Gerade noch rechtzeitig, um überhaupt hier sein zu dürfen. Die Uefa-Regeln sind nämlich streng: Wer die Fußballprofis aufs Spielfeld begleiten will, muss zwischen sieben und neun Jahre alt und zwischen 1,10 und 1,30 Meter groß sein. „Das hier ist das coolste Geburtstagsgeschenk, das ich je bekommen habe“, sagt Theo und strahlt. Viel Zeit, um seinen Ehrentag zu zelebrieren, bleibt in diesen Minuten nicht. Sie drängt sogar. Welch akribische Arbeit hinter dem etwa zweiminütigen Auftritt im Flutlicht steckt, bleibt sonst im Verborgenen. Hose, Stutzen, Schuhe an, Trikots in die Hose stopfen, Bändchen übers linke Handgelenk stülpen – fertig eingekleidet ist das Einlaufkind.

Einlaufen will gelernt sein

Aber da wäre ja noch die Sache mit dem Einlaufen. Laufen – kann doch jeder! Von wegen. Hände ausstrecken, Profi ergreifen, Hände bei der Hymne hinter dem Rücken verschränken und ruckzuck wieder runter vom Rasen. Das Wichtigste: Jeder muss die Laufwege kennen (Der Satz könnte auch von Jürgen Klopp stammen!). Und seine Position: Der Kleinste läuft als Erstes, der Größte als Letztes. Zentimeter-Arbeit, im Sinne der Uefa.

Während die Fan-Herzen im hellbeleuchteten Stadion zwanzig Minuten vor dem Anpfiff hochkochen, übt Manuela Tielkes, verantwortlich für die Escort-Kids, mit den Kindern im dunklen Stadion „Rote Erde“. Vor ganz leeren Rängen. Jan, 9 Jahre, hat jetzt nur noch eine Befürchtung: „Hoffentlich nimmt meine Mutter das Spiel auf.“

Um 20.40 Uhr ist es soweit. Die letzten Meter, noch die Treppe runter, warten. Die Gladiatoren folgen. Ivan Perisic greift nach Theos Hand und marschiert kurz darauf auf den Rasen: Fotoapparate blitzen, Kameras halten drauf und fangen neben den Hauptakteuren auch ihre kleinen Begleiter ein. 65 000 Fans grölen, die Champions-League-Hymne ertönt. Eine Wahnsinns-Atmosphäre – und 22 Kinder mittendrin.

Ivan Perisic wird Theo vermutlich nicht wiedererkennen. Theo ihn und den intensiven Moment mit ihm aber niemals vergessen.