Mit Borussia Dortmund gewann Harry Decheiver 1997 den Weltpokal, zuvor spielte der niederländische „Knipser“ jedoch in der Bundesliga für den SC Freiburg. Um einen seiner Ex-Klubs sorgt er sich. Ein Interview mit dem Kult-Kicker vor dem Aufeinandertreffen von Freiburg und Dortmund.
Essen.
Herr Decheiver, sie haben sich in Deutschland als “Knipser” einen Namen gemacht. Werden Sie ab und zu überhaupt noch so genannt?Harry Decheiver: Ich werde immer wieder dran erinnert, in Deutschland wird der Spitzname ja noch immer gebraucht als Andeutung für Torinstinkt. Es heißt noch immer, “wir suchen einen Knipser”. Mit mir hat das damals angefangen. Es freut mich, dass das eine bleibende Bedeutung erhalten hat.
Werden Sie am Wochenende die Partie zwischen ihren beiden Ex-Klubs Freiburg und Dortmund verfolgen?
Decheiver: Klar. Die Bundesliga schaue ich immer noch, sowohl live im TV als auch die Sportschau samstags um 18 Uhr.
Wann haben Sie zuletzt ein BVB-Spiel im Stadion gesehen?
Decheiver: Das ist schon eine ganze Weile her. Vielleicht sechs, sieben Jahre. Natürlich verfolgt man die Vereine, bei denen man gespielt hat. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mehr für Freiburg übrig habe als für Dortmund.
Nach ihrer Profikarriere haben Sie viele Jahre eine Videothek betrieben, seit fünf Jahren arbeiten Sie für eine Zeitarbeitsfirma. Glauben Sie, dass Freiburgs Zeit in der Bundesliga am Ende der Saison vorerst abgelaufen sein wird?
Decheiver: Ich mache mir Sorgen. Freiburgs bisherige Ausbeute ist nicht gut und die Konkurrenz im Keller besteht aus Vereinen, die sonst nicht um den Abstieg spielen: Werder, der HSV und Stuttgart. Ich befürchte das Schlimmste.
Wie erklären Sie sich die Freiburger Ergebnisse?
Decheiver: Freiburg wird immer ein Verein bleiben, der mit kleinem Budget auskommen muss. Solche Platzierungen gehören dazu.
Was erwarten Sie hingegen von Borussia Dortmund in diesem Jahr?
Decheiver: Nun gut, Dortmund gehört nicht zum Favoritenkreis der Champions League. Dort sehe ich ich Real Madrid, Barcelona und Bayern München. Aber sie sind nah dran. Möglicherweise gelingt ihnen wieder ein Stunt. Die Bundesliga ist normalerweise super-interessant, aber ich muss ehrlich sagen, dass durchs Bayerns Dominanz die Liga an Charme verloren hat. Sie sind übermächtig und kaufen der Konkurrenz immer wieder die besten Spieler weg. Da wird man zwar acht Spieltage vor Schluss vielleicht Meister, aber die Attraktivität der Liga leidet darunter.
Mit Lewandowski wechselt im Sommer der nächster Dortmunder nach München gehen. Wer kann sein Nachfolger beim BVB werden?
Decheiver: Vielleicht können sie Mario Mandzukic im Gegenzug irgendwie verpflichten. Sie sind durchaus vergleichbare Stürmertypen, auch wenn ich Lewandowski am Ball eleganter finde. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was Bayern mit all den Spielern will. Es wird für Dortmund unglaublich schwierig, einen gleichwertigen Nachfolger zu finden.
Mit Klaas-Jan Huntelaar hat die Bundesliga noch immer einen niederländischen “Knipser”.
Decheiver: Ja, Huntelaar ist ein echter Knipser. Vielleicht nicht so ein feiner Fußballer wie Lewandowski, aber auf jeden Fall nicht minder effizient im Strafraum. Ich glaube, dass er auf Schalke gut aufgehoben ist. Das passt. Huntelaar war ja schonmal in Madrid, doch so ein Verein ist für ihn zu hoch gegriffen.
Freiburg hingegen fehlt ein “Knipser”.
Decheiver: Es schadet nie, einen Stürmer im Kader zu haben, der für 15 Tore gut ist. Das sind meistens die Spieler, die schwierige Spiele entscheiden, die man sonst nicht gewinnt. Und das fehlt Freiburg.
Haben Sie noch Kontakt zu alten Dortmunder Teamkollegen?
Decheiver: Nein.
Dabei haben Sie mit dem BVB den Weltpokal gewonnen.
Decheiver: Der BVB war eine neue Erfahrung für mich, aber ich bin nicht so glücklich in Dortmund gewesen, weil ich mich dort ziemlich früh bereits verletzt habe. Zwischendurch habe ich zwar Spiele bestritten, aber habe mich nur nur von Verletzung zu Verletzung geschleppt, was dazu geführt hat, dass ich so früh meine Fußballkarriere beenden musste.
Haben Sie noch immer gesundheitliche Probleme?
Decheiver: Ich bin gesund, aber habe natürlich ein schlechtes Knie. Dort war alles schonmal kaputt und wurde operiert. Bestens ist das also nicht, aber ich funktioniere und kann meinen Job ausüben. Fußball spielen kann ich mit meinen Freunden allerdings nur noch sehr sporadisch.
Könnten Sie ohne Fußball leben?
Decheiver: Fußball bleibt immer fesselnd. Es bleibt meine Leidenschaft und das Schönste, was es gibt.
Jetzt trainieren Sie den Amateurclub Colmschate und werden im Sommer die A-Jugend des Eredivisie-Klubs Go Ahead Eagles übernehmen. Streben Sie eine Profi-Trainerkarriere an?
Decheiver: Das mache ich neben meinem Job. Es gibt keine Pläne, auch wenn ich alle Trainerlizenzen besitze. Ich lasse es auf mich zukommen, forciere aber nichts. In dem Fall fand ich es toll, bei Go Ahead in der Jugend etwas machen zu können. Das ist mein Verein.