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Der unüberschaubare Markt der Spielerberater

Der unüberschaubare Markt der Spielerberater

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Schalke-Manager Horst Heldt mit Wiese-Berater Roger Wittmann am 1. April in Sinsheim. Foto: imago
Fast zwei Milliarden Euro Umsatz macht die Bundesliga im Jahr. Pro Saison fließen 70 Millionen Euro von den Klubs an Spielerberater. Gerade in der Sommerpause steht die Branche unter Volldampf, reiht sich Transfer an Transfer – doch der Markt ist unüberschaubar und undurchsichtig.

Essen. 

Damals, 1993, wurden Vertragsverhandlungen noch im Esszimmer geführt. Bernd Schuster wollte von Spanien zurück nach Deutschland wechseln. Leverkusen zeigte Interesse. Der blonde Engel, wie Schuster auch mit 33 Jahren noch genannt wurde, hatte Manager Reiner Calmund und dessen Assistenten Andreas Rettig eingeladen. „Gehalt, Prämien, alles ausverhandelt“, erinnert sich Calmund, „dann gab’s Verlängerung“.

Der zweite blonde Engel im Hause Schuster, Beraterin und Ehefrau Gaby, kam mit Bienenstich aus der Küche, stellte das Tablett vor dem immer hungrigen Calmund ab und sagte mit treuherzigem Augenaufschlag: „Wir müssen noch über die Umzugskosten reden.“ Calmund, der gerade das zweite Kuchen-Stück im Mund verschwinden ließ, gab sich großzügig. „Kein Problem. Übernehmen wir.“ Monate später zogen die Schusters und ihre Pferde per Flugzeug ins Rheinland um. „Das hat mehr gekostet, als ich im Jahr verdient habe“, erinnert sich Andreas Rettig. Und schmunzelt.

Fast zwei Milliarden Euro Umsatz macht die Bundesliga im Jahr. Pro Saison fließen 70 Millionen Euro von den Klubs an Spielerberater – Umzugskosten inklusive. Während der Ball derzeit ruht, geht in der Branche die Post ab. Transfer reiht sich an Transfer.

Der Markt ist unüberschaubar

Früher waren Berater graue Eminenzen. Wie Robert Schwan bei Franz Beckenbauer oder Norbert Pflippen bei Lothar Matthäus. Dazu gab es blonde Beistände wie Gaby Schuster bei ihrem Bernd oder Bianca Illgner bei ihrem Bodo.

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Heute ist der Markt – obwohl die Liga eine Lizenz fordert und obwohl es die „Deutsche Fußballspieler-Vermittler Vereinigung“ gibt – unüberschaubar. „Die Zahl der Profis ist konstant. Die Zahl der Berater wächst. Der Konkurrenzkampf nimmt zu. Einige Berater schwärmen Spielern vor, dass im Himmel Jahrmarkt ist“, erklärt Andreas Rettig, Geschäftsführer bei der Deutschen Fußball-Liga. Berater, Vermittler, Agent – es gibt viele Bezeichnungen. „Eckensteher und Hühnerdiebe“, nennt sie Michael Becker. Der Anwalt hat Michael Ballack beraten. Seine Kollegen und er stehen auf der Beliebtheitsskala zwischen Kampfhundzüchtern und Gerichtsvollziehern.

Odonkor wurde wohlhabend, aber nicht glücklich

Reiner Calmund, der als Manager von Bayer Leverkusen lange mit vielen Beratern zu tun hatte, sieht das nicht so drastisch. „Es gibt, wie in jeder Branche, gute und schlechte, seriöse und weniger seriöse Berater.“ Letztere wollen nur das Beste des Spielers: sein Geld.

Wichtig aus Calmunds Sicht: „Sie sollen Verträge aushandeln, bei Rechts- und Vermögensfragen und der Vermarktung helfen. Aber eben nicht zu sehr ins Sportliche reinreden. Auf dem Platz muss der Spieler auch selbst entscheiden.“ Wenn der Berater dem Beratenen jede Entscheidung abnimmt, kommt es zu Episoden wie bei David Odonkor. Der wechselte nach Spanien, wurde in der fremden Umgebung wohlhabend, aber nicht glücklich. Und sein Berater? Der erhält vom aufnehmenden Klub 10 bis 15 Prozent der Ablöse und 10 Prozent des Bruttogehalts.

Spieler werden immer früher angesprochen

Da die Konkurrenz im Markt wächst, werden Spieler immer früher angesprochen. Beim VfB Stuttgart dürfen Berater nicht mehr die Einheiten der Jugendteams besuchen. Die Liga fordert eine Selbstbeschränkung: Nachwuchsspieler sollen erst ab 16 Jahren unter Vertrag genommen werden. Nur hält sich niemand daran. Klubs schimpfen über Berater, nutzen aber deren Dienste, wenn sie einen Spieler verpflichten wollen. Längst gibt es international agierende Agenturen, wie Rogon von Roger Wittmann oder Pro Profil von Ex-Profi Thomas Kroth. Auch familiäre Betreuung hat nicht ausgedient. Mustafa Özil, Vater von Real-Madrid-Spieler Mesut, ist Boss der Mesut Özil GmbH. Irfan Gündogan berät Sohn und BVB-Profi Ilkay Gündogan. Das Geld bleibt in der Familie.

Spielerfrauen sind in der Berater-Branche Auslaufmodelle. Gaby Schuster hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Und auch aus dem Leben von Bernd. Schusters neue Gaby heißt Elena. Und berät ihn in Familienfragen.