Die Nationalelf reist zur Audienz bei Papst Franziskus: als Teambuilding-Maßnahme vor dem Jahresabschluss gegen Italien. Vielleicht hat der Heilige Vater auch noch Tipps gegen die Torflaute von Thomas Müller.
Rom/Mailand.
Eine Studienreise. Oder eine Klassenfahrt. Wobei man sich dann fragen müsste, ob da nicht einige bärtige Burschen auf dem Foto die ein oder andere Extrarunde gedreht haben. Aufgereiht stehen sie da zum Mannschaftsbild und sehen aus wie normale, junge Männer. Serge Gnabry vielleicht nicht. Der Drei-Tore-Debütant von San Marino hockt ganz links und wirkt in seinem schwarzen Kapuzenpulli über den goldblonden Locken wie ein Halbstarker, der gerade ein Graffito an die Wand gesprüht hat. Aber das käme hier im Kolosseum zu Rom nicht so gut an, wo früher die Gladiatoren kämpften und am Sonntag die Sightseeing-Tour der deutschen Nationalelf begann.
Es sollte ein heiterer Tag werden – genau ein Jahr nach dem dunkelsten im von Terroranschlägen erschütterten Pariser Stade de France. Es sollte mal nicht um Fußball gehen, denn darum geht es ja zu oft für die Nationalspieler, die sich wegen der vielen Partien zu sehr beansprucht fühlen und sich wie Thomas Müller fragen, ob Spiele gegen San Marino wirklich sein müssen. Bei einer Sightseeing-Tour durch seine Karriere später mal werde das 8:0 vom Freitag jedenfalls nicht auftauchen, hatte der Münchner gesagt. Er und seine Kollegen, die Gladiatoren von heute, sollten am Wochenende in Rom also mal abschalten, bevor es am Dienstag im Test- und letzten Länderspiel des Jahres in Mailand gegen Italien geht (20.45 Uhr/ARD). „Das ist gut für den Teamgeist“, sagte Joachim Löw – auf dem Bild ganz rechts mit Sonnenbrille wie ein cooler, italienischer Herbergsvater. Der ewige Bundestrainer in der „ewigen Stadt“. Am Sonnabend hatte es noch ein Mannschaftsabend in einem vom neuen Trainer-Trainee und Ex-Römer Miroslav Klose ausgesuchten Restaurant gegeben. Eine „Mannequin Challenge“, bei der alle wie auf einem Foto für Augenblicke stillhalten mussten, war zur Belustigung auch dabei. Wein stand auf den Tischen. „Italien ist erst morgen wieder wichtig“, sagte Löw am Sonntag auf dem Weg zum Kolosseum. Mal Dolce Vita beim Deutschen Fußball-Bund. Mal ein kurzes Stillhalten in der sonstigen Rasanz des Geschäfts.
Papst Franziskus I. wird Löws Team im Apostolischen Palast empfangen
Der Höhepunkt des teambildenden Ausflugs aber folgt an diesem Montagmorgen um 9 Uhr. Dann wird Papst Franziskus I. Löws Mannschaft im Apostolischen Palast der Vatikanstadt zu einer Privat-Audienz empfangen und ein von allen Spielern signiertes Deutschland-Trikot überreicht bekommen. Ob das beim Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche so gut ankommt, weiß man nicht. Der Heilige Vater ist Argentinier. Und daher sagte Mario Götze, der die Südamerikaner im WM-Finale 2014 aus ihren Titelträumen schubste, schon vorsorglich: „Hoffentlich reißt er mir nicht den Kopf ab.“ Kleiner Witz. Der Empfang beim Papst sei „etwas Besonderes“, auch wenn Götze schon mal mit den Bayern dort gastierte. Das war drei Monate nach seinem Finaltor. Der Kopf blieb dran.
Löws Auswahl reiht sich ein in die Riege deutscher Sportstars, denen das Privileg zuteil wurde, bei einem Papst vorstellig werden zu dürfen: Steffi Graf, Michael Schumacher und sogar die Weltmeisterelf von 1954, deren Besuch 1956 sich Papst Pius XII. zu seinem 80. Geburtstag gewünscht haben soll. Für den gläubigen Katholiken Löw, der ein silbernes Kreuz am Hals trägt, ist das eine „außergewöhnliche Sache“: „Ich war vor einigen Jahren im Vatikan. Das hat mir sehr imponiert. Was da für eine Geschichte dahintersteckt, was für eine Schönheit auch“, so der 56-Jährige. Heiligs‘ Blechle.
Und im Moment gibt es ebenso bei seiner Nationalelf schöne Aussichten: Am Dienstag bietet sich Löw die Chance, den Gegner, der ihn in früheren Zeit mehrfach Unschönes erleben ließ, zum dritten Mal innerhalb nur eines Jahres zu bezwingen. Nach dem 4:1 in München Ende März und dem Viertelfinalsieg im Elfmeterschießen bei der EM Anfang Juli wäre ein dritter Erfolg in Serie gegen die Squadra Azzurra auch ein Novum in 34 Partien gegen die Italiener seit 1923. „Ein Sieg zum Jahresabschluss wäre wünschenswert“, sagte Löw, kündigte aber personelle Experimente an: „Es geht mir darum, den einen oder anderen Spieler noch einmal zu sehen, wenn er richtig gefordert wird“, so der Bundestrainer. Flügelspieler Gnabry dürfte gemeint sein, vielleicht auch Yannick Gerhardt aus Wolfsburg, der im defensiven Mittelfeld ebenso spielen kann wie als Linksverteidiger und der 86. Debütant unter Löw werden könnte.
Thomas Müller war auf dem Teamfoto im Kolosseum übrigens der einzige ohne Freizeitkleidung. Der Angreifer stand in DFB-Trainingsjacke da. Im Nationalmannschaftsgewand geht es dem 27-Jährigen gerade besser als im Alltag bei den Bayern, wo er seit April kein Tor mehr in der Bundesliga erzielt hat. Nachdem er in den ersten beiden WM-Qualifikationsspielen schon vier Mal traf, gab es gegen San Marino die Absonderlichkeit eines 8:0 ohne Müller-Treffer. Natürlich wurde er gefragt, ob er jetzt auch bei Löw Dreck am Schuh habe, wie er zuletzt bei den Münchnern sagte. „Den habe ich geputzt, ist wieder gut“, antwortete Müller knapp. Nicht auch noch hier Diskussionen, bitte! Zwei Treffer hatte er gegen San Marino zumindest vorbereitet. Und wenn es da doch eine klitzekleine Tor-Unpässlichkeit geben sollte, dann könnte sich Müller für das Spiel gegen Italien Beistand von oben bei Franziskus erbitten. In seinem Heimatort Pähl war er mal Messdiener.