Die Galavorstellung von Bayer Leverkusen musste für Michael Ballack eine Demütigung sein. Der Nationalmannschafts-Kapitän verfolgte das 3:0 bei Eintracht Frankfurt von Bank und Seitenlinie aus.
Frankfurt/Main.
Michael Ballack nahm die Demütigung vor den Augen des Bundestrainers äußerlich gelassen hin. Mit entspannter Miene verließ der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft nach der 3:0 (2:0)-Gala Bayer Leverkusens bei Eintracht Frankfurt die WM-Arena – und zog wenig später sogar mit einem Lächeln kommentarlos an den Medienvertretern vorbei. Im Innern dürfte es beim 34 Jahre alten Leitwolf ganz anders ausgesehen haben. 50 Minuten lang saß er auf der Bank, 40 Minuten musste er sich dann in Anwesenheit von Joachim Löw am Spielfeldrand aufwärmen. Eingewechselt wurde er nicht.
Diese Erfahrung war neu für den Weltmann in Sachen Fußball, selbst unter Jose Mourinho beim FC Chelsea war der Capitano erste Wahl, wenn er fit war. Sein jetziger Trainer Jupp Heynckes, Champions-League-Sieger mit Real Madrid 1998, eierte jedenfalls nicht rum und erklärte seine klare Linie. „Ich habe die Gewohnheit, meine Spieler nach langen Verletzungen wieder behutsam und sorgsam heranzuführen“, sagte Don Jupp und fügte mit fester Stimme an: „Ich denke nur an die Spieler und die Mannschaft und lasse mich nicht von irgendjemanden beeinflussen.“
Der 98-malige Nationalspieler Ballack hatte durch ein Foul von Kevin Boateng im FA-Cup-Finale mit dem FC Chelsea die WM-Endrunde in Südafrika verpasst und wegen einer weiteren Verletzung den Großteil der laufenden Saison gefehlt. Seine Ungeduld nach dieser langen Pause ist nachvollziehbar. Nach der Impertinenz von WM-Kapitän Philipp Lahm, der öffentlich in Sachen Kapitänsamt in der Nationalelf seinen Hut in den Ring geworfen hatte, verrinnen gegenwärtig die Minuten im Kampf um die Rückkehr in die DFB-Auswahl.
Wie Heynckes geht auch Sportdirektor Rudi Völler „ganz gelassen“ mit der Causa Ballack um. „Es ist doch völlig normal, dass Spieler, die lange verletzt waren, auch mal nicht aufgestellt werden“, sagte Völler und sprach Ballack Mut zu: „Wir haben so viele Spiele in den nächsten Wochen, da wird jeder seine Chance bekommen.“
Wie auch die Nationalelf beim 1:1 gegen Italien am vergangenen Mittwoch kam die Werkself ohne Ballack bestens klar. Vom Spielfeldrand sah er tatenlos zu, wie Simon Rolfes (9.), Renato Augusto (32.) und Hanno Balitsch (85.) mit einem Traumtor die im Jahr 2011 weiter torlose Eintracht demontierten.
„Es ist doch klar, dass Michael es wurmt, wenn er nicht spielen kann. Aber Michael gehört zur Mannschaft wie jeder andere auch. Und innerhalb des Teams ist dies alles kein Thema“, sagte Rolfes. Der Kapitän hatte nicht nur mit einem Drehschuss mit dem Rücken zum Tor in „Gerd-Müller-Manier“ die Führung erzielt, sondern auch mit dem überragenden Arturo Vidal im defensiven Mittelfeld auf der Ballack-Position überzeugt.
Heynckes wollte lieber über die starke Vorstellung seiner Mannschaft als über die Personalie Ballack sprechen. „Die erste Hälfte war unsere beste Halbzeit dieser Saison. Das war Fußball vom Allerfeinsten. Das war fast schon eine Demonstration“, erklärte der 65-Jährige. Henyckes hatte nach der 0:1-Pleite beim 1. FC Nürnberg durchgegriffen, in der Startelf neben Ballack auch auf Nationalstürmer Stefan Kießling verzichtet – und dabei alles richtig gemacht. Vor 42.600 Zuschauern hätte der Sieg noch höher ausfallen können.
Von mehr als Platz zwei und der direkten Qualifikation für die Champions League wollen die Leverkusener öffentlich aber zumindest nach wie vor nicht träumen. „Es wird schwer genug, Platz zwei zu behaupten“, sagte Rolfes.
Bei der Eintracht hat nach dem fünften Spiel im Jahr 2011 ohne Torerfolg und der dritten Heimpleite in Folge dagegen der Abstiegskampf begonnen. „Wir wissen genau, in welche Richtung wir gucken müssen. Das tun wir auch sehr aufmerksam und werden uns dagegen stemmen“, sagte Trainer Michael Skibbe nach der blamablen Vorstellung gegen seinen Ex-Klub. „Wir stecken in der Krise“, stellte Vorstandsboss Heribert Bruchhagen nüchtern fest. (sid)