Paris.
Kameruns Fußballlegende Roger Milla kämpft gegen die Fieberkrankheit, die in Afrika jährlich über 800.000 Menschen hinwegrafft – nur zehn Euro retten zwei Leben.
Was Diego Armando Maradona in Argentinien und Franz Beckenbauer in Deutschland ist Roger Milla (57) im fußballverrückten Kamerun: Stürmerlegende und Lichtgestalt, Goalgetter und Gottes-Ersatz. Das rauschende Fußballfest WM 2010 nicht mehr weit soll seine grenzenlose Popularität mithelfen, die Geißel Malaria auf dem Kontinent auszurotten.
Afrika – der dunkle, der vergessene Erdteil. Zuerst ausgebeutet und dann von der großen Völkerfamilie achtlos links liegen gelassen. Und deshalb mit einem gigantischen, für die da oben auf der Weltkarte allerdings unsichtbaren Berg an Problemen konfrontiert. Endlich, atmen sie auf, endlich tauchen die Scheinwerfer den dunklen Kontinent wenigstens für vier Wochen in ein grelles Licht.
Der Patient Afrika leidet unter vielen Geschwüren
Wenn’s darum geht, den verlorenen Kontinent nach vorne zu bringen, steht Roger Milla, das Idol, selbstverständlich mit auf dem Platz. Er tut schon seit Jahren mit im Kampf gegen die Seuche Nummer eins, Aids. Er könnte sich auch gegen Tuberkulose und Tetanus ins Zeug legen, der Patient Afrika leidet unter vielen Geschwüren. Jener Roger Milla, der, obwohl mit 38 eigentlich schon Fußball-Rentner, die „unzähmbaren Löwen“ Kameruns bei der WM 1990 in Italien mit vier Traumtoren ins Viertelfinale schießt. Und Fußballgeschichte der besonderen Art schreibt, indem er einen ganz neuen, ausgelassenen Freudentanz um die Eckfahne aufführt.
Heute, in Paris, geht’s um – oder besser gegen – Malaria. Die heimtückische Fieberkrankheit, die ihn selbst auch mal befiel: Mitte der Achtziger, als er für den Zweitligisten AS Saint-Etienne stürmte. „Wenige Tage nach einem Länderspiel in Gabun passierte es, ich stand plötzlich mit Schüttelfrost auf dem Platz“, erinnert sich Milla. Was in Europa meistens rasch und sicher auskuriert wird, garantiert in Afrika hingegen einen qualvollen Tod.
In den schutzlosen Hütten der Ärmsten, in den riesigen Slums von Lagos, Kinshasa oder Addis Abeba, wütet der Sensenmann mit besonderem Eifer: Von den weltweit jährlich 900.000 Malaria-Toten sind 90 Prozent Afrikaner, davon wiederum 80 Prozent Kinder unter fünf Jahren. „Malaria tötet umgerechnet 2500 Menschen am Tag“, klagt Milla an. Und macht eine zweite Rechnung auf, bei der Fußballfans hierzulande Bier und Bratwurst nicht mehr schmecken will. „Wenn ein Fußballspiel vorbei ist, sind in Afrika schon wieder 180 tot.“
Malaria – die Krankheit der Armen, die gefangen sind in einem Teufelskreis. Zynisch, aber wahr: Weil sich die Habenichtse ohnehin keine teuren Malaria-Arzneien leisten können, geben die Pharmakonzerne – so klagt Ex-Minister Norbert Blüm 2003 – angeblich doppelt soviel Forschungsmittel im Kampf gegen Haarausfall und Erektionsschwächen aus wie gegen Malaria und Gelbsucht.
Die Hilfsorganisation „Roll back Malaria“ und ihr Frontmann Roger Milla rechnen vor, dass lediglich 10 Euro (für ein Moskitonetz, Spray und Medikamente) ausreichen, um eine Mutter und ihr Kind fünf Jahre lang vor dem Tod bringenden Fieber zu schützen. Zwar hat sich die internationale Hilfe seit 2003 auf beachtliche 800 Millionen Euro verzwanzigfacht, was stellenweise dazu führte, dass die Todesrate um die Hälfte zurückging. „Aber Geld ist nicht alles“, sagt Hervé Verhoosel von „Roll back Malaria“. Vor allem gehe es darum, die Einstellung der Afrikaner zu ändern.
Milla ist eine Respektsperson
Ein Punkt, an dem Roger Millas Einsatz so wertvoll ist wie eine Steilvorlage auf dem Platz. Denn ihm, der Respektsperson, dem afrikanischen Fußballgott, glauben die Menschen alles. Das Wort des sympathischen Ballzauberers, dessen Kabinettstückchen sie einst selbst im entlegensten Kral in der Sahelzone bewunderten, gilt mehr als der beste TV-Spot. Während sich viele Weltfußballer später auf Trainerbänken wiederfinden, wirkt der zwischen Kamerun und Montpellier pendelnde Milla seit Jahren als redlicher Diplomat: mal als Kameruns UNO-Botschafter, mal als WM-Botschafter.
Ganz Diplomat bleibt er auch, als der einstige Dribbelkönig der Frage nach dem künftigen Weltmeister gekonnt ausweicht. „Mal sehen“, grübelt der leicht ergraute Fußball-Fuchs. Und setzt dabei sein breites Milla-Lächeln auf, das auch die berühmteste Zahnlücke der WM 1990 wieder zum Vorschein kommen lässt.