Gelsenkirchen/Herten.
Seit ein paar Jahren klingelt es am 7. Februar bei Karl-Heinz Bechmann an der Tür. Der ehemalige Schalker hat an diesem Tag Geburtstag. Von seinem Ex-Klub gibt es neben einer vom Vorstand unterschriebenen Glückwunschkarte einen dicken Blumenstrauß, gehalten in den Farben Blau und Weiß. „Eine tolle Sache, darüber freue ich mich immer sehr. Schön, dass wir alten Spieler nicht vergessen werden“, sagt der 74-Jährige, der beim allerersten Bundesligaspiel der Schalker in der Startelf stand.
Dieser 24. August 1963, als der Anpfiff zur Bundesliga ertönte, ist so ein Tag, den der vielseitig einsetzbare Mittelfeldspieler nie vergessen wird. Aber auch der 7. Januar 1967 ist so ein Tag, an dem Bechmann mit seiner Mannschaft Fußballgeschichte schrieb. Als die Schalker bei Borussia Mönchengladbach mit 0:11 untergingen und die bis heute höchste Niederlage der Vereinsgeschichte hinnehmen mussten.
Die Bilder zeigen es: Der Rasen des alten Mönchengladbacher Bökelbergs war an diesem Tag schneebedeckt. „Matsche ohne Ende“, sagt Bechmann. Stürmer Jupp Heynckes brachte die „Fohlen“ schon nach sieben Minuten in Führung, dann ging es Schlag auf Schlag. Dreimal Bernd Rupp, dreimal Herbert Laumen, zweimal Günter Netzer, am Ende traf noch Heynckes zweimal. „Die haben einfach nicht aufgehört, Tore zu schießen. Trainer Weisweiler hat seine Jungs 90 Minuten nach vorne gepeitscht“, sagt Karl-Heinz Bechmann, in dessen Augen sich immer noch Tränen sammeln, wenn er an dieses Spiel zurückdenkt.
Mit den Gedanken bei Manni Kreuz
Das liegt aber nicht am Ergebnis. Denn Fußball war für die Schalker Spieler an diesem Samstag im Januar 1967 nur Nebensache. Trainer Fritz Langner hatte seine Mannschaft im Trainingslager, das die Schalker vor einem Bundesligaspiel bezogen, informiert, dass Rosemarie, die Frau von Mannschaftskapitän Manni Kreuz an einem Virus verstorben ist. Sie wurde nur 27 Jahre alt. „Wir waren alle fix und fertig und in Gedanken nur bei Manni. Das Spiel interessierte uns nicht mehr“, sagt Bechmann und ergänzt: „Wir haben uns alle sehr gut verstanden, auch unsere Frauen haben sich gut verstanden. Nach den Spielen in der Glückauf-Kampfbahn saßen wir oft noch lange zusammen, sie hatten immer Brötchen für uns geschmiert.“ Die Gladbacher Spieler, sagt der Schalker, haben nichts von den tragischen Umständen gewusst. Die Nachricht vom Tod von Rosemarie Kreuz habe sich erst in den Tagen nach dem 0:11 verbreitet.
Nur eine Woche nach dem denkwürdigen 0:11 kam es zum Wiedersehen mit den Mönchengladbachern auf Schalke, in der 1. Hauptrunde Runde des DFB-Pokals. Als Gladbachs Herbert „Hacki“ Wimmer nach nicht mal einer Minute Spielzeit traf, dachte Karl-Heinz Bechmann schon an das Schlimmste. Dann aber habe Kapitän Manni Kreuz, der zwei Tage nach der Beerdigung seiner Frau unbedingt spielen wollte, das Wort ergriffen. „Dass er uns allen in den Arsch tritt, wenn wir uns den selbigen jetzt nicht aufreißen, hat der Manni uns zugerufen.“ Gesagt, getan. Schalke drehte die Partie, gewann mit 4:2 und zog in die nächste Runde ein.
Karl-Heinz Bechmann war erst 23 Jahre alt, er hatte mit Reinhard „Stan“ Libuda sämtliche Jugendmannschaften der Königsblauen durchlaufen und fast zeitgleich einen Profivertrag unterschrieben. Die Gladbacher Jupp Heynckes und Günter Netzer kannte er aus der Jugend-Nationalmannschaft. Als feststand, dass Fritz Langer, der zuvor in Mönchengladbach tätig war, Trainer auf Schalke werden würde, warnten ihn Netzer und Heynckes vor. „Jupp und Günter haben gesagt, dass wir mehr Laufschuhe als Fußballschuhe tragen werden“, sagt Bechmann. So sei es auch gekommen. „Er hat vielen von uns den Spaß am Fußball genommen“, sagt der Ex-Schalker. „Ich habe mir das Training von Felix Magath auf Schalke angesehen. Gegen Langners Methoden war das harmlos“.
Mit dem heutigem Trainer, mit Domenico Tedesco, glaubt Karl-Heinz Bechmann, dass der richtigen Mann zur richtigen Zeit auf Schalke arbeitet. „Tedesco ist ein super Trainer. Der beste bei uns seit Huub Stevens.“
Wenn Schalke am heutigen Samstag auf Borussia Mönchengladbach trifft, wird Karl-Heinz Bechmann vor dem Fernseher sitzen und die Daumen drücken. „Im Stadion ist es mir zu laut“, sagt er. Er glaubt fest daran, dass Schalke gewinnt und das Ticket für die Champions League löst. „Für mich ist das Ding durch.“ Ein 0:11? „Heute undenkbar“, sagt Karl-Heinz Bechmann.