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Ein Abend der Erinnerungen an das Schalker Pokalsiegerteam

Ein Abend der Erinnerungen an das Schalker Pokalsiegerteam

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Foto: WAZ FotoPool
Das Schalke-Museum widmete der Mannschaft, die 1972 den DFB-Pokal holte und Vizemeister wurde, einen anekdotenreichen und einfühlsamen „Abend unter Schalkern“. Norbert Nigbur, die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut und der Buchautor Jürgen Thiem erinnerten sich an Tragik und Triumphe.

Gelsenkirchen. 

Auf den Bildschirmen im Presseraum der Arena läuft eine Dia-Show mit den Fotos von damals. Schwarz-weiße Zeugen einer großen blau-weißen Zeit. Norbert Nigbur, wie er als Torwart einen Elfmeter verwandelt. Die Kremers-Zwillinge, links und rechts neben „Papa“ Horvat, ihrem Trainer. Stan Libuda in der typischen Trickser-Haltung. Porträts von Männern mit buschigen Koteletten: von Rolf Rüssmann, von Klaus Scheer, von Jürgen Sobieray, von Klaus Fichtel, von Klaus Fischer, von Heinz van Haaren. Schalke denkt schwelgend, lachend, aber auch mit Schwermut an eine fantastische Mannschaft zurück. Vor 40 Jahren holten die Königsblauen den DFB-Pokal und wurden Vizemeister. Dieser Mannschaft widmete das Schalke-Museum einen „Abend unter Schalkern“: 90 Minuten Erinnerungen an das Traumteam von 1972.

Der Journalist Jürgen Thiem hat ein Buch über dieses Team geschrieben, bewusst provokativ nennt er es „die beste Schalker Mannschaft aller Zeiten“. Das Buch heißt „Helden für einen Sommer“, und schon der Titel beschreibt treffend, dass es hier nicht nur um Triumphe, sondern auch um Tragik geht. Denn der Bundesliga-Skandal fegte wie ein Wirbelsturm die berechtigten Träume dieser Spieler und ihrer Fans weg.

Nigbur unterhält die Gäste prächtig

Rund 200 Schalke-Anhänger sind gekommen, knapp die Hälfte davon hat die Giganten von damals noch selbst spielen sehen; die anderen interessieren sich für Schalker Geschichte, auch für sie lohnt sich dieser Abend. Moderator Jörg Seveneick, der Schlagfertigkeit, Humor und Wissen einbringt, teilt ihn in zwei Halbzeiten: In der ersten spricht er mit Torwart-Legende Norbert Nigbur und Buchautor Jürgen Thiem, in der zweiten mit den berühmtesten Zwillingsbrüdern des deutschen Fußballs, mit Erwin und Helmut Kremers („Es gab ja damals noch keinen Frauenfußball“, erklärt Helmut grinsend, „sonst hätten die Kessler-Zwillinge auch in der Nationalmannschaft gespielt“).

Auch Norbert Nigbur, heute 63, unterhält die Gäste prächtig, er dreht ein vor ihm liegendes schwarz-gelbes Fußballbuch von 1966 um: „Das irritiert mich, ich mag Lüdenscheid nicht.“ Es gab in den 70er-Jahren wohl keinen reaktionsschnelleren Schlussmann als den Schalker. Die Zahl seiner Länderspiele beschränkt sich dennoch auf bescheidene sechs. Weil der Konkurrent Sepp Maier hieß und Bundestrainer Helmut Schön bayrische Blockbildung bevorzugte. Dass Schön auch die wuschelige Langhaarfrisur des Schalkers nicht gepasst habe, weist Norbert Nigbur spontan als Gerücht zurück: „Dann hätte Franz Beckenbauer kein Länderspiel machen dürfen!“

Es wird viel gelacht an diesem Abend – wer soll das ernst nehmen, wenn auch noch die alten Schallplatten der Fußballer zu hören sind. „Ja, wenn Schalke 04 nicht wär’, dann wär’ das Parkstadion immer leer“, trällerte Nigbur einst sinnstiftend, und die Kremers schnulzten so herzergreifend vom „Mädchen meiner Träume“, dass selbst Roy Black neidisch werden musste.

Thiem würdigt Lütkeböhmert

Es gibt aber auch Anlass zum Nachdenken, sogar zum Traurigsein. Jürgen Thiem würdigt den Menschen „Aki“ Lütkebohmert, dessen Tochter Nina sichtbar und hörbar stolz darauf ist, dass Schalke ihren Papa nicht vergessen hat. Sie war zwölf Jahre jung, als er 1993 an Krebs starb. „Aki“ gehörte zu den Bestechungsskandal-Sündern, ausgerechnet er, ein sehr gläubiger Mensch, hatte sich auch zu diesem fatalen Fehler hinreißen lassen, den sie alle später schwer bereuten. Denn sie wurden lange gesperrt, zum Teil waren ihre Karrieren damit zerstört. Die Kremers-Zwillinge und Norbert Nigbur, die mit dem Skandal nichts zu tun hatten, waren indirekt betroffen. Denn auch sie wurden um die Chance gebracht, mit dieser Ausnahmemannschaft in den Jahren nach ‘72 Meister werden zu können.

Sie könnten bis heute sauer sein, doch Erwin Kremers sagt versöhnlich und einfühlsam: „Egal – wir waren eine traumhafte Truppe und hatten eine superschöne Zeit. Wirklich schlimm ist nur, dass Rolf Rüssmann, Stan Libuda und Aki Lütkebohmert nicht mehr unter uns sind.“