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Im Schalker Vereinslokal hat Kuzorra immer noch einen Stammplatz

Im Schalker Vereinslokal hat Kuzorra immer noch einen Stammplatz

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Er ist der Boss im Schalker Vereinslokal: Ronald "Ronny" Marcinkowski. Foto: Michael Korte / FUNKE Foto Services

Gelsenkirchen. 

Von der Eingangstür bis zum Stammplatz von Ernst Kuzorra sind es ziemlich genau elf Meter. Hier, auf der alten Holzbank, hat der vielleicht größte Schalker aller Zeiten gesessen. Immer dann, wenn er im Vereinslokal an der Kurt-Schumacher-Straße seine Zigarre geraucht und sein Bier getrunken hat. Ein nicht mehr ganz so goldenes Schild, das von vier Schrauben gehalten wird, erinnert daran: Stammplatz Ernst Kuzorra.

An manchen Tagen hat sich Kuzorra, die Fußball-Legende, die sechs Meisterschaften mit dem FC Schalke 04 feierte, auch einen Schnaps bestellt. „Aber nur dann, wenn einer ihm einen ausgegeben hat“, sagt Wirt Ronald „Ronny“ Marcinkowski. Der 56-Jährige ist mit seiner Frau Lydia seit zwölf Jahren Inhaber des offiziellen Schalker Vereinslokals, direkt neben der alten Glückauf-Kampfbahn.

Als Ernst Kuzorra, der 1905 geboren wurde, hier sein erstes Bier trank, war Ronny noch nicht geboren. Die Geschichte vom kniepigen Ernst und dem Schnaps kennt er nur aus Erzählungen – wie so viele andere Geschichten. Und doch hat der Chef Ernst Kuzorra noch heute im Blick, wenn er hinter seinem Tresen steht. Im Knick der Sitzbank steht ein Porträt Kuzorras, akkurat auf einem Bilderhalter. „Die meisten Gäste, die zum ersten Mal zu uns kommen, fragen ehrfürchtig nach, ob sie sich auf den Platz vom Ernst setzen dürfen“, sagt Ronny. Seine Antwort: „Ihr dürft dort sogar ein Bier trinken.“ Nur das mit der Zigarre ist seit ein paar Jahren nicht mehr gestattet.

Seine schmucke Gaststätte, natürlich mit blau und weißen Vorhängen, allein auf Ernst Kuzorra zu beschränken, würde ihr aber nicht gerecht. Wenn man davon spricht, dass Kneipen einen gewissen Charme haben, dann ganz sicher die von Lydia und Ronny. Der ehemalige Schalker Spieler Otto „Ötte“ Tibulski war der Wirt der ersten Stunde. Anschließend, ab 1971, hatte Gerd Bosch hier 27 Jahre lang das Sagen. Nach den Spielen in der Glückauf-Kampfbahn, auch später im Parkstadion, war es normal, dass auch die Spieler noch auf ein, zwei Pils vorbeikamen. Siegerbiere schmeckten immer am besten.

Wenn die Schalker heute ihre Heimspiele austragen, sind es nur die Fans, die den Tag nach dem Abpfiff bei Ronny und Lydia ausklingen lassen. Die Zeiten, dass Spieler sich im Vereinslokal sehen lassen, sind vorbei. „Mike Büskens war letztens aber noch da“, sagt Ronny.

Auch Manuel Neuer hat sich vor seinem Wechsel nach Bayern mal blicken lassen. Willi Koslowski hat im Februar seinen 80. Geburtstag in der Gaststätte gefeiert – mit einigen Mitspielern aus der Schalker Meistermannschaft von 1958.

Meisterspieler Kördell erzählt

Heiner Kördell, ein anderer Schalker Meister von 1958, kommt regelmäßig. „Wenn er von früher erzählt, ist es so, als würde jemand die Zeit auf Schalke zurückdrehen. Man kann sich richtig vorstellen, wie es früher war“, sagt Ronny.

Als der Gelsenkirchener die Gaststätte vor zwölf Jahren pachtete, sah schon vieles in der Gaststätte Bosch so aus, wie es heute noch aussieht. Für den Wirt ist es eine Ehre, die Kneipe im Sinne königsblauer Tradition weiterzuführen. „Ich bin Schalker durch und durch, bin mittendrin auf der Franz-Bielefeld-Straße geboren“, sagt er.

Nicht nur die Schalker Fußballfans schätzen den Service. Seit kurzem kommt sogar eine Gruppe von älteren Damen – ein Gebetskreis aus dem Ortsteil. „Ich schließe den großen Saal auf und dann wird halt gebetet. Alles kein Problem hier“, sagt er. Im Anschluss gibt’s Kaffee und Kuchen.

Vor ein paar Jahren kamen Joko und Klaas vorbei. Das TV-Comedy-Duo wollte Schalke-Fans überreden, sich für Geld eine schwarz-gelbe Fan-Montur von Borussia Dortmund anziehen. Ronny hielt das schon vorher für keine gute Idee, schaffte es aber nicht, den beiden den Plan ausreden. Das Experiment wurde abgebrochen. „Kein Schalker hat sich umgezogen“, sagt Ronny und lacht. „Ich freue mich über alle Gäste. Sie können schwarz tragen, auch gelb. In Kombination muss es bei uns aber nicht sein“.

Zu den Schalker Heimspielen reisen manche Fans schon morgens an. Für einige Fanclubs gehören Pils und Schnitzel im Vereinslokal genauso zum Spieltag dazu wie die 90 Minuten Fußball in der Arena. Auch bei den Auswärtsspielen kann es schon mal eng werden in der Kneipe – die Spiele werden live auf Bildschirmen gezeigt.

So eng wie während der Weltmeisterschaft 2006 oder 2011 beim Schalker Pokalsieg war es aber lange nicht mehr. „Wird mal wieder Zeit, dass wir was zu feiern haben“, sagt Ronny. Am liebsten wäre auch ihm natürlich die Deutsche Meisterschaft. Die hat auch er noch nicht erlebt. Ronny hat auch schon einen Plan. „Danach würde ich in Rente gehen.“ Aber erst, wenn der letzte Gast das Bier ausgetrunken hat.