Innenminister Ralf Jäger fordert nach den Ausschreitungen beim Revierderby bundesweite Stadionverbote für die ermittelten Verdächtigen – doch das sehen die DFB-Richtlinien ohnehin vor. Fanvertreter äußern sich irritiert über den Vorstoß des Innenministers.
Dortmund/Gelsenkirchen.
Mit seiner Forderung nach bundesweiten Stadionverboten für die Randalierer beim Revierderby hat NRW-Innenminister Ralf Jäger für Verwunderung gesorgt. „Ich denke nicht, dass es da der Forderung von Herrn Jäger bedarf“, sagt etwa Sig Zelt vom Fan-Bündnis „ProFans“. „Es ist üblich, dass in solchen Fällen bundesweite Stadionverbote verhängt werden.“
Beim Spiel von Borussia Dortmund beim FC Schalke 04 hatten BVB-Anhänger Bengalos abgebrannt und diese auf unbeteiligte Fans und das Spielfeld geworfen. Jäger hatte knapp drei Wochen danach harte Strafen für die Beteiligten gefordert. „Sie sollen ab sofort in keinem Fußballstadion ein Bundesligaspiel mehr sehen dürfen“, sagte er. Die „erschreckend rücksichtslosen Krawalle“ erforderten ein „klares Signal“.
DFB-Richtlinien sehen bundesweites Stadionverbot vor
Das freilich ist längst geplant: Der FC Schalke 04 hat – sobald er die Namen erfährt – ohnehin vor, bundesweite Stadionverbote gegen die acht Verdächtigen zu verhängen, die die Polizei ermittelt hat. Und dabei soll es nicht bleiben: Der Verein prüft noch, welche weiteren Maßnahmen rund um die Ausschreitungen getroffen werden sollen.
Gemäß den DFB-Richtlinien zu Stadionverboten hat Schalke auch kaum eine andere Wahl, als die Randalierer bundesweit aus Stadien aussperren zu lassen. Hier werden unter § 4 verschiedene Verstöße aufgeführt, die ein bundesweites Stadionverbot nach sich ziehen sollen – unter anderem das Abbrennen von Pyrotechnik.
In Fankreisen ist man daher irritiert vom Vorstoß des Innenministers: „Man fragt sich schon, warum drei Wochen nach dem Ereignis aus dem Nichts so ein Vorschlag kommt“, sagt Malte Dürr, BVB-Fan und Mitarbeiter bei schwatzgelb.de. „Vielleicht hat er bei den Koalitionsverhandlungen derzeit das Gefühl, dass er nicht oft genug in den Schlagzeilen ist. Aber warum muss er als Innenminister in einem laufenden Verfahren diesen Einfluss nehmen?“
Piratenfraktion übt Kritik
Sig Zelt stößt sich noch aus einem weiteren Grund an den Forderungen Jägers: „Mich wundert es immer, wenn Innenpolitiker wie er privatrechtliche Sanktionen fordern“, sagt der Fanvertreter. „Wenn es tatsächlich um so schwere Straftaten handelt, hat doch der Staat ausreichend Instrumente, diese zu sanktionieren.“ So sieht es auch Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfrakion im Innenausschuss des Landtags: Bei einem Stadionverbot handle es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit, „da kann der Innenminister schärfere Regeln fordern, wie er mag“.
Herrmann pocht zudem auf ein ordentliches Verfahren: „Dass die Unschuldsvermutung für Fußballfans schon lange nicht mehr gilt, weiß man spätestens seit der Weitergabe von Daten unschuldiger Fans an Reiseunternehmen und Vereine durch die Polizei“, sagt er. „Wenn die Verdächtigen schuldig sind, dann sollen sie auch bestraft werden, aber erst dann!“ Derzeit aber müssten „die ermittelten acht Verdächtigen als Sündenböcke für die Fehler der Polizei beim Revierderby herhalten“.
BGH bestätigte Praxis der Stadionverbote
Dass Stadionverbote gegen Fußball-Fans verhängt werden, ohne dass deren Schuld rechtskräftig bewiesen ist, ist allerdings üblich – und wird vom DFB sogar gefordert: Ein überörtliches Stadionverbot soll ausgesprochen werden bei eingeleiteten Ermittlungs- oder sonstigen Verfahren“, heißt es in den Richtlinien.
„Mich wundert deshalb, dass Innenminister Jäger Stadionverbote als schwere Strafe darstellt“, sagt Fanvertreter Zelt. „Uns gegenüber werden Stadionverbot nicht als Strafe, sondern als Präventivmaßnahme dargestellt. Denn so wird gerechtfertigt, dass diese auch ohne Beweis der Schuld verhängt werden können.“
Diese Regelung ist Fan-Bündnissen wie „Pro-Fans“ schon lange ein Dorn im Auge – vom Bundesgerichtshof im Jahr 2009 aber als zulässig bestätigt worden: Damals hatte ein Bayern Fan gegen ein vom MSV Duisburg verhängtes Stadionverbot geklagt. Der BGH aber urteilte, dass eine solche Maßnahme durch das Hausrecht gedeckt sei.