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„Mein Körper fällt auseinander“

„Mein Körper fällt auseinander“

Berlin. 

Er spielte gegen die besten Eishockeyprofis der Welt in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL). Er war sechs Mal deutscher Meister und führte die Nationalmannschaft als Kapitän bei Olympischen Winterspielen und Weltmeisterschaften an. Heute ist Stefan Ustorf, einst einer der besten deutschen Eishockeyspieler, ein körperliches Wrack.

Vor einer Woche zog der 39-Jährige die Notbremse, erklärte seinen Rücktritt vom Leistungssport. Sein letztes von fast 400 Spielen für die Eisbären Berlin hatte er bereits am Nikolausabend 2011 absolviert. Damals knallte Stefan Ustorf nach einem Check mit dem Kopf hart auf das Eis.

Seitdem ist bei ihm nichts mehr, wie es einmal war.

In Ustorfs Krankenakte waren bis dahin schon die Folgen von über 20 Jahren hartem Eishockey-Leistungssport unübersehbar: ausgeleierte Bänder in den Füßen und Knien, Kieferschiefstand, Arthrose in den Schultern. Ein gebrauchter und verbrauchter Körper.

Nach dem Check am Nikolausabend wurde alles noch erheblich schlimmer. Ustorf zog sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu. Er hat bis heute Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und kann mit Konzentrationsproblemen weder in Ruhe lesen noch für längere Zeit einer Fernsehsendung folgen. „Ich sitze auf der Couch und tue nichts“, sagt der ehemalige Modellathlet, der 12 Kilogramm abgenommen hat. Er muss eine Spezialbrille tragen, die die Sehkraft seiner Augen synchronisiert. „Keine Therapie hat angeschlagen. Mir geht es unverändert sehr schlecht. Ich spüre, wie mein Körper nach und nach auseinanderfällt“, sagte er letzte Woche.

Stefan Ustorf hat mit seiner Verletzung und seinem Rücktritt auf ein Phänomen aufmerksam gemacht: Folgenreiche Kopfverletzungen, die im Wintersport zunehmen. „Das ist besonders beim Ski alpin und im Eishockey unübersehbar“, hat Professor Hans-Georg Predel beobachtet. Die Erklärung des Wissenschaftlers vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln: „Der Sport wird immer athletischer, schneller, intensiver. Und einen Tick aggressiver“, sagte Predel dieser Zeitung. Da können im Eishockey auch Helme nur bedingt schützen. „Bei einem Aufprall wirkt die Eisfläche wie Betonboden“, erklärt Predel, der in der Sportart geforscht hat. So wie bei Stefan Ustorf.

Im Eishockey häufen sich Gehirnerschütterungen. Zuletzt wurden in der NHL in 14 Tagen elf Gehirnerschütterungen gezählt. Und die Verletzung wurde lange unterschätzt. Nachdem man früher davon ausging, dass sie folgenlos ausheilt, ist jetzt klar, dass bereits leichte Gehirnerschütterungen bleibende Schäden hinterlassen können. Untersuchungen zeigten bei Ustorf eine Narbe in der linken Hirnhälfte, die wohl auf ältere Gehirnerschütterungen zurückgeht.

Die Deutsche Eishockey Liga hat reagiert. Neben einem Schnelltest nach Checks im Spiel gibt es einmal pro Jahr eine verpflichtende neurologische Untersuchung für die Profis. Das Problem: Eishockeyspieler sind harte Kerle, die besonders ungern ein Spiel verpassen. „Sie sind fast schmerzunempfindlich, laufen mit Pferdeküssen, Muskelverletzungen und Bänderanrissen auf“, sagt Professor Hans-Georg Predel. Der Griff in das Schmerzmittel-Regal lässt sich da oft kaum vermeiden: „Eishockeyspieler schlafen unter einer Ganzkörperschicht Voltaren und haben bei Bedarf noch Ibuprofen parat. Da muss schon richtig was passieren, bevor einer die Notbremse zieht“, erklärt der Wissenschaftler.

Stefan Ustorf hat die Notbremse gezogen. Bei ihm schlagen inzwischen selbst die vom Arzt verordneten Schlafmittel nicht mehr an. Keine Nacht schläft er länger als fünf Stunden. Ustorf, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hat nur noch einen einzigen Wunsch: „Ich will irgendwann einfach wieder gesund werden.“