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Ringer Mirko Englich und sein letzter großer Kampf

Ringer Mirko Englich und sein letzter großer Kampf

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Foto: Socrates Tassos/FUNKE Foto Servi
Olympisches Silber, diverse Meistertitel: Mirko Englich zählt zu den besten Ringern Deutschlands. Nach über 20 Jahren auf der Matte ist Schluss.

Witten. 

Wenn Mirko Englich die Matte betritt, haben seine Gegner in der Regel wenig zu lachen. Zehn deutsche Meistertitel, Medaillen bei Europameisterschaften und Silber bei Olympia in Peking haben ihm noch mehr Gewicht verliehen, als der Fast-100-Kilo-Mann ohnehin in einen Wettkampf wirft. Der Wittener zählt zu den erfolgreichsten Ringern Deutschlands. Jetzt ist er allerdings besiegt worden: von seiner Vernunft. Schluss, aus. Samstag (12. Dezember 2015, 19.30 Uhr Husemannhalle) soll eine lange und erfolgreiche Karriere in Witten, seiner sportlichen Heimat, ausklingen. Auch wenn es da noch ein „Aber“ gibt – doch dazu am Ende mehr.

Alles tut ein bisschen weh

„23 Jahre in der Bundesliga sind genug. Ich möchte meinen Abschied vom Leistungssport selbst bestimmen, nicht bestimmt werden“, sagt der 37-Jährige. Es ist nicht so, dass er jeden Morgen seine Knochen zurechtrücken muss, um es alleine aus dem Bett zu schaffen. „Doch alles im Körper tut ein bisschen weh.“ Nebenwirkungen des Hochleistungssports.

Nun ist es an der Zeit, etwas mehr an den Arbeitgeber zu denken. An den, der den Sport mit all den Terminen und Unwägbarkeiten unterstützt hat. Mirko Englich ist Feuerwehrmann in Dortmund. „In diesem Job muss ich fit sein.“

Ein neues Leben ohne Ringen? Nicht mit einem Englich. Hier wurde eine ganze Familie mit dem Ringer-Gen geboren. Vater Detlef war selbst Jahrzehnte lang erfolgreicher Athlet und später Vorsitzender des KSV, des traditionsreichen Kraftsportvereins Witten. Schwester Nina galt in den 90er-Jahren als eine der ersten Top-Ringerinnen Deutschlands. Ehefrau Yvonne gehörte ebenfalls zur bundesweiten Elite. Und was ist wohl der Lieblingssport der gemeinsamen Kinder Noah (12) und Lotta (8)? Kleiner Tipp: Es ist nicht der Fußball.

„Möchte ich meine Familie sehen, muss ich in die Halle gehen“

Kein Wunder, dass Mirko Englich sagt: „Möchte ich meine Familie sehen, muss ich nur in die Halle gehen.“ Der Weg wird ihn sowieso weiter dorthin führen, denn seit dieser Saison ist er nicht nur Aktiver im Zweitligateam, er ist auch Trainer. Und das wird er bleiben.

Samstag also der letzte große Auftritt als Sportler. Eine letzte Begegnung auf der Matte, ein letzter Körperkontakt mit dem Gegner, die letzten Schweißperlen, vielleicht die letzten Kratzer vom Sport am durchtrainierten Körper. „Den Gedanken daran versuche ich noch wegzuschieben“, sagt Englich wenige Stunden vor dem großen Tag. Gut möglich aber, dass er nach dem Wettkampf in der Umkleidekabine sitzen und erneut ringen wird – mit seinen Emotionen.

Bislang begleiten Mirko Englich eher Glücksgefühle als Wehmut, wenn er an seine großen Erfolge zurückdenkt. Ganz oben strahlen da das Olympia-Silber 2008 und der Gedanke an die Fackel, an die deutsche Fahne, an das Rampenlicht, in dem er plötzlich stand. So etwas gehört nicht zum Alltag des Vertreters einer Randsportart, „die ist das Ringen, ohne Zweifel“. Er konnte kein Profi werden. „In Deutschland wird alles vom Fußball aufgefressen. Das sieht man bei den Zuschauerzahlen und bei den Sponsoren.“ Häufiger kam es vor, dass der Olympiamedaillengewinner zunächst seine Gegner auf die Matte katapultierte – und kurz darauf ein Feuer löschen oder eine Katze vom Baum retten musste.

Ganz nebenbei ist die Geschichte, die der Ringer zu erzählen hat, um vieles mitreißender als das, was mancher Fußballprofi tagein, tagaus zum Besten gibt. „Einen meiner größten Momente“ nennt er es, wenn er daran zurückdenkt, wie er seine heutige Frau Yvonne kennengelernt hat (natürlich in der Sporthalle). Oder wie sich Stolz in seine Worte mischt, wenn er den Tag beschreibt, an dem er seine Kinder zum ersten Mal ringen sah.

Sein Verein ist bereits Meister

Mirko Englichs ziemlich letzter Kampf führt ihn am Samstag, 12. Dezember 2015, in die heimische Halle in Witten. Sein KSV steht bereits als Meister der Gruppe West fest. Das war’s für ihn dann mit der Karriere. Und jetzt kommt das „Aber“: „Aber ich werde noch einmal zurückkehren. Ich habe meinem Sohn versprochen, mit ihm zusammen in einer Mannschaft anzutreten. So wie es mein Vater mit mir gemacht hat.“ In zwei Jahren könnte es so weit sein, dann ist Noah 14 und alt genug. Papa wird sich fit halten.