München.
Herr Mennekes, der Mitgliederversammlung, die Sie ins Amt wählte, stellten Sie sich mit den Worten vor: „Mich kennt hier keiner“. Warum?Walter Mennekes: Ich habe versucht, die Leute nochmal wach zu machen. Wenn ich den normalen Trott abgespult hätte, wären die garantiert eingeschlafen. Deswegen habe ich gesagt: Sie kennen mich nicht, aber wenn Sie mich kennenlernen wollen, dann geben Sie mir vier Minuten Ihrer Zeit und dann sage ich Ihnen was ich mache, wer ich bin und wofür ich mich bewerbe. Ich habe dann ein nordkoreanisches Wahlergebnis erzielt mit Neunundneunzigkommairgendwas Stimmen. Das hat mich gefreut.
Ihr Ergebnis war besser als das des wieder ins Amt gewählten Präsidenten Uli Hoeneß.
Mennekes: Ich weiß, dass mein Ergebnis gut war. Ob es besser war als das von Uli, weiß ich nicht. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Aber vor allem habe ich mich für Uli gefreut, dass fast jeder der 7200 Mitglieder ihm eine zweite Chance einräumt, dass Sie Vertrauen in ihn haben, dass er der richtige Mann zur rechten Zeit am richtigen Ort ist. Er hat eine Eselei begangen und ist straffällig geworden. Jeder hat schon einmal einen Fehler gemacht, da darf man nicht den Stab über ihn brechen. Dieser Verein verdient eine gute Führung, und der beste Präsident ist nach wie vor Uli, weil er macht, was er tut.
Verstehen Sie die Leute, die seine Rückkehr kritisieren?
Mennekes: Wenn man ein öffentliches Amt innehat, muss man sich Kritik gefallen lassen. Da muss man durch. Die, die ihn kritisieren, sollen sich an die eigene Nase fassen. Der, der ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein. Diesen Fehlerfreien würde ich gerne mal sehen.
Sie haben auf Hoeneß‘ Wunsch hin kandidiert?
Mennekes: Ja, er hat mich angerufen, als ich gerade im Urlaub in Kanada war. Ich lag morgens noch im Bett und guckte auf einen See, wo die Enten gerade vorbeischnatterten. Er sagte: Ich trete wieder an. Ich antwortete: Uli, das tut dem Verein sicherlich gut und ich habe nichts anderes erwartet. Da sagt er: Und du machst mit.
Wie war Ihre Reaktion?
Mennekes: Eine Mischung aus Freude, Stolz und Eitelkeit. Aber man sagt sich auch: Ich doch nicht, das sollten andere machen, ich habe doch gar nicht so viel Ahnung. Das habe ich auch Uli mitgeteilt, aber er hielt an mir fest. Ich habe ihn gefragt, ob er sich das gut überlegt hätte. Er brummte: Sonst rufe ich nicht an (lacht).
Wie ging es weiter?
Mennekes: Ich habe ihm gesagt, dass das etwas überraschend kommt. Ich habe das mit meiner Familie besprochen. Das ist der beste und der am besten geführte Klub der Welt, die Entscheidung darüber, an verantwortlicher Stelle mitzuwirken, sollte man sich gut überlegen – mit Normalpuls.
Aber Sie wollten.
Mennekes: Natürlich. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, eine große Aufgabe – und wenn der FC Bayern mit Uli Hoeneß meinen, du kannst das, dann stelle ich mich zur Wahl. Das ist eine Aufgabe, die mit sehr viel Arbeit verbunden ist, aber hunderttausende Menschen hätten gern diesen Job und ich habe ihn bekommen, ohne mich nach vorne gedrängelt zu haben. Und dann auch noch als Nicht-Bayer. Ich danke dem FC Bayern, dass er mir diese Möglichkeit gibt.
Woher kennen Sie und Herr Hoeneß sich?
Mennekes: Genau genommen geht das zurück auf einen Nachmittag in Monterrey 1986. Da spielte Deutschland im Viertelfinale gegen Gastgeber Mexiko, nachmittags bei sengender Hitze. Ich wollte für meine Kumpel ein paar Bier holen und da sah ich dann zwischen 19.950 Mexikanern und 50 Deutschen eine Frau mit drei quengelnden Kindern, denen ich dann Wasser und Cola besorgt habe. Das war die Frau von Karl-Heinz Rummenigge mit ihren Kindern. Daraus erwuchs mit den Jahren eine enge Freundschaft, meine Frau und ich sind Patentante bzw. -onkel der Kinder, wir haben mit den Rummenigges viele gemeinsame Urlaube verbracht. In den Restaurants sind die verrückt geworden, denn wir haben abends immer einen Tisch für 20 Personen bestellt. Michael und Frau hatten drei Kinder, Karl-Heinz und Frau haben fünf, und wir hatten auch drei Kinder. Da hatten die nur mit uns den Laden voll. Etwa zu jener Zeit bin ich auch Bayern-Mitglied geworden und wenn man dann mit Karl-Heinz Rummenigge zu tun hat, dann sieht man auch Uli Hoeneß ab und an. Wir sind beide Unternehmer, deswegen hat man immer gemeinsame Themen. Und unsere Frauen und Kinder haben sich ebenfalls gleich gemocht.
Ein Amt bekleiden Sie schon länger beim FCB…
Mennekes: Bevor Uli Hoeneß 2010 den Franz Beckenbauer ablöste, sagte er zu mir: Walter, kann sein, dass ich Präsident werde, willst du in den Verwaltungsbeirat? Edmund Stoiber war damals der Vorsitzende. Ich sagte: Wenn du meinst, dass ich helfen kann, gern. Das war der Einstieg vor sieben, acht Jahren. In dieser Zeit sind wir uns noch näher gekommen. Als er sich entschlossen hat, wieder zu kandidieren, hat er geguckt: Wen nehme ich mit?
Sie offenbar. Hatten Sie während seiner Gefängnis-Zeit Kontakt mit Herrn Hoeneß?
Mennekes: Ich habe Uli sehr oft handgeschriebene Briefe geschrieben, von denen ich nicht wusste, ob sie ihn erreichen, weil sie vorher geprüft werden. Aber die meisten haben ihn wohl erreicht. Als ich über irgendwelche Wege hörte, dass er sich darüber freut, habe ich ihm umso mehr geschrieben, weil ich mir so eine Zeit doch schlimm vorstelle: In einem engen, vergitterten Raum sitzen, dessen Tür verschlossen ist und keine Klinke hat. Deshalb wollte ich meinem besten Freund einfach die Zeit mit ein paar geschriebenen Worten erleichtern.
Was schreibt man da?
Mennekes: Ich habe ihm alles erzählt, was mir gerade einfiel: Ob unser Fußballverein in Kirchhundem in der Bezirksklasse mal wieder ein Tor zu wenig geschossen hat, dass im Sauerland Schnee liegt oder dass ich alle Mitarbeiter in die Sonne geschickt habe, weil sie ausnahmsweise mal scheint. Und ich habe ein Sudoku da rein geschrieben, das er lösen konnte. Ich habe permanent an ihn gedacht und ihn so in einer Zeit erreicht, als keine andere Kontaktmöglichkeit existierte. Denn bei Besuchen wollte ich anderen den Vortritt lassen.
Da Sie sowohl Karl-Heinz Rummenigge als auch Uli Hoeneß Ihre Freunde nennen: Müssen Sie zwischen den beiden manchmal moderieren. In der Sportdirektoren-Frage zum Beispiel?
Mennekes: Das habe ich bisher nicht gemusst, nein. Die beiden haben immer einen Weg zueinander gefunden und das tun sie auch in Zukunft. Diese Haarrisse, die da manchmal in der Öffentlichkeit festgestellt werden, kann ich nicht im Geringsten erkennen. Und ich bin näher dran als die, die das Gegenteil behaupten.
Besteht oder bestand für Sie als Westfalen eigentlich keine Nähe zum FC Schalke oder zu Borussia Dortmund?
Mennekes: Ich bin jetzt 24 Jahre Mitglied beim FC Bayern. Vorher aber war ich tatsächlich lange Jahre Mitglied beim FC Schalke. Das hing damit zusammen, dass ich als Jugendlicher ein Praktikum in Belgien machte und der Chef der Firma im Vorstand des FC Brügge war. Als die ihr Heimspiel gegen Anderlecht mit 1:5 verloren, habe ich gefragt: Was habt ihr denn hier für eine Truppe? Und der Chef meinte: Hinten in der Defensive fehlt uns einer, wir suchen einen Libero, können aber keinen finden.
Sie konnten helfen?
Mennekes: Ich habe denen gesagt, dass es in Deutschland einen jungen Mann namens Rolf Rüssmann gibt, der wegen eines Meineidskandals in Deutschland nicht spielen darf, aber ein Guter ist. Als mein Praktikum zu Ende war, schlage ich zuhause die Zeitung auf und lese: Rolf Rüssmann wechselt zum FC Brügge. Offenbar hatte auch Rolf Rüssmann bei seinem neuen Verein nachgefragt, wie sie auf ihn gekommen waren. Die haben ihm gesagt, dass es da im Sauerland einen Mann namens Walter Mennekes gibt. Aber wir kannten uns gar nicht. Zwei, drei Jahre später war die WM 1978 in Argentinien, Rüssmann war rehabilitiert und ich sprach ihn an, weil ich ein Autogramm wollte. Für wen?, fragt er. Für Walter Mennekes. Wo ist der? Ich bin das. Da hat er mich in den Arm genommen wie mich selten ein Mann in den Arm genommen hat und gesagt: Sie haben mir das Leben gerettet. Ich war arbeitslos in Deutschland, meine Frau war schwanger und wir hatten ein Sechsfamilienhaus gekauft. Dadurch, dass er in Belgien spielen konnte, konnte er seinen Verpflichtungen nachkommen. Als wir uns kennenlernten, war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Wie kamen Sie zum FC Schalke?
Mennekes: Rolf Rüssmann kehrte dann irgendwann zurück nach Schalke und wir wollten den Günter Siebert (damaliger Schalke-Präsident) stürzen. Um Rederecht bei der Versammlung eines Vereins zu haben, musste man mindestens ein Jahr lang Mitglied sein. Deswegen bin ich eingetreten. Auf jener Versammlung habe ich dann erst den Dreitagespräsidenten Michael Zylka und dann Günter Eichberg gewählt. Das war falsch, den habe ich nicht durchschaut am Anfang. Rolf Rüssmann zog später weiter nach Gladbach, unsere Freundschaft aber hat gehalten.
Sind Sie zu der Zeit auch beim FC Schalke wieder ausgetreten?
Mennekes: Das habe ich vor sieben oder acht Jahren gemacht, per Einschreiben mit Rückschein, als ich Mitglied im Verwaltungsbeirat beim FCB wurde. Clemens Tönnies ist – auf eine freundschaftliche Art – immer noch stinkig, dass ich weggegangen bin (lacht).
Hat sich an Ihrem Bekanntheitsstatus beim FC Bayern schon merklich etwas geändert? Kennt der Trainer Sie?
Mennekes: Carlo Ancelotti kenne ich seit Jahren aus Vancouver, seine Frau kommt aus Kanada. Zufällig lieben wir – wie man sieht – die italienische Küche und den gleichen italienischen Koch in Vancouver. Dort in einem Restaurant haben wir uns vor einigen Jahren kennengelernt. Der Koch hat uns miteinander bekannt gemacht: Den erfolgreichen Spieler und Trainer – und das unwichtige Licht beim FC Bayern. Aber wir sind sofort ins Gespräch gekommen und ich habe ihm gesagt, dass er ja schon überall war, nur beim FC Bayern noch nicht. Und er sagte: Was nicht ist, kann ja noch werden.
Also haben Sie in Wahrheit den Weg für ihn nach München bereitet?
Mennekes: (lacht) Nein, damit habe ich nichts zu tun. Das war zu Zeiten, als wir noch Jupp Heynckes hatten und da war in diese Richtung noch gar nicht gedacht worden. Da kam ja erst noch Guardiola. Ich kannte und kenne die geheime Liste von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nicht. Aber ich mochte und mag Carlo sehr, weil er ein menschlicher Trainer ist, weil er Sachversand hat, aber auch ein großes Herz. Das macht ihn zu einem besonderen Menschen. Und auch wenn wir uns dann zwei Jahre nicht gesehen haben in Kanada, waren wir über unseren gemeinsamen Bekannten, den Koch, immer in Kontakt und haben uns die Bälle zugeworfen. Jetzt sehen wir uns öfter. Auf Reisen im Flugzeug haben wir auch schon mal die Plätze getauscht: Da saß er neben meiner Frau und ich vorn bei der Mannschaft.
Sie sind etwa ein halbes Jahr im Amt. Wie lässt es sich an? Was sind Ihre Aufgaben?
Mennekes: Ich bin im Wesentlichen für die Amateurabteilungen zuständig. Das kommt meiner Herzensbildung nahe. Denn: Ohne Breitensport, kein Spitzensport. Ohne Spitzensport, kein Breitensport. Bei allen Lahms, Neuers und Müllers, die wir an der Spitze des Vereins als Aushängeschilder haben, verdienen auch die Amateure in allen Abteilungen unsere Anerkennung.
Was zählt noch zu Ihren Aufgaben?
Mennekes: Das neue Jugendleistungszentrum. Ich habe das Glück, den früheren Präsidenten des FC Bayern, Karl Hopfner, an meiner Seite zu haben, der die Planung und Umsetzung begonnen hat und mit mir weiter begleitet. Dieses Sportgelände mit Nachwuchsleistungszentrum wird Leuchtturmfunktion für die Welt haben. Das tut uns Deutschen gut und ist dann nicht ein 30 Jahre lang geplanter und nicht fertig gestellter Flughafen oder eine viel zu teure Elbphilharmonie oder ein Bahnhof 21.
Was ist das Besondere an diesem Nachwuchsleistungszentrum?
Mennekes: Die reine Bausumme beträgt schon 75 Millionen Euro. Das wird ein Gelände mit acht Plätzen, einer Dreifachturnhalle und einer Rundumversorgung für die 14- bis 19-Jährigen. Neben vollumfänglicher sportlicher und medizinischer Betreuung wird auch großer Wert auf die schulische Ausbildung gelegt. Wer es nicht in den Fußball schafft, soll seine Zeit nicht vertan haben, sondern überdies auch etwas gelernt haben, damit wir sie als Sport orientierte Menschen in die Welt entlassen können. Was immer sie dann auch tun. Bayern ist ein weltweit guter Botschafter mit einem exzellenten Ruf, den wir mit diesem Projekt noch ausweiten.
Wie oft sind Sie als zweiter Vizepräsident in München?
Mennekes: Ich fliege oft freitagabends oder samstagmorgens von Köln aus nach München. Dann habe ich meist vormittags bis vor dem jeweiligen Heimspiel Besprechungen mit dem Präsidium, im Lenkungskreis, mit Fans oder Amateurabteilungen.
Sie haben mal gesagt, dass die Menschen beim FC Bayern vieles schon sehr, sehr gut könnten. Wie können Sie noch helfen?
Mennekes: Der Verein steht nicht von ungefähr da, wo er steht: er ist professionell organisiert, durchgetaktet und steht auf gesunden Wurzeln. Vielleicht muss man sich das vorstellen wie damals bei den alten Radios: Wenn man da den Sender genau einstellen wollte, musste man ganz langsam und vorsichtig in die richtige Richtung drehen. Der FC Bayern ist ein Verein mit einem Jahres Umsatz von 650 Millionen Euro, aber Feinjustierung muss es trotzdem geben. Stillstand darf es nicht geben. Und ich bin ein Rädchen im Getriebe. Der FCB steht über allem und dafür muss jeder aufstehen, den Lappen in die Hand nehmen und dieses Gütesiegel jeden Tag aufs Neue auf Hochglanz polieren.
Im DFB-Pokal-Halbfinale kommt es zum erneuten Duell mit Borussia Dortmund und damit zum Wiedersehen mit einem anderen bekannten Sauerländer Unternehmer: Hans-Joachim Watzke, BVB-Geschäftsführer. Wie ist Ihr Verhältnis?
Mennekes: Wir sind beide Sauerländer und bevorzugen eine klare Sprache. Er hat für diese Region etwas Tolles geschafft, nämlich den BVB für die Menschen vor der Pleite zu bewahren. Das ist sein Verdienst. Wir nehmen uns gegenseitig ernst und schätzen uns.