Essen.
Die Männer, die die alljährliche Sonderausgabe der Sports Illustrated kaufen, haben seit 1964 klare Vorstellungen: Sie wollen halbnackte Frauen in Badeanzügen an Traumstränden sehen.
So auch 2018. Die Amerikanerin Brenna Huckaby liegt im Sand der Karibik-Insel Aruba, das Gesicht ist zur Sonne gewandt, ein Lächeln spielt um ihren Mund. Ihre Brüste sind von einem winzigen Bikini bedeckt. Die Beine hat sie überschlagen. Das linke Bein liegt über dem rechten. Doch da, wo das rechte Knie sein sollte, glitzern Schrauben. Da, wo der Unterschenkel sein sollte, wirft ein schwarzes, glänzendes Material das Sonnenlicht zurück.
Sie möchte Vorbild sein
Brenna Huckaby ist einer der Stars der Paralympics im südkoreanischen Pyeongchang. Mit 22 Jahren sind es ihre ersten Winterspiele, prompt hat sie im Snowboardcross Gold gewonnen. Das Foto aber machte sie schon vorher international berühmt.
„Meine Motivation war, der Welt zu zeigen, wie stolz ich bin. Ich kann schön sein und stark – als Snowboarderin und Mutter, aber auch in einem Bikini“, sagte Huckaby, bei der wegen eines Tumors der Unterschenkel entfernt werden musste. „Es ist egal, wie dein Körper aussieht, wenn du dich in deiner Haut wohlfühlst.“ Sie möchte Vorbild sein, „für Kinder, aber auch Erwachsene, die durch eine schlimme Lebensphase gehen“.
Auf Instagram hat die US-Amerikanerin 21 000 Follower. Brenna Huckaby zeigt sich beim Sport, beim Fotoshooting, auf Galas, mit Freunden, mit ihrer kleinen Tochter Lilah. Eine selbstbewusste junge Frau.
Die Snowboarderin ist nicht die erste, die diesen noch immer mutigen Schritt gewagt hat. Vor den Paralympics 2012 in London zog sich die Amerikanerin Oksana Masters für die jährliche Zeitschrift The Body Issue des US-Sportfernsehsenders ESPN aus. Nackt posierte die Ruderin auf einem Steg am See, sie zeigte ihre Tattoos und ihre Beine, die unterhalb des Knies enden. In Pyeongchang ist die 28-Jährige erneut dabei. Im Langlaufsprint über 1,1 Kilometer holte sie Gold.
Das Fotoshooting für ESPN habe ihr die Augen geöffnet, sagte Masters jüngst dem People-Magazin. „Ich wollte, dass die Menschen mich ohne Beine sehen können. Und wenn ich nur die Aufmerksamkeit eines Mädchens bekomme, das seine Meinung ändert, kann ich glücklich sterben.“
Hinter der schönen Athletin verbirgt sich eine traurige Geschichte. Oksana Masters wurde in der Ukraine geboren, in einem Gebiet, das von der Reaktor-Katastrophe Tschernobyl betroffen war. Wegen eines Gendefektes benötigte sie teure Medikamente. Als sie sieben Jahre alt war, gaben ihre Eltern sie zur Adoption frei. Sie wuchs in Kentucky auf. 1997 mussten beide Unterschenkel amputiert werden.
Sie habe oft gehasst, was sie im Spiegel sah, doch heute hat sie die Kraft, andere zu inspirieren: Es sei egal, wie man aussieht, sagt sie, „wenn du hart arbeitest und daran glaubst, kannst du es schaffen“.
So wie auch Marie Bochet. Der Französin fehlt seit der Geburt der linke Unterarm. Heute zählt die 24-Jährige zu den besten Skifahrerinnen der Welt, sie wird in Frankreich ehrfürchtig „Die Unschlagbare“ genannt. 2014 wurde sie zum „Ritter der Ehrenlegion“ ernannt. In Pyeongchang gewann sie Gold in der Abfahrt und im Super-G.
So wie auch Thomas Walsh. Der US-Amerikaner ging mit Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin zur Schule. Beide träumten davon, an den olympischen Winterspielen teilzunehmen. Aber eines Tages entdeckten Ärzte einen seltenen Knochenkrebs bei Walsh und mussten Teile seines Beckens und seiner Lunge entfernen. Walsh gab nicht auf. In Pyeongchang wird nun sein Traum wahr. Der 23-Jährige vertritt zum ersten Mal seine Nation bei den Paralympics und geht im Ski alpin an den Start. Ein Held schon jetzt.