Eiskunstläuferin Nicole Schott vertritt Deutschland bei Olympia, aber scheut Vergleiche mit Katarina Witt. Ein Besuch in Essen-West.
Essen.
Nicole Schott kann es nicht fassen. Schockiert steht die 21-Jährige im Ballettraum der Eissporthalle Essen-West. Charme wurde hier schon lange nicht mehr versprüht. Höchstens Raumspray. Die Ballettstange des Essener Jugend-Eiskunstlauf-Vereins hängt neben den schweren Gewichten der Eishockey-Spieler der Moskitos Essen.
Nicole Schott entscheidet, hier nicht bleiben zu wollen. Sie sucht Behaglichkeit für das Gespräch und findet sie in dem Umkleideraum, den sie seit ihrer Kindheit kennt. Dort lacht sie sich selbst von Plakaten entgegen. Der Verein, bei dem sie mit drei Jahren das erste Mal auf dem Eis stand, ist stolz auf sie.
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Wie Nicole Schott sich durch die Gänge bewegt, wie sie Anweisungen gibt, dabei aber sympathisch bleibt – so verhalten sich Menschen, die der Erfolg selbstbewusst gemacht hat. Das passt: Nicole Schott ist Deutschlands derzeit beste Eiskunstläuferin. Von Essen hat sie es zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang geschafft.
Sie will ihren Traum wahrmachen
„Ich realisiere das erst, wenn ich bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einlaufe“, sagt die Sportsoldatin. In einem Interview mit dieser Zeitung antwortete sie einmal auf die Frage, welche Überschrift sie im Februar 2018 gerne über sich lesen würde: „Natürlich irgendwas mit Olympia. Am bestes etwas Gutes. Davon träumt doch jeder Sportler.“
Unser Reporter vor Ort: Zu Besuch im Olympischen DorfNun hat sie die Chance, ihren Traum wahrzumachen. Es wäre das Ende einer beeindruckenden Kettenreaktion: Bei der Europameisterschaft 2017 wurde Nicole Schott in Ostrava Zehnte, sicherte so einen Startplatz bei der WM in Helsinki. Dort holte sie als 19. einen direkten Olympia-Startplatz für Deutschland. Den behauptete sie gegen die nationale Konkurrenz: Im Dezember wurde sie zum dritten Mal Deutsche Meisterin, bei der EM in Moskau landete sie erneut auf Platz 10. Und jetzt endlich: Olympia.
Nach dem Heimatbesuch ist Nicole Schott am Dienstag erstaunlich gelassen zu ihren ersten Olympischen Winterspielen gereist. Vergleiche mit der deutschen Eiskunstlauf-Ikone und zweimaligen Olympiasiegerin Katarina Witt lässt sie nicht zu. „Ob es für mich einmal zu einem Olympiasieg reicht, sehen wir dann 2022“, sagt Nicole Schott.
Ehrgeizig ist sie, ja. Aber auch: bodenständig. Wenn sie spricht, schwankt sie zwischen professioneller Formulierungskunst und begeistertem Plappern. Gestenreich verstärkt sie, was ihr wichtig ist. Längst hört man am Dialekt, dass sie seit fast vier Jahren in Oberstdorf lebt – in Bayern. In Pyeongchang, sagt Nicole Schott, hält sie eine Platzierung „um Rang 15“ für realistisch. Das klingt tiefgestapelt. Doch die Weltspitze wird von anderen dominiert – von Russland und USA. Nicole Schott steht auf Platz 27.
Eine, die seit Jahren oben mit dabei ist, ist die Weltmeisterin von 2012, die Italienerin Carolina Kostner. „Ich wünsche ihr von ganzem Herzen, dass sie Olympiasiegerin wird“, sagt Nicole Schott.
Sie bewundert die 30-Jährige. Auch weil deren Karriere so anders ist als die der jungen Stars aus Russland. „In meinem Jahrgang hat das angefangen“, erzählt Schott. „Da waren tausend russische Mädchen. Man kann sie auswechseln wie Socken: Alle sind gut.“ Allerdings: „Sie sind nach zwei Jahren kaputt.“
Ein Beispiel: Julia Lipnizkaja. Bei den Spielen 2014 in Sotschi war sie die Vorzeigeathletin von Präsident Wladimir Putin: Mit 15 gewann sie Olympia-Gold im Team. 2017 der Rücktritt – wegen Magersucht.
Skeptischer Blick auf Russen
Nicole Schott kann verstehen, warum die Russen nach dem Dopingskandal mit Skepsis betrachtet werden. Sie sagt: „Die ganze Nation wurde bei den Sommerspielen gesperrt – und jetzt auch im Winter. Das muss ja einen Grund haben.“ Sie selbst habe zwar nie etwas Verdächtiges erlebt. Jedoch: „Es kann ja keiner sehen, ob es Doping oder nur Traubenzucker ist.“ Ein mulmiges Gefühl? „Auf jeden Fall ist es ein schwieriges Thema.“
Die schweren Gedanken schiebt Nicole Schott erst einmal beiseite. Montag steht für sie der Teamwettbewerb an. „Olympia“, erzählt sie, „ist etwas Besonderes, das sagen alle. Mein Trainer hat mir geraten, einfach alles zu genießen.“ Ihre Eltern werden sie begleiten, ihr Freund wird fehlen. „Er hat sich schon beschwert, dass er so früh aufstehen muss, um mich zu sehen“, erzählt sie lachend. Die TV-Zeiten richten sich nach den USA – für Deutschland heißt das: live um 2 Uhr nachts.