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Sebastian Vettel mit dringendem Appell: „Jeder muss sich hinterfragen“

DER WESTEN hat Sebastian Vettel am Nürburgring getroffen. Im Interview spricht er über den Kampf gegen die Klimakrise und die Formel 1.

Sebastian Vettel Formel 1 Red Bull
© JOERG MITTER

Sebastian Vettel: Das war seine Karriere

2022 beendete Sebastian Vettel seine Formel-1-Karriere. Wir schauen zurück auf die Erfolge des vierfachen Weltmeisters.

Am Samstag (9. September) feierte Sebastian Vettel sein Comeback auf der Rennstrecke. Beim „Red Bull Formula Nürburgring“ fuhr der 36-Jährige mit seinem Weltmeister-Auto von 2011 über die legendäre Nordschleife.

Zahlreiche historische Autos fanden den Weg an den Nürburgring – mit einer großen Besonderheit. Die Autos beim „Red Bull Formula Nürburgring“ wurden mit E-Fuels, also synthetischem Kraftstoff, betrieben. Für Sebastian Vettel ein wichtiges Zeichen.

Sebastian Vettel im Interview mit DER WESTEN

DER WESTEN hat Sebastian Vettel im Rahmen des „Red Bull Formula Nürburgring getroffen. Im Interview spricht der vierfache Weltmeister über den Kampf gegen die Klimakrise, die Möglichkeiten des Motorsports und die Formel 1.

DER WESTEN: „Sie sind mit dem RB7 auf der Nordschleife gefahren. Was ist das für ein Gefühl?“

Sebastian Vettel: „Es ist ein tolles Gefühl. Es ist ein bisschen eine Zeitreise und nostalgisch, weil sehr viele Erinnerung wieder hochkommen. Für mich ist es – egoistisch gesehen – eine super Möglichkeit und Erfahrung, in dem Auto zu sitzen und das zu spüren. Aber ich glaube, es kombiniert meine Freude. Einerseits, alles, was da mitschwingt an Nostalgie, anderseits auch die Möglichkeit, das Ganze ein bisschen verantwortungsvoller zu gestalten mit den E-Fuels und „Race without trace“ („Rennen fahren ohne Spuren zu hinterlassen“).  Es ist mir wichtig, zu zeigen, dass alle Spaß haben können, aber dass man zumindest versucht, sich über Alternativen Gedanken zu machen und nicht sagt: ‚Es geht für immer so weiter‘, sondern das mit aufnimmt und im Großen und Kleinen überlegt, was man tun kann. Ich glaube, dass die E-Fuels, die wir jetzt im Auto haben, vielleicht nicht die Generallösung für alles sind, aber es ist ein erster Schritt und ein Zeichen, dass wir uns als Motorsportgemeinschaft Gedanken machen können. Wenn uns an unserem Sport so viel liegt, dann sollten wir uns bemühen, dass er erhalten bleibt.“

Merkt man einen Unterschied im Auto, wenn man mit E-Fuels fährt?

„Nein. Auch die Ingenieure waren alle sehr angetan und überrascht, dass es so einfach funktioniert. Die Motoreningenieure mussten gar nichts verändern, sondern einfach nur anderes Benzin tanken und damit war der Drops gelutscht.“

Sebastian Vettel
Sebastian Vettel drehte beim „Red Bull Formula Nürburgring“ einige Runden mit dem RB7 auf der Nordschleife. Foto: Andreas Schaad / Red Bull Content Pool

Sie haben gesagt, E-Fuels sind ein „erster Schritt“. Wohin müssen wir und die Formel 1 uns noch hin entwickeln, damit wir nachhaltiger werden?

„Das eine ist der Motorsport, das andere ist im Größeren die Mobilität. Ich glaube, als Motorsport müssen wir uns die Frage stellen, was wir hier machen und das ist auch berechtigt. Wenn wir die Kritik von außen bekommen, ist das absolut legitim und gerechtfertigt. Und deswegen sehe ich es als große Chance, uns zu verändern und neu zu erfinden, ohne dass man direkt von Verzicht spricht. Das ist oft mit dem Thema verbunden, aber das sollte gar nicht im Raum stehen.

Wenn wir sowas noch weiterhin erleben dürfen – und gerade was den historischen Motorsport angeht, dann ist das auch schön, dass man mit stolz die Geschichte weitererzählen darf, aber sich nicht vor Veränderungen verschließt, die stattfinden müssen und uns alle betreffen wird. Da sind E-Fuels für den Motorsport eine tolle Variante. Für die Mobilität im Allgemeinen gibt es neben E-Fuels die Elektromobilität. Wasserstoff wird eine große Rolle spielen in der Zukunft. Und auch die Offenheit für andere Möglichkeiten und Lösungen müssen wir beibehalten. Diese Veränderung kann sehr viel Positives mitbringen und alles noch besser machen. Das ist das, was wir anstreben müssen.

Die Formel 1 hat eine besondere Verantwortung. Sie gilt als Technologie-Vorreiter, also sollte sie diese Position auch einnehmen, dass sie zu einer „besseren Welt“ beiträgt, indem sie wie in der Vergangenheit Autos sicherer gemacht hat und in der Zukunft Autos verantwortungsbewusster betreiben. Ziel muss es sein, dass es technische Lösungen gibt, die den Anschluss an die Serie finden.“

Sebastian Vettel: „Jeder muss sich hinterfragen“

Warum dauert das so lange in der Formel 1? Man hat nicht das Gefühl, dass es wirklich vorangeht. Alleine ein Blick auf den Rennkalender zeigt, dass es noch viel Potential gibt. In diesem Jahr ist man von Baku nach Miami geflogen…

„Das Auto, was auf der Strecke fährt, und mit fossilem Kraftstoff betankt ist, ist natürlich das, was als erstes heraussticht. Aber in Wahrheit sind es die Reisen, die den größten Fußabdruck hinterlassen und wo es auch das größte Potential gibt, einzusparen. Den Kalender kann man weiter optimieren. Der nächste Kalender ist ein kleines bisschen besser. Natürlich ist aber auch klar: Mit mehr Rennen wird es nicht besser. Es wäre das Einfachste, weniger Rennen zu fahren, um Emissionen zu sparen. Ich glaube, dass jedes einzelne Segment sich hinterfragen muss. Da ist die Formel 1 ein Mikrokosmos, wie andere Sportarten auch. Der Fußball wird in der Zukunft die gleichen Herausforderungen haben, wenn er sie nicht schon hat. Jeder Teil muss sich hinterfragen und nach Lösungen suchen.“

Zum Red Bull Formula Nürburgring: „Es ist schade, dass wir hier Einweg-Plastikflaschen auf dem Tisch haben. Das ist im Großen vielleicht nicht das, was dieses Event zum Kippen bringt. Den größten Ausstoß verursachen wahrscheinlich die Leute, die von überall herkommen. Aber: Jeder kleine Teil macht Sinn. Jeder kann sich einbringen und die Welt ein Stück besser machen. Dass nicht jeder die gleichen Möglichkeiten, Mittel und die Reichweite wie ich hat, das ist klar. Aber darum geht es gar nicht. Veränderung findet als allererstes im Kopf statt und nicht aus dem Geldbeutel heraus. Es ist eine Einstellungs- und Haltungssache.“

Was sind Ihre Projekte für die nächsten Wochen?

Wir haben was Größeres in Japan geplant. Das ist ein erster Schritt, um ein bisschen die Fühler auszustrecken. Ich bin sehr gespannt. Dann haben wir ein paar kleinere Sachen, die im Hintergrund laufen und noch viele Ideen.“

Können Sie was Konkreteres dazu sagen?

„Es findet im Rahmen des Formel-1-Rennens statt. Es ist noch nicht spruchreif, es ist noch ein bisschen früh. Der Grundton ist klar: Der Kampf gegen die Klimakrise und darauf aufmerksam zu machen.“

DAS schrieb Vettel Max Verstappen, als er seinen Rekord brach

Werfen wir einen Blick auf die Formel 1. Sie sind gut mit Mick Schumacher befreundet. Er kämpft um ein Cockpit. Wie ist Ihre Einschätzung? Kann das noch klappen?

Es kann immer was Unvorhersehbares passieren, aber es sind die meisten Cockpits zu für nächstes Jahr und es ist sehr schwer. Ich drücke ihm natürlich die Daumen und bin in Kontakt mit ihm. Da wird sich hoffentlich noch etwas öffnen, im Moment schaut es nicht danach aus.

Wäre Williams eine Option?

Ich glaube, das ist das letzte offene Cockpit…

Max Verstappen hat Ihren Rekord gebrochen. Haben Sie ihm geschrieben?

Ja, auch schon davor. Die Leistung kann man nicht hochgenug anerkennen. Jede Zeit und jede Epoche hat so seine Geschichten. Er ist im Moment der Fahrer der jetzigen Zeit. Man kann seine Leistung nicht hochgenug einschätzen, aber es muss ja so viel zusammenkommen. Es darf nichts schieflaufen. Es ist eine unglaubliche Serie und ich wünsche ihm – und das habe ich ihm auch geschrieben – dass das anhält. Er hat ja noch ein paar Rennen Zeit.


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Lewis Hamilton ärgerte sich zuletzt über den Hype um Verstappen und sagte, dass Verstappen nie so gute Teamkollegen gehabt habe wie er. Was sagen Sie dazu?

„Das hatte ich auch irgendwo gehört. Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang er das gesagt hat. Das kommt auch ein bisschen darauf an, wie die Frage gestellt wurde. Ich glaube nicht, dass er morgens aufgestanden ist und sich gesagt hat: Ich habe was zu verkünden. Im Endeffekt ist es auch egal. Max‘ Leistung steht im Vordergrund. Jeder der sich dahinter einreihen muss, ist damit nicht glücklich. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe zwar viel gewonnen, aber auch öfter verloren.“

Dr. Helmut Marko brachte dieser Tage ein Formel-1-Comeback von Ihnen ins Gespräch. Denken Sie ernsthaft darüber nach, zurückzukehren?

„Ich telefoniere ab und zu mit ihm. Wir tauschen uns aus und sind gut befreundet, aber im Moment gibt es keine Pläne, dass ich zurückkomme.“