Schwedens Ex-Weltmeister Jörgen Persson will Dimitrij Ovtcharov zum Tischtennisgipfel führen. Die EM ist für den Deutschen nur ein Zwischenziel.
Düsseldorf.
Das Sofa von Dimitrij Ovtcharov kennt Jörgen Persson gut. Hat der 26-Jährige mal wieder vergessen, ihm ein Hotelzimmer zu buchen, schläft Persson eben auf der Couch. Immerhin kann er sich am nächsten Morgen nett mit Ovtcharovs Frau unterhalten: Jenny ist Schwedin – genauso wie Persson, der Weltmeister, der Trainer.
Der derzeit beste deutsche Tischtennisprofi Ovtcharov und Jörgen Persson bilden seit Anfang des Jahres ein Duo, wie es im Tennis Boris Becker und Novak Djokovic oder Roger Federer und Stefan Edberg sind: Der Star lernt vom Altstar. Im europäischen Tischtennis ist so eine Verbindung einmalig.
Jörgen Persson hält viel von Dimitrij Ovtcharov. „Er ist sehr ehrgeizig, ein intensiver Typ. So jemanden zu haben, ist gut für Europa. Er fragt viel, hört zu. Er weiß alles über Tischtennis, über seine Gegner – manchmal sogar ein bisschen zu viel“, sagt der Trainer.
Zweites Standbein: Milchverkäufer
Der Schwede sitzt in einem Düsseldorfer Eiscafé, nicht weit weg vom Deutschen Tischtenniszentrum. Man kennt ihn hier. Viele Jahre hat er in der Bundesliga gespielt. Der Espresso kommt mit den Worten „wie immer“. „Man kann nicht den ganzen Tag in der Halle sein“, sagt Persson. Tischtennis ist längst nicht mehr alles für ihn. 2012 nach den Olympischen Spielen in London hat der 49-Jährige seine aktive Karriere beendet. Heute verkauft er schwedische Milch nach China. „Milk for Champs“ ist der Slogan. Er zeigt Bilder, wie er sich auf einer Messe über H-Milch informiert, erzählt von seinem Opa, der ein paar Kühe auf seinem Hof hatte. Nur: Ohne Tischtennis geht es nicht.
h
Die deutschen Tischtennis-Herren stehen bei der Europameisterschaft in Russland im Finale. Das Team um Spitzenspieler Dimitrij Ovtcharov setzte den Siegeszug in der Vorschlussrunde mit einem überzeugenden 3:1 gegen Frankreich fort und spielt nun am Dienstag (14.00 Uhr) im Endspiel gegen Österreich um den siebten EM-Titel. Neben dem Weltranglisten-Fünften Ovtcharov, der beide Einzel in imponierender Manier gewann, punktete am Montagabend Patrick Baum gegen die starken Franzosen.
Die Österreicher hatten sich mit Siegen gegen Titelverteidiger Portugal (3:2) und Weißrussland (3:1) für das Finale qualifiziert. EM-Gold wäre für sie ein Novum.
Vor dem Herren-Match ermitteln Titelverteidiger Deutschland und Rumänien den Damen-Sieger. Das Team von Bundestrainerin Jie Schöpp stoppte im Halbfinale Gastgeber Russland mit 3:0 und strebt nach 2013 und 2014 den EM-Hattrick an. Vor zwei Jahren hatte der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) erstmals in der EM-Historie beide Team-Wettbewerbe bei einem Turnier gewonnen.
Schon früher, als Ovtcharov noch gegen Persson verlor, gab der Ältere dem Jüngeren Tipps. Heute macht es das Geld von Sponsoren möglich, dass der in Russland für Orenburg spielende Ovtcharov gewöhnlich in Düsseldorf mit seinem Privattrainer Persson arbeitet. Ovtcharov hat ein klares Ziel: Er will Weltmeister werden. Persson soll helfen. „Weltmeister wollen sie alle sein“, sagt der lachend, „aber man muss Zwischenziele haben. Dima muss aufpassen, dass er nicht nur die Chinesen als Gefahr sieht. Darüber sprechen wir oft.“ Und das aus aktuellem Grund: Bei der WM Anfang des Jahres scheiterte Ovtcharov ungewohnt früh an einem Südkoreaner. Das Duell gegen die Chinesen, auf die er sich so sehr vorbereitet hatte, blieb aus.
Persson von Ovtcharovs EM-Sieg überzeugt
Auch bei der derzeit laufenden Europameisterschaft in Jekaterinburg wird das Duell mit China ausbleiben. Zwangsläufig. Ovtcharov, die Nummer fünf der Welt, ist amtierender Champion und will den Titel verteidigen. „Dima hat die Power und Geschwindigkeit, die man auf Weltniveau braucht, aber er muss den nächsten Schritt machen“, meint der Schwede. „Es ist ein langer Prozess, du brauchst Fantasie.“ Ovtcharov steht unter Beobachtung: „Alle lesen sein Spiel, wollen ihn schlagen, da muss er überraschen können. Es geht um Kleinigkeiten – vor allem gegen China.“
Wenn Ovtcharov ab Donnerstag im EM-Einzel startet, wird Persson nicht vor Ort sein. „Wir telefonieren, bei Rossi ist er gut aufgehoben.“ Bundestrainer Jörg Roßkopf und der Schwede sind alte Weggefährten. Als Persson 1989 in Dortmund Team-Weltmeister wurde, siegte Roßkopf mit Steffen Fetzner im Doppel. Heute haben beide ein Ziel: Ovtcharov jubeln zu sehen.
Knieoperation stoppt Timo Boll
Dass dies bei der EM gelingt, daran zweifelt Jörgen Persson nicht. „Europameister zu werden, ist leichter“, sagt er lachend. Natürlich kennt Dimitrij Ovtcharov alle seine Gegner aus Europa. Einer seiner ärgsten Konkurrenten wird aber nicht dabei sein: Timo Boll. Eine Knieoperation hat den deutschen Topstar gestoppt.
Doch Ovtcharov arbeite ohnehin nicht daran, den Rekord-Europameister zu übertrumpfen. „Das ist wie bei mir und Waldi früher“, sagt Persson und meint Jan-Ove Waldner, den noch etwas größeren Star aus Schweden. „Ich war immer hinter ihm die Nummer zwei. Aber 1991 war ich es, der Einzel-Weltmeister wurde.“ Ein zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht. „Wir haben viel voneinander gelernt, das machen Timo und Dima auch. Aber sie gehen beide ihren eigenen Weg.“
Auf diesem will Persson Ovtcharov begleiten. Auch, wenn er dafür mal auf der Couch schlafen muss.