Große Augenblicke im Zeichen der fünf Ringe: Von heute an blicken bis zum Beginn der Olympischen Spiele in London in loser Folge zurück auf zehn besondere Momente, die in Erinnerung bleiben. Es gab Titel und Triumphe, deutsche Helden, aber auch Enttäuschungen und Skandale.
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In genau zwei Wochen beginnen die Olympischen Sommerspiele in London, das größte Sportereignis der Welt, mit rund 10 000 Athleten, die sich in 302 Wettbewerben messen.
Es sind die XXX. Olympischen Spiele der Neuzeit – und Olympia hat uns viele besondere Augenblicke beschert.
Titel und Triumphe, deutsche Helden, aber auch Enttäuschungen und Skandale. Von heute an blicken wir bis zum Beginn der Spiele in London in loser Folge zurück – im ersten Teil auf zehn besondere Momente, die in Erinnerung bleiben – weil sie mehr bedeuten als Gold, Silber, Bronze.
Olympia 2000 in Sydney: Cathy Freeman symbolisiert die Versöhnung Australiens
Cathy Freeman sollte mehr sein als die weltbeste 400-Meter-Läuferin. Bei den Millennium-Spielen in Sydney symbolisierte die Australierin, eine Aborigine, die Sehnsucht nach Versöhnung zwischen den Ureinwohnern und den Nachkommen der weißen Einwanderer. Ganz Australien schaute auf Freeman. Erst als sie das Olympische Feuer entzündete, dann bei ihrem Goldlauf über 400 Meter. Freeman schultert den unglaublichen Erwartungsdruck. Ihre Spikes sind in den Farben ihres Stammes gestaltet, ihr Körper steckt in einem grünen Einteiler. Als Höhepunkt der Symbolik feiert sie ihren Sieg sowohl mit der Fahne der Aborigines als auch mit der australischen Flagge. Und das ganze Land jubelt.
Olympia 1936 in Berlin: Der farbige Jesse Owens und der Deutsche Luz Long zeigen Menschlichkeit
Jesse Owens aus den USA ist der Star der Spiele. Der afroamerikanische Leichtathlet, der vier Goldmedaillen gewinnt, widerlegt die wirren Thesen der Nazis von der Überlegenheit der arischen Rasse. Dass nicht alle Deutschen unbeirrt dem braunen Gedankengut folgen, zeigt Luz Long. In der Weitsprung-Qualifikation steht der Deutsche dem US-Amerikaner mit Ratschlägen zur Seite, weil er Schwierigkeiten mit dem Anlauf hat. Im Finale ist Owens nicht mehr zu schlagen. 8,06 Meter bedeuten Weltrekord und Olympiasieg vor Long (7,87). Zum Ärger von Hitler zeigen sich Owens und Long als gute Freunde, die miteinander scherzen und Arm in Arm durch das Stadion gehen.
Olympia 1972 in München: Wilfried Dietrich zeigt, dass Kleine auch die Großen schlagen können
Es ist das klassische David gegen Goliath: Wilfried Dietrich, der Ringer-Olympiasieger von 1960, aber mit 38 Jahren längst im Herbst seiner Karriere, trifft auf Chris Taylor, genannt das „Riesenbaby“. Der US-Amerikaner bringt mehr als 200 Kilo auf die Waage – und Dietrich schaut gegen eine Mauer aus Fleisch, als er im griechisch-römischen Stil in Runde eins auf Taylor trifft. Doch dann zeigt der Pfälzer, warum er „der Kran von Schifferstadt“ genannt wird. Dietrich umfasst Taylor, hebt ihn tatsächlich hoch und schultert ihn mit einem spektakulären Überwurf. Ein Bild, das um die Welt geht. Und Dietrich zur Legende macht – auch wenn ihm in München ein Happy End versagt ist. Er verpasst eine Medaille — und beendet seine internationale Karriere.
Olympia 1972 in München: Das schreckliche Attentat und das Ringen um die richtige Reaktion
Es waren fünf Worte, mit denen der IOC-Präsident Avery Brundage an diesem 6. September 1972 die olympische Idee auf seine Art verteidigte. Während der Trauerfeier für die elf von palästinensischen Terroristen ermordeten Israelis sprach der US-Amerikaner seine Botschaft ins stille, von tiefer Trauer beschwerte Rund des Olympiastadions: „The Games must go on“. Die Spiele müssen weitergehen – und das Publikum spendete lauten, dankbaren Applaus. Und die Spiele gingen seither weiter. Immer weiter.
Olympia 1992 in Barcelona: Das „Dream Team“ zeigt die Professionalisierung des Sports
Nach dem Wegfall des überholten Amateur-Paragrafen treten die USA erstmals mit allen Stars aus der Basketball-Profiliga NBA an. Das „Dream Team“ um Michael Jordan, Magic Johnson, Larry Bird, Scottie Pippen oder auch Charles Barkley deklassiert die Konkurrenz nach Belieben. Beim ersten Spiel gegen Angola (116:48) machen die Gegner lieber Fotos von den Weltstars statt sich aufs Spiel zu konzentrieren. Im Finale besiegen die US-Boys dann Kroatien mit 117:85 – und erhalten die höchsten Weihen. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch persönlich überreicht den Multi-Millionären die Goldmedaillen.
Olympia 1996 in Atlanta: Muhammad Ali entzündet das Feuer – das Bild des kranken Boxers ist ergreifend
Er ist Olympiasieger, ein Idol, er nannte sich „The Greatest“: Muhammad Ali, unter seinem Geburtsnamen Cassius Clay 1960 Olympiasieger, ist eine Ikone. Sein Name steht für Eleganz und Wucht, Willenskraft und strahlende Jugend. Und dann erscheint dieser Ali, schwer gezeichnet von der Parkinson’schen Krankheit, zitternd im weißen Dress, im Olympiastadion von Atlanta – und entzündet das Olympische Feuer. Es ist einer der wohl anrührendsten, bewegendsten, menschlichsten Augenblicken in der Geschichte Olympias. Der Größte war noch einmal ganz groß.
Olympia 2008 in Peking: Matthias Steiner rührt mit der Erinnerung an seine tote Frau zu Tränen
Gewichtheber Matthias Steiner wird im Superschwergewicht zum stärksten Mann der Welt, wuchtet im letzten Versuch 258 Kilogramm empor – und gewinnt Gold. Doch der besondere Augenblick des gebürtigen Österreichers kommt bei der Siegerehrung. Steiner steht auf dem Podium – und zeigt ein Foto seiner rund ein Jahr zuvor tödlich verunglückten, deutschen Frau Susann. Tränen fließen nicht nur beim Olympiasieger, sondern auch bei den Zuschauern. Keiner denkt an Gold, Geld und Ruhm, alle denken an diese Frau, deren Leben im Alter von nur 23 Jahren tragisch endete.
Olympia 1968 in Mexiko: Tommie Smith macht die Siegerehrung zu einem Politikum
Seine Zeit, seinen Weltrekord über die 200 Meter hat jeder vergessen – die Geste des Olympiasiegers Tommie Smith aus den USA und seines Kollegen John Carlos (Bronze) bei der Siegerehrung aber ging um die Welt. Die beiden farbigen Amerikaner reckten auf dem Podium die schwarz behandschuhte rechte Faust empor – das Zeichen der Black-Power-Bewegung, die gegen die Unterdrückung der Afroamerikaner protestiert. Eine Geste mit Folgen: Der US-Verband suspendierte das Duo – auf Druck des IOC – noch am selben Abend und schickte die Athleten nach Hause.
Olympia 1964 in Tokio: Willi Holdorf gewinnt Gold – und der unterlegene Rein Aun hilft ihm auf die Beine. Eine Geste der Fairness.
Willi Holdorf torkelt beim 1500-Meter-Lauf ins Ziel. 18 Sekunden Vorsprung hat der Zehnkämpfer vor der letzten Disziplin. Sonst ist der Traum vom Gold geplatzt. Rein Aun ist ein starker Läufer, Holdorf nicht, aber ein umso größerer Kämpfer. Zehn Meter vor dem Ziel beginnt Holdorf zu taumeln. Er rettet sich ins Ziel und wird von Aun aufgefangen. Eine außergewöhnliche Geste des Esten. Ein Vertreter der Sowjetunion stützt den kapitalistischen Klassenfeind. Und das auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges.
Olympia 1980 in Moskau: Die Boykott-Spiele erleben ein Hockey-Wunder durch Simbabwe
Olympia erreicht eine neue Dimension – als politisches Macht-Instrument. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan boykottiert der Westen (auch die BRD) die Spiele. Dafür ist die frühere britische Kolonie Rhodesien, aufgrund der praktizierten Rassendiskriminierung lange ausgeschlossen, wieder dabei. Und das Land, das nun Simbabwe heißt, sorgt für eine der größten Sensationen der Olympia-Historie. Die Hockey-Damen aus Afrika, in einem Transportflugzeug für Fleisch (und ohne Sitze) nach Moskau geflogen, hatten noch nie zuvor auf Kunstrasen gespielt, besaßen nicht einmal passende Schuhe – aber sie gewannen Gold. Ein einmaliger Erfolg für das junge, unabhängige Land. Seither nahm das Team nie wieder an Olympia teil.