Der Mann hat richtig Ahnung vom Skifahren. Schon vor drei Wochen wagte Hansjörg Tauscher in einem WAZ-Gespräch während des Ski-Spektakels in Kitzbühel einen Siegertipp für die Abfahrt bei den Weltmeisterschaften in Garmisch.
Garmisch-Partenkirchen.
Der Mann hat richtig Ahnung vom Skifahren. Schon vor drei Wochen wagte Hansjörg Tauscher in einem Gespräch mit dem Reporter dieser Zeitung während des Ski-Spektakels in Kitzbühel einen Siegertipp für die Abfahrt bei den Weltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen: „Der Innerhofer Christof, der kann es schaffen auf der Kandahar.“ Im Super-G raste Christof Innerhofer aus Südtirol bereits am Mittwoch zum Gold, am Samstag könnte er in der Abfahrt den endgültigen Beweis für Tauschers phänomenale Tipp-Qualitäten liefern.
Wer anders als Tauscher sollte sich im Ski-Zirkus besser auskennen mit Außenseitern? Kürzlich listete ein österreichisches Sport-Magazin die zehn größten Überraschungen bei Ski-Weltmeisterschaften auf. Unangefochtene Nummer eins: das „One Hit Wonder“, das Ein-Tages-Wunder, Hansjörg Tauschers Ritt durch die Rattle Snake Alley. Mittlerweile ist sein Parforce-Stück in der Klapperschlangengasse schon 22 Jahre her. Auf der brutal eisigen Piste in Vail wurde er 1989 Weltmeister in der Abfahrt. Vor vier viel höher eingeschätzten Schweizern und vor allen Topfavoriten aus Österreich.
Obwohl kein deutscher Skirennläufer nach ihm einen WM-Titel holte, ist Tauscher eher ein vergessener Weltmeister. Nur wenn eine WM ansteht, wird an seine Fahrt zum Gold erinnert. Der heute 43-jährige Tauscher lebt mit seiner Freundin und den beiden Kindern in Oberstdorf. Zwei Ferienwohnungen vermietet er an Urlauber, die eine heißt „Colorado“, die andere als Reminiszenz an den Ort seines größten Erfolges in Colorado „Vail“. Sein Geld verdient er aber hauptsächlich als Polizeihauptmeister auf der Wache seiner Heimatstadt. Was sind seine Aufgaben? „Ein bayerischer Polizist muss alles können“, sagt Tauscher und lacht laut auf. Er sei meist ein ziemlich lustiger Typ, sagt er. Das habe er wohl von seinem Vater geerbt. Und wenn Tauscher einmal anfängt von seinem ersten Leben als Rennläufer zu erzählen, dann sprudeln die Worte von seinen Lippen, dann gibt er seinen Sätzen buchstäblich mit Händen und Füßen zusätzliches Gewicht. #Reich im Sinne von vermögend ist er nicht geworden. Aber neben den dicken Oberschenkeln sei ihm etwas anderes geblieben, eine ideelle Form von Reichtum. Erinnerungen. Natürlich hätte er sich nicht gewehrt, wenn er sein Gold hätte besser versilbern können. „Aber jede Kraft hat seine Gegenkraft“, sagt er, „ich werde nicht überall erkannt, kann mein Leben leben. Es muss einem auch das Naturell gegeben sein. So wie der Markus Wasmeier. Der kann so schön bayerisch reden. Wir aus dem Allgäu haben so einen brösigen Dialekt. Uns versteht man ja kaum.“
Und so gibt er sich Mühe, dem Flachländler auf Hochdeutsch zu erklären, wie er damals den Rodeo-Ritt durch die Rattle Snake Alley von Vail gemeistert hat. „Ich sag dir jetzt mal etwas, was ich noch keinem erzählt habe“, holt er aus, „mein Techniker Schorsch Schlossberger und ich haben uns bei den eisigen Temperaturen von minus 20, 30 Grad etwas Besonderes einfallen lassen. Ich bin die Ski zweimal eingefahren. Dann hat er die Bretter noch mal mit Extra-Wachs präpariert.“ In der Klapperschlangengasse, einer bobbahn-ähnlichen S-Kurve, wählte Tauscher mit seinen Super-Ski die ideale Linie und machte die Sensation perfekt. „Nein, nicht Sensation“, sagt Tauscher und wird fast ärgerlich, „das ist der falsche Begriff. Ich bin auch kein Hans im Glück. Allein schon, weil ich Hansjörg heiße und in einem Wort geschrieben werde. Ich bin immerhin 14 Mal in die Top Ten gefahren und war auch Olympiasiebter. Ich war der Überraschungs-Weltmeister. Den Titel kann mir keiner mehr nehmen.“