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Triathlet Andreas Raelert quält sich ein Jahr lang für einen Tag

Triathlet Andreas Raelert quält sich für einen Tag

Der Rostocker hat sich ein ganz großes Ziel gesetzt: Er will möglichst schon in diesem Jahr den legendären Ironman auf Hawaii gewinnen. Bislang wurde er dabei zweimal Zweiter und zweimal Dritter. Raelert wird unterstützt von einem familieneigenen Triathlon-Unternehmen.

Palma de Mallorca. 

Drei Barhocker stehen auf der mit Holzbohlen ausgekleideten Bühne. Darunter liegt ein blauer Teppich, der direkt in ein Ironman-Zieltor führt. Das wiederum steht im Rücken von Andreas Raelert und Daniel Unger, die sich im Club Pollentia an der Nordostküste Mallorcas einer sportiv gekleideten Meute Gleichgesinnter stellen. „Was macht ihr, wenn es euch im Rennen richtig dreckig geht?“, will jemand wissen. „Ich denke an die nächste Verpflegungsstation“, antwortet der Hawaii-Zweite Raelert und lacht.

Profitalk nennt sich die Veranstaltung in diesem Triathleten-Trainingscamp, bei der Amateure ihren gestählten Heroen Löcher in den flachen Bauch fragen können. Es ist eine überaus unterhaltsame Plauderstunde über eine boomende Sportart, in der bislang aber gerade die Besten genug verdienen, um davon wirklich leben zu können. Thomas Dieckhoff, der neue Europa-Chef der Marke Ironman, findet das nicht wirklich gerecht, denn er vergleicht die Spitzenkräfte mit Spitzenmanagern; weil hier Typen mit eigenwilligem Intellekt, besonderem Organisationstalent und enormer Belastbarkeit unterwegs seien.

Mentale Kraft ist unerlässlich

Nur wer in dieser körperlich grenzwertigen Dreifachbelastung über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen auch geistige Härte mitbringt, kann am Ende vorne landen. „Ich bin jedesmal wieder überrascht, wie viel mentale Kraft erforderlich ist“, gesteht Raelert ein, der auf der aktuell von Radfahrern und Triathleten aller Couleur bevölkerten Baleareninsel vor allem aus PR-Zwecken ein verlängertes Wochenende verbringt. Dummerweise hat ein Wintereinbruch dafür gesorgt, „dass ich beim Landeanflug dachte, ich komme in den Alpen an“.

Seit vier Jahren quält sich der Rostocker auf der Langdistanz; beim mythenumwobenen Ironman Hawaii ist der 36-Jährige zweimal Zweiter und zweimal Dritter geworden. Doch Sportgeschichte schreiben nur Weltmeister, und das weiß der 1,84-Meter-Modellathlet nur zu gut. Auch deshalb macht sich Raelert in diesem Wettkampfjahr auf deutschem Boden eher rar: Dem über die Halbdistanz führenden Saisoneinstieg beim Ironman auf Mallorca (11. Mai) folgt die Teilnahme am Ironman Klagenfurt (30. Juni) und nicht etwa die an dem bestens besetzten Ironman Frankfurt (7. Juli). Für Frankfurt lässt Andreas Raelert seinem vier Jahre jüngeren Bruder Michael den Vortritt, der sich in die Passion noch ein Stück mehr verbissen hat – gegeneinander treten die „Raelert-Brothers“ nur auf Hawaii an.

Unterstützung für das Geschwisterduo leistet künftig auch der dritte Raelert-Bruder, der bislang nur dem Verwandten- und Freundeskreis in Mecklenburg-Vorpommern bekannt war. Sven-Peter Raelert, 33, gibt seinen Job als IT-Techniker auf, um sich für das familieneigene Triathlon-Unternehmen einzubringen, dem auch Andreas Raelerts Lebensgefährtin Julia Böttner dient. Und die ihren Partner übrigens mehr als 300 Tage im Jahr nicht zu Gesicht bekommt.

Gigantisches Trainingspensum

Demnächst reisen die Raelerts wieder gemeinsam für mehrere Wochen nach Boulder im US-Bundesstaat Arizona. Noch so ein Triathleten-Treff. Dabei wird ein Pensum abgespult, bei dem Fußballer vor Scham unter der Rasendecke versinken müssten. 600 bis 800 Kilometer auf dem Rad, 100 bis 150 Kilometer beim Laufen, 15 bis 25 im Schwimmbecken. Woche für Woche. Reine Trainingszeit: mehr als 40 Stunden. Und das alles dafür, dass in den zwei wirklich wichtigen Wettkämpfen des Jahres „ein kurzer Arbeitstag“ herauskommt, wie Andreas Raelert sagt.

Seine Bestzeit auf der Langdistanz, die 7:41:33 Stunden 2011 beim Challenge Roth, der Ironman-Konkurrenzserie, sind bis heute unerreicht. Für die Tortur auf Hawaii am 12. Oktober darf er nicht viel mehr als 20 Minuten langsamer sein. „Dort zu gewinnen, wird Jahr für Jahr nicht einfacher“, erklärt der beste Deutsche, „ich kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.“ Andreas Raelert lässt indes keinen Zweifel dran: Er gibt erst Ruhe, wenn er in Kona als Erster auf dem roten Teppich einläuft. Und das Zieltor statt im Rücken vor Augen hat.