Mülheim.
Der Hockeysport hat sich gewandelt. Dank seiner herausragenden Talentförderung kann Uhlenhorst Mülheim dennoch mit neureichen und protzenden Klubs konkurrieren und erstmals seit 1997 wieder von der Deutschen Meisterschaft träumen.
Der Duft des Erfolgs ist auf drei mal vier Metern konserviert und dringt unaufhaltsam in die Nase derer, die das Geschäftszimmer im Klubhaus von Uhlenhorst Mülheim betreten. Ein Aktenschrank, ein Schreibtisch mit Computer und Schreibmaschine sowie Bilder auf vergilbter Tapete zeugen vom Ruhm des Feldhockey-Rekordmeisters. Im Gegensatz zum renovierten Gastronomiebereich ist hier, hinter der Türe rechts von der Theke, die Zeit stehen geblieben.
Vor dem Kunstrasen, auf dem die Uhlenhorster in den 80er- und 90er-Jahren bei Deutschen Meisterschaften und neun Europapokal-Siegen in Folge brillierten, hat der Fortschritt keinen Halt gemacht. Zwischenzeitlich in der 2. Liga verschwunden, sind die Uhlen nun aber wieder ein Titelkandidat. Und das mit einem Konzept beispielloser Talentförderung, das Romantiker befriedet als Gegenentwurf zu protzenden und neureichen Vereinen wie Rot-Weiss Köln oder den Mannheimer HC ansehen.
„Zum Glück hat Hockey in Mülheim einen großen Stellenwert“ Related content
Wenn Wolfgang Bruckmann und seine Vorstandskollegen die Vereinsgeschicke leiten, dann vorne im Klubhaus und nicht im Geschäftszimmer. „Der Raum hinten ist zu eng“, sagt der 54-Jährige, früher Meister-Trainer, heute Geschäftsführer. An ein Investitionspotenzial wie das der Mannheimer mag er nicht denken. Die Kurpfälzer gelten als Kopie der TSG Hoffenheim – der seit 2008 erstklassige MHC ist unter Hockeyspielern ähnlich beliebt wie Dietmar Hopps Lieblingsspielzeug bei Fußball-Fans. Aus einer Stiftung bezahlen sie sechs hauptamtliche Trainer, bauen eine Halle, ein Klubhaus, gar einen überdachten Kunstrasen fürs Wintertraining.
Bescheiden wirken da die Mülheimer Möglichkeiten. Im „unteren sechsstelligen Bereich“ befindet sich der Etat für das Bundesliga-Team. „Der Uhlenhorst lebt von einem Kollektiv der Mülheimer Wirtschaft“, erklärt Bruckmann, „zum Glück hat Hockey hier so einen großen Stellenwert. In Hamburg oder München könnten wir nicht existieren.“
Im Bentley zum Halbfinale
Zumal die Spieler immer fürstlicher entlohnt werden. Christopher Zeller gilt als bester deutscher Spieler und ist einer von sieben Olympiasiegern von 2008, denen bei Rot-Weiss Köln exzellente Berufsaussichten vermittelt wurden und die im Gegenzug die Meisterschaft holten. Zeller ist im vergangenen Jahr in einem Bentley zum Halbfinale in Mülheim vorgefahren. Die Mannheimer, so erzählt man sich, sollen Stürmerstar Matthias Witthaus ein fast fünfstelliges Monatsgehalt zahlen.
Ein Mittwochabend in Mülheim, die „Dollen Eulen“, Uhlenhorster Legenden, spielen Hockey und lassen am Tresen die Vergangenheit aufblühen. Calle Fischer stammt noch aus einer Ära, in der Hockeyspieler für die Meisterschaft Currywurst, Pommes und zehn Pils bekamen. „Wir haben eher noch draufgezahlt als etwas herausbekommen“, erinnert sich der Olympiasieger von 1992. Es sei okay, mit dem Sport zu verdienen. Dennoch mahnt der Orthopäde: „Die gehen irgendwo hin, haben keinen Beruf, studieren vielleicht und kriegen Geld. Und was kommt danach?“
Vier hoffen auf Olympia
Ein Frage, mit der sich auch André Henning auseinander setzt. Der 27 Jahre alte Trainer des Bundesligisten formt mit Jugend-Chefcoach Arnd Herzbruch aus Talenten zahllose Jugendnationalspieler, die später den Angeboten finanziell potenterer Verein widerstehen sollen. „Wir müssen uns die Zellers und Witthaus’ selbst kreieren“, sagt Henning.
Viele seiner Spieler haben Meistererfahrung. Denn wer sich als Kind die Vereinskluft – grüne Hose, weißes Trikot – zulegt, hat nahezu sicher einen Meister-Titel. Der HTC Uhlenhorst lehrt einen Siegeswillen, mit dem Erfolge schon früh machbar sind. Vier Eigengewächse hoffen nun auf die Nominierung für Olympia 2012 in London.
So auch Tobias Matania. Dem U-21-Weltmeister ist es aber auch wichtig, mit den Teamkameraden von Kindheitstagen an in der Bundesliga Meister zu werden. „Wir bauen ein Team, das vielleicht eines Tages ähnlichen Erfolg wie die Goldene Generation haben kann“, sagt der 20-Jährige. Mit Sven Meinhardt hat Matania seit wenigen Tagen einen neuen Co-Trainer, der 1997 noch selbst zum letzten Titelgewinn beigetragen hat. „Vielleicht erzählt er uns mal davon“, hofft Matania. Zum Beispiel im Klubhaus, wo jüngst ein alter Tisch wieder aufgestellt wurde, an dem sich einst legendäre Meisterfeiern zugetragen haben.