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Bochum: Bürgergeld-Empfänger und Obdachlose wegen Aktion zu Tränen gerührt – „Fängt viel ab“

In Bochum sind Obdachlose, Rentner und Bürgergeld-Empfänger von einer Aktion ganz gerührt. DER WESTEN war dabei.

Kältehilfe Bochum
© Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Kältehilfe Bochum - Ehrenamtliche im Dienst

Die ASB-Kältehilfe Bochum versorgt Bedürfte mit warmer Kleidung und Essen. DER WESTEN hat sie begleitet.

Ein festes Dach über dem Kopf, ein geregeltes Einkommen und jeden Tag eine warme Mahlzeit – so sieht für die meisten Menschen in Deutschland die Normalität aus. Auch für mich. Es ist fast schon selbstverständlich, doch dank meines Berufs durfte ich bereits Menschen kennenlernen, die mich eines Besseren belehrten.

Oftmals sind es Schicksalsschläge, die das Leben plötzlich völlig auf den Kopf stellen können. Menschen rutschen auf einmal ins Bürgergeld ab oder landen sogar auf der Straße. Um solchen Menschen weiterhin eine Perspektive bieten zu können, gibt es Hilfsorganisationen wie UNICEF, Johanniter oder den Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB).

Und auf ihre Hilfe kommt es auch im Winter, wenn draußen Minusgrade sind, ganz besonders an. Im Rahmen meines Projekts „Ein Tag im Leben von …“ durfte ich die Gründerin der ABS-Kältehilfe Bochum, Nicole Brandenburg, und ihr Team für einen Abend begleiten.

Mit der Kältehilfe Bochum unterwegs

Bevor es jeden Dienstag um 18 Uhr zum Hauptbahnhof Bochum geht, werden erstmal die Klamotten, die durch Sach- und Geldspenden zusammenkommen, in den Transporter gepackt. Auf dem Weg holen wir noch das Essen von Köchin Monika von der Speisekammer ab. An diesem Tag gibt es „weißen Bohneneintopf mit Rindswurst“. Als wir ankommen, sind es knapp 1 Grad und es dauert nicht lange, bis die ersten Bedürftigen eintrudeln.

„Ich hatte auf jeden Fall am Anfang Berührungsängste. Aber der erste Einsatz, wenn du da draußen bist, dann ist alles weg. Dann ist da nur noch der Mensch und der ist genauso wie du. Es wird ja niemand obdachlos geboren. Und wenn du dir die Geschichte dazu anhörst, dann kannst du es nachvollziehen“, erklärt Nicole Brandenburger.

Birgit erzählt von ihrer traurigen Geschichte

Auch ich taste mich zunächst behutsam an die Bedürftigen ran. Ich möchte sie nicht verschrecken, oder dass sie sich unwohl fühlen. Dank der dicken Jacken mit dem „Kältehilfe“-Logo nehmen mich die Menschen als eine neue Helferin wahr. Ohne dass ich bereits einen Handschlag gemacht habe, kommt Birgit Hofmann auf mich zu und bedankt sich. „Toll, dass ihr da seid. Vielen Dank!“, sagt sie und lächelt mich mit feuchten Augen an. Viele Menschen nach ihr tun es der 61-Jährigen gleich, sodass der Bann schnell gebrochen ist und wir ins Gespräch kommen.

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Birgit schiebt einen Trolley vor sich her – darin befindet sich ihr ganzes Hab und Gut. Ein paar Klamotten, etwas zu trinken und ein Schminktäschchen. Birgit ist es wichtig, dass sie nicht dreckig und ungepflegt aussieht, auch wenn sie seit anderthalb Jahren auf der Straße lebt. „Mein Vermieter hat mich wegen Eigenbedarf einfach rausgeschmissen, seitdem habe ich keine Wohnung mehr. Meistens schlafe ich in einem Obdachlosencontainer“, berichtet die 61-Jährige. Auch auf dem Boden vor dem Hauptbahnhof hat sie bereits geschlafen, doch den Platz meidet sie seit einem traumatisierenden Vorfall. „Ich war am Schlafen und plötzlich haben Jugendliche auf mich eingetreten und eingeschlagen – einfach so. Zum Glück hat ein Mann irgendwann den Notruf gewählt, ich wurde erst im Krankenhaus wieder wach.“  

Kältehilfe Bochum
Birgit Hofmann und Nicole Brandenburger von der ASB-Kältehilfe Bochum. Foto: Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Auch ihr Handy mit all ihren Kontakten sei ihr geklaut worden, weshalb ihr Sohn wahrscheinlich nicht einmal wisse, dass sie auf der Straße lebt. Die Hoffnung auf eine eigene Wohnung habe sie noch nicht aufgegeben, doch viele Vermieter würden mit Vorurteilen auf sie herabsehen. Bis dahin ist Birgit Hofmann dankbar über die nette Aktion der Kältehilfe Bochum. „Dadurch, dass es so nette Leute gibt, fängt es viel ab. Es kommen ja auch nicht nur Obdachlose hier her, sondern auch Menschen mit wenig Geld, die sonst nicht über die Runden kommen“, erklärt sie.

Obdachlose, Rentner und Bürgergeld-Empfänger – jeder wird gesehen

Christoph Nits ist einer von ihnen. Der Früh-Rentner schlürft gerade seine heiße Tasse Kaffee. „Mit der Grundsicherung komme ich nicht weit, deshalb bin ich froh, dass es die Hilfsorganisationen gibt“, bestätigt er im Gespräch mit mir. Und weiter: „Es geht ja nicht nur darum, sich den Bauch vollzuschlagen oder ein paar Socken und eine Unterhose zu kriegen. Ich freue mich einfach David oder Beate zu sehen, sodass wir ein bisschen quatschen. Das Zwischenmenschliche ist ganz wichtig.“


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Neben Obdachlosen und Rentnern nehmen auch Bürgergeld-Empfänger das Angebot gerne an. Für das Team der Kältehilfe Bochum spielt es keine Rolle, sie hinterfragen oder unterscheiden nicht. Es wird zwar stets darauf geachtet, dass jeder etwas bekommt, doch die Bedürftigen kriegen bei Bedarf auch zwei oder drei Teller Eintopf. Hauptsache für den Moment wird jeder satt. Um sicher zu gehen, dass niemand vergessen wird, suchen wir die Obdachlosen auch an ihren bekannten Aufenthaltsorten rund um den Bahnhof auf.

Nach rund einer Stunde spüre ich meine Zehen kaum mehr und trotz dicker Winterklamotten sind alle meine Glieder durch die Kälte steif geworden. Während ich mich schon bald wieder zuhause mit einer funktionierenden Heizung in eine dicke Decke einwickeln kann, weiß ich, dass viele der Bedürftigen noch weitere eisige Stunden vor sich haben. Umso mehr tröstet es mich, dass ich auch weiß, dass die Kältehilfe Bochum auch nächste Woche Dienstag wieder an selber Stelle stehen und den Menschen neben etwas warmen Essen, sowie warmen Klamotten auch ein paar warme Worte da lassen wird.

Interessierte, die gerne als Ehrenamtliche die Kältehilfe Bochum unterstützen wollen, können sich unter ehrenamt@asb-bochum.de melden. Sachspenden werden nur nach Absprache angenommen. Geldspenden nimmt der ASB unter folgendem Link entgegen.