Über sie wurde als „Ampel-Rebellin“ berichtet: Grünen-Politikerin und Sozialarbeiterin Cansin Köktürk aus Bochum. Auf dem Länderrat ihrer Partei ging sie im Oktober hart mit den Koalitionsverhandlungen ins Gericht und hielt der Grünen-Spitze eine Standpauke.
Nun wollte Köktürk einen aussichtsreichen Listenplatz für die kommende NRW-Landtagswahl 2022 ergattern, ohne Votum ihres Kreisverbandes Bochum – deswegen kam es jetzt zu einem Eklat auf dem Parteitag!
Politikerinnen aus Bochum trugen ihren Streit auf offener Bühne aus. Anschließend ging es sogar im Netz noch weiter.
Bochum: Mobbing-Eklat um Grünen-Politikerin auf Parteitag – „Deine hasserfüllten Fragen“
In ihrer Bewerbungsrede präsentierte sich Cansin Köktürk als eine Politikerin, die sich vom Einheitsbrei ihrer Partei abhebe und für radikalen Humanismus einsetze. Rund ein Jahr nach ihrem Parteieintritt habe sie „begriffen, wie Politik läuft“. Man brauche eine Lobby und müsse sich über Jahre ein Netzwerk aufbauen. Das habe sie sich alles anhören müssen. „Ich dachte nur: Nein, muss ich nicht! Für mich funktioniert Politik nicht so.“
Köktürk halte nichts „von Fraktionszwang und festgesetzen Parteistrukturen“. Sie halte etwas von kompetenten Menschen, „die Politik für Menschen machen und nicht für die Karriere“.
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Zudem beklagte Köktürk, keine ausreichende Rückendeckung und Solidarität aus den eigenen Reihen gegen rechte Hetzer erfahren zu haben.
Mobbing-Vorwürfe von Bochumer Kandidatin auf Parteitag der Grünen
Nach ihrer Bewerbungsrede auf dem Online-Parteitag kamen Fragen der Delegierten rein. Hier kam es dann zum Eklat!
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Stadträtin Sonja Lohf aus dem Kreisverband Bochum stellte der Kandidatin folgende Frage: „Der Kreisverband Bochum und Wattenscheid hat sich gegen dich als Direktkandidatin entschieden. Der Ruhrbezirk hat sich gegen dich als Votenträgerin entschieden. Und auch als Delegierte zu diesem Parteipartei wollte dich dein eigener Kreisverband nicht wählen. Wieso sollte dir die LDK (Anmerk. der Red.: Landesdelegiertenkonferenz) das Vertrauen nun für einen Listenplatz aussprechen, wenn dein eigener Kreis-/Bezirksverband das nicht tut?“
„Mobbing-Erfahrungen“ im Kreisverband der Grünen Bochum?
Cansin Köktürk reagierte geladen und adressierte Sonja Lohf direkt: „Es ist ganz witzig, dass du sogar bis hierhin deine hasserfüllten und passiv-aggressiven Fragen stellst.“
Dann der nächste Hammer: Köktürk spricht über „Mobbing-Erfahrungen“, die sie in ihrem Kreisverband machen musste. Sie habe das eigentlich nicht erwähnen wollen, um den Bochumer Kreisverband zu schützen.
„Aber wenn du jetzt schon so direkt fragst – ja, ich stelle mich trotzdem hier hin, weil ich gesagt habe, dass ich gegen das Votensystem bin und vor allem dagegen, dass viele gar nicht Bescheid wissen, wie das alles funktioniert und die Parteistrukturen.“
Politische Inhalte seien wichtig – „unabhängig von euren Freundschaften, euren Netzwerken und alles drum und dran“.
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Mehr zur NRW-Landtagswahl 2022:
- Gewählt wird am 15. Mai.
- Erstmals tritt Hendrik Wüst als Ministerpräsident an.
- Laut aktuellen Umfragen wird seine bisherige schwarz-gelbe Landesregierung die Mehrheit verfehlen.
- Bessere Chancen, nächster Ministerpräsident zu werden, hat derzeit Thomas Kutschaty von der SPD.
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Auf Twitter eskaliert der Streit weiter: Bochumer Stadträtin wirft Köktürk Lüge vor
Auf Twitter eskalierte der Streit im Anschluss noch weiter. Cylia Ungar, ebenfalls Mitglied im Bochumer Stadtrat für die Grünen, unterstellte Köktürk bei ihrer Rede auf dem Parteitag hinsichtlich der Mobbing-Vorwürfe gelogen zu haben: „Ich war in Therapie, weil ich ein Opfer von Mobbing war, und es kotzt mich an, wenn Leute dieses Thema trivialisieren“, schrieb sie.
Für den bekannten linken Blogger und YouTuber Tilo Jung ist angesichts der öffentlichen Auseinandersetzung jedenfalls klar, dass die NRW-Grünen „ein massives Mobbingproblem“ haben.
Der Fortgang der politischen Karriere von Cansin Köktürk bei den Grünen scheint derweil ungewiss. Mit ihrer Kandidatur auf eigene Faust ist sie gescheitert. Es scheint, es gibt nun verbrannte Erde im Bochumer Kreisverband.