Bochum.
Im Fall des Herner Doppelmörders Marcel Heße wird am siebten Prozesstag vor dem Bochumer Landgericht erneut auf erschütternde Art und Weise klar, mit welch makaberen Mitteln Heße versucht hat, sich vor der Festnahme zu retten: Er gab sich tagelang für einen Toten aus.
Im Zeugenstand sitzt Manuel G. (30) aus Bochum-Langendreer. Im dunklen Anzug, die Haare trägt er mittellang. Er gehöre zur Gothicszene, sagt er.
Er war ein guter Freund von Christopher W. (22), Marcel Heßes zweitem Opfer. Mit Christopher war Manuel G. befreundet, seit der neun Jahre alt war. „Er war eher wie ein Bruder für mich“, sagt er vor Gericht.
Auch Heße selber kannte er – sie alle haben öfter das Kartenspiel „Yu-Gi-Oh!“ miteinander gespielt.
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Heße-Opfer Christopher W. war „eine kostbare Seele“
Christopher war ein sehr freundlicher, lustiger Mensch, erzählt Manuel G. im Gerichtssaal. Er habe Otto Waalkes zitiert, um andere zum Lachen zu bringen und sei generell immer äußerst hilfsbereit gewesen. „Er war eine kostbare Seele.“
Beim Sprechen versucht G., die Fassung zu wahren, doch es fällt ihm schwer. Zu unglaublich ist, was er nun erzählen wird:
Am Morgen des 8. März sprechen seine Kollegen auf der Arbeit vom Mord an dem kleinen Jaden aus Herne. Zwei Tage ist das Kind da schon tot, ermordet durch 52 Messerstiche.
Marcel aus Herne? Da kennt Christophers Freund einen
Auch der Name Marcel fällt. Marcel aus Herne? Da kennt Manuel G. doch einen. Heße heiße der mit Nachnamen. Eben der sei gesucht, lautet die Antwort der Kollegen.
Manuel G. ist völlig schockiert. Er denkt an den gemeinsamen Freund Christopher, versucht, ihn anzurufen. Erfolglos. Christopher liegt schon seit einem Tag tot in seiner Wohnung. Marcel Heße hat ihn dort regelrecht abgeschlachtet.
Nachrichten an Christopher geschickt
Manuel G. versucht es mit Text-Nachrichten. Wie es ihm gehe, was er mache und dass man sich unbedingt treffen müsse!
Das Unfassbare: Er bekommt Antworten. Vermeintlich von Christopher. Tatsächlich war es Marcel Heße, der sich als der tote Freund ausgab.
Ein Treffen sagt er direkt ab: „Muss das sein?“, antwortet Heße. „Ich kann nicht laufen, ich habe Beinschmerzen.“
Heße ist zu patzig, um als Christopher durchzugehen
Schon das kommt Manuel G. seltsam vor. So patzig hätte der freundliche Christopher nicht geantwortet, sagt er vor Gericht.
Trotzdem schlägt er nochmal ein Treffen vor, am 8. März um 17.30 Uhr am Hauptbahnhof in Bochum. Manuel G. geht mit seiner Freundin dorthin – Christopher W. erscheint natürlich nicht. Manuel G. geht jetzt zur Polizei. Dort sagt er aus, er kenne Marcel Heße flüchtig. Nach kurzer Vernehmung darf er wieder gehen. Doch das ungute Gefühl bleibt.
Marcel Heßes entscheidender Fehler
Deshalb schickt er später noch eine Nachricht an Christopher: „Warum meldest du dich nicht?“, fragt er den Freund. Die Antwort sollte seine Sicht auf die Dinge komplett verändern: „Ich habe meine PIN drei Mal falsch eingegeben und meine PUK vergessen.“
Klingt harmlos, sollte man meinen. Aber: Genau diese Antwort hatte Manuel G. schon mal bekommen, ein paar Wochen zuvor, auf eine ähnliche Frage. Der Absender: Marcel Heße.
Es schien seine Standard-Ausrede zu sein, wenn er keine Lust auf sozialen Kontakt hatte.
Manuel G. fährt erneut zur Polizei
Und dieses Zurückgreifen auf Standards hat ihn verraten. Manuel G. fällt es wie Schuppen von den Augen: Er fährt wieder zur Polizeiwache nach Bochum-Langendreer, will alles erzählen.
Doch als er dort sitzt, kommt schon die Durchsage im Polizeifunk: Heße ist gefasst. In der Wohnung um die Ecke brennt es, auch eine Leiche wurde dort gefunden.
Manuel G. ist klar: Sein Freund Christopher ist tot.
Manuel G. will sich die Fahrtkosten zum Gericht nicht erstatten lassen
Noch jetzt, ein halbes Jahr später, ist der junge Mann erschüttert. Nachdem er seine Aussage gemacht hat, will er sich die Fahrtkosten zum Gericht nicht erstatten lassen. Das erschütterte Publikum honoriert das.
Jeder im Saal weiß: In Manuel G. hatte Christopher W. einen guten Freund.