Hat die Polizei Dortmund den Brennpunkt Nordstadt aufgegeben? Haben Kriminelle hier jetzt Narrenfreiheit? Zu diesem Schluss könnte man nach den Aussagen von Geschäftsleuten kommen, die im Gespräch mit der „Bild“ Alarm geschlagen haben. Sie berichten, dass sie bei Notrufen in den vergangenen Monaten von der Leitstelle vertröstet worden seien, etwa weil es nicht genügend Streifenwagen geben solle. Dealer könnten vor ihren Läden in der Nordstadt unbehelligt Drogen verkaufen. Wer die Polizei rufe, gerate ins Visier der Kriminellen. Die Geschäftsleute fühlen sich nach eigenen Angaben alleingelassen.
Auch Beamte der Nordwache kommen in der Zeitung zu Wort. Sie berichten von Unterbesetzung und extremer Unsicherheit – vor allem nach dem Tod von Mouhamed D. (†16). Der senegalesische Flüchtling ist bei einem Polizei-Einsatz von Polizisten erschossen worden. Danach prasselte schwere Kritik auf die Beamten ein. Die Situation hat offenbar nachhaltige Spuren auf der Wache hinterlassen. Jetzt hat sich der Dortmunder Polizei-Chef Gregor Lange persönlich zu den Vorwürfen geäußert.
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Dortmund: Brennpunkt Nordstadt? So reagiert die Polizei
„Was im Wachbereich Nord im vergangenen Jahr passiert ist, steckt nicht jeder so einfach weg“, teilte Gregor Lange am Dienstag (23. Mai) mit und verwies auf den tödlichen Einsatz am 8. August des vergangenen Jahres. Es sei gut aus seiner Sicht verständlich, dass der Fall Unsicherheit auslöse, zumal sich fünf Beamte bald vor Gericht wegen des Einsatzes verantworten müssen. „Den Beamtinnen und Beamten, die im Wachbereich Nord täglich ihren Dienst versehen, wird viel abverlangt. Dessen bin ich mir absolut bewusst.“
Der Dortmunder Polizeipräsident betonte jedoch, dass er von den Beamten weiterhin erwarte, konsequent gegen kriminelle Strukturen vorzugehen „natürlich immer unter Nutzung rechtsstaatlicher Mittel und Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“, so der Dortmunder Polizeipräsident.
Dilemma bei der Polizei Dortmund
Lange sieht die Dortmunder Polizei in einer Pattsituation: „Die einen fordern von uns härteres Vorgehen. Von anderer Seite wird uns übertriebene Härte vorgeworfen.“ Deshalb sei ein Mix aus konsequentem Handeln und einem intensiven Dialog mit den Bürgern notwendig – und kein Entweder/Oder.
Der Polizeipräsident richtete sein Wort dann auch an die Geschäftsleute. Das Vertrauen in die Polizei habe für ihn oberste Priorität: „Wenn Menschen sagen, dass ihr subjektiv empfundenes Sicherheitsgefühl abgenommen hat, dann nehmen wir das sehr ernst und suchen das Gespräch“, so Lange, der schnellstmöglich einen Ortstermin mit Geschäftsinhabern rund um den Borsigplatz organisieren wolle.
Das sagt die Polizeistatistik in Dortmund
Der Dortmunder Polizei-Chef betonte aber auch, dass die Kriminalität in der Nordstadt zwischen 2014 und 2022 um 35 Prozent zurückgegangen sei. Besonders die Straßenkriminalität sei in dem Zeitraum um 75 Prozent gesunken. Aber: In den ersten vier Monaten dieses Jahres sei die Kriminalität im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent gestiegen.
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Deshalb habe die Polizei etwa im März dieses Jahres eine Videoüberwachung im Dietrich-Keuning-Park installiert. Dort war es zu immer mehr Drogen-, Körperverletzungs- und Raubdelikten gekommen. „Dass wir es in diesem Zuge mit einem gewissen Verdrängungseffekt in andere Bereiche zu tun haben werden, war und ist uns als Polizei bewusst“, erklärte Lange. Es gelte nun zu analysieren, wohin sich die Kriminalität verlagere. „Das müssen wir im Blick behalten und dafür gehen wir nun in den intensiveren Dialog auch mit der Anwohnerschaft sowie den Geschäftsleuten am Borsigplatz.“