Vor wenigen Wochen galten die Grünen noch als Favorit auf das Kanzleramt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ‚YouGov‘ liegen die Grünen nur noch bei 15 Prozent.
Wie kam es zu dem Absturz? Wir haben beim Kreisgeschäftsführer der Grünen in Dortmund, Peter Köhler, nachgefragt.
Wer wird Kanzler oder Kanzlerin?
Also wenn es nach mir geht: Annalena Baerbock. So groß sind die Unterschiede nicht in den Umfragen. Da kann sich so viel noch bewegen. Bis zum Wahltag geht da noch einiges.
Die YouGov-Umfrage sieht die Grünen nur noch bei 15 Prozent.
Wie gesagt, es ist so viel noch im Fluss. Es gibt so viele Unentschlossene, so viele, die noch überlegen, ob sie überhaupt an die Urne gehen. Da ist noch ganz viel drin.
Wie erklären Sie sich diesen Absturz?
Zum einen stelle ich fest, dass in diesem Wahlkampf Themen nicht so die große Rolle spielen. Es gab andere Wahlkämpfe, da standen ganz klar ein Thema oder eine große Frage im Vordergrund. Bei dieser Wahl nehme ich wahr, dass die Personen und was die Personen tun, alles überlagern. Das finde ich schade. Es geht mehr darum, was irgendjemand mal irgendwo geschrieben oder wie jemand mal irgendwo geguckt oder gelacht hat, als die Frage, wie packen wir den Schutz vor dem Klimawandel an. Das scheint nicht die große Rolle zu spielen.
Hat Annalena Baerbock Fehler gemacht?
Ja, das sagt sie ja auch selbst. Dass bestimmte Dinge in ihrem Lebenslauf hinterher korrigiert wurden, weil sie nicht klar formuliert wurden. Aber wenn ich das mit Maskendeals oder Wirecard vergleiche, die plötzlich kein Thema mehr im Wahlkampf sind… Das sind doch die Sachen, auf die man wirklich gucken müsste. Wo haben die Kandidaten in ihrer politischen Aktivität Fehler gemacht?
War man da anfangs auch ein bisschen naiv?
Naiv würde ich nicht sagen. Man merkt einfach, dass die Grünen, was ihre Partei-Strukturen angeht, nicht so viel Ressourcen haben wie CDU oder SPD. Man muss sich nur mal die Geschäftsstelle der CDU ansehen, ein riesiger Glaskasten mit was-weiß-ich wie vielen Mitarbeitern und dann kommen die Grünen mit ihrer Bundesgeschäftsstelle, die in ein normales Berliner Wohnhaus passt.
Wir müssen aktuell noch mit einer vergleichsweise kleinen Truppe versuchen, dasselbe zu schaffen. Dadurch sind solche Dinge passiert, weil da keiner mehr gut genug drüberschauen konnte.
Wäre Robert Habeck die bessere Wahl gewesen?
Das weiß ich nicht. Ich finde beide gleich gut und gleich geeignet. Beide haben unterschiedliche Qualitäten, eine unterschiedliche Art, Dinge anzugehen. Was jetzt aber an Fehlern passiert ist, weiß ich nicht, ob das nicht einem Kandidaten Robert genauso passiert wäre.
Wie begegnen Sie Menschen, die die Grünen als Verbotspartei ablehnen?
Dieses Label Verbotspartei wurde uns ja von anderen aufgedrückt. Politik heißt Steuern. Wir versuchen eine Gesellschaft zu steuern. Das funktioniert natürlich über Gebote, über Verbote, über Regelungen. Ein Straßenverkehr ohne klare Verbote würde ja auch nicht funktionieren.
Im Grunde wollen wir aber nicht verbieten, sondern Chancen für eine nachhaltige Zukunft eröffnen. Und dafür braucht es Regelungen, denn wir haben ja in den letzten dreißig Jahren gesehen: Ohne geht es nicht.
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Mehr über Annalena Baerbock:
- Annalena Baerbock wurde am 15. Dezember 1980 in Hannover geboren
- Die 40-jährige ist die erste Kanzlerkandidatin der Grünen.
- Baerbock ist seit 2018 mit Robert Habeck Co-Vorsitzende der Partei.
- Während ihrer Jugend betrieb sie Trampolinturnen als Leistungssport.
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Was sagen Sie einem Menschen, der auf sein Auto angewiesen ist, der nicht so viel Geld verdient, der Angst vor Spritpreisen jenseits der zwei Euro hat?
Also zum einen reden wir ja derzeit nicht von Spritpreisen von zwei Euro. Es geht im Moment um die Frage, ob man diese 16 Cent mehr für den Liter zwei Jahre früher bezahlen soll. Das ist ja das perfide eigentlich. Die Große Koalition hat das ja schon für 2025 beschlossen. Annalena Baerbock hat nichts anderes gesagt, als dass wir das früher machen müssen.
Wir müssen 2023 schon so weit sein, wenn wir mit Klimaschutz vorankommen wollen. Das zweite ist: Wir wollen den Leuten ja nicht einfach nur Geld aus der Tasche ziehen und in den Klimaschutz stecken, sondern wir wollen es ihnen zum Ausgleich auch wieder zurückgeben. Jeder Bürger soll ein Energiegeld in gleicher Höhe bekommen. Das ist der große Unterschied. CDU und FDP wollen nur die Reichen entlasten, wir wollen jeden Bürger entlasten.
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Welche Koalition würden Sie sich wünschen?
Ich persönlich würde mir Grün-Rot wünschen. Grün-Rot oder auch Grün-Rot-Rot wären wohl für die meisten Dortmunder Mitglieder die wünschenswertesten Alternativen. Aber man muss am Ende gucken, was geht.