Unbekannte verbreiteten falsche Todesanzeigen von Journalisten über das Internet. Polizei spricht von Taktik, eine Atmosphäre der Angst zu schüren.
Dortmund.
Die eigene Todesanzeige zu lesen, muss ein Schock sein. Noch dazu eine, die mit dem Satz eingeleitet wird: „Wir freuen uns mitteilen zu können das P… bald von uns geht“ (Originaltext).
Acht Dortmunder konnten sich in diesen Tagen so oder ähnlich im sozialen Netzwerk Facebook verabschiedet sehen. Was ihnen allen gemein ist: Sie haben als Journalisten über die rechtsradikale Szene der Stadt berichtet, oder sind politisch gegen sie aktiv.
Zwei von ihnen erstatteten Strafanzeige, nun ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft. „Wir prüfen die Straftatbestände Bedrohung und Beleidigung. Doch die Frage ist, ob da tatsächlich jemandem mit einem direkt gegen ihn gerichtetem Verbrechen gedroht wird“, erklärt Oberstaatsanwältin Barbara Vogelsang.
Dortmunds Polizeisprecher Kim Freigang bewertet die Anzeigen jedenfalls als ein Zeichen für eine zunehmende Radikalisierung der Szene: „Sie gleicht sich in Taktik und Strategien ihren Vorbildern aus den 30er-Jahren an. Sie wollen eine Atmosphäre der Angst und der Einschüchterung erzeugen, was wir zu durchkreuzen versuchen.“
Hakenkreuze am Haus
Robert Rutkowski ist einer derjenigen, die an diesem Montag um 17.30 Uhr eine Twitter-Nachricht erhielten, die auf die Anzeigen bei Facebook hinwies. „Schon im Juni bekam ich einen ersten Tweet: ,Schade, dass Sie nicht verreckt sind!’“, sagt Rutkowski.
Später wurde seine Hauswand mit Hakenkreuzen besprüht, und nun diese Drohung auf der inzwischen gesperrten Facebook-Seite „Jagd Eröffnet Jetzt“.
„Als Blogger stehe ich in der Öffentlichkeit und bin ein leichtes Ziel. Aber ich lasse mich von diesen Drohungen nicht beeindrucken“, sagt der 52-Jährige, der für zwei Dortmunder Landtagsabgeordnete der Piratenpartei arbeitet.
Dennoch, auch Rutkowskis Leben hat sich verändert. „Wenn ich unterwegs bin und Schritte hinter mir höre, drehe ich mich um. An Orten wie am Hauptbahnhof beobachte ich genau meine Umgebung“, sagt der Aktivist.
Die Frage, ob die von den Rechtsradikalen Bedrohten Polizeischutz erhalten, beantwortete Kim Freigang folgendermaßen: „Wir stehen an deren Seite.“
Dortmund als Zentrum der Neonazis
Seit Jahren gilt Dortmund als Zentrum der rechtsradikalen Szene in NRW. Spätestens seit die Partei „Die Rechte“ im Frühjahr einen Sitz im Dortmunder Rat erhielt, steht sie bundesweit im Fokus.
Ihr harter Kern besteht aus etwa zwei Dutzend Leuten, darum scharen sich viele Mitläufer und Sympathisanten. Zudem sind sie in der Lage, bundesweit schnell zu mobilisieren.
Bereits 2012 waren 100 Neonazis zu den Wohnungen von OB Ullrich Sierau (SPD), Sozialminister Guntram Schneider (SPD) und der Günen-Politikerin Daniela Schneckenburger gezogen.
Polizeisprecher Freigang: „Solche Aktionen hinterlassen Eindruck. Der eine wird eingeschüchtert, der andere fühlt sich eher angespornt.“