Dortmund.
Der Marsch der Neonazis auf das Dortmunder Rathaus, er trifft zumindest die Grünen am Wahlabend nicht völlig unvorbereitet. In ihrem Sitzungssaal haben sie ein großes Transparent griffbereit: „Nazis – Nein, Danke!“ „Wir sind runter und raus vor das Rathaus. Dann ging alles sehr schnell. Ich hab noch gefragt: Wo ist die Polizei? Wenig später spürte ich den Schlag im Gesicht!“, erzählt Daniela Schneckenburger, OB-Kandidatin der Grünen.
Wie viele andere, die den Sturm der Neonazis miterlebten, ist auch sie noch immer beeindruckt. „Wir waren rund 200 Leute, die das Rathaus schützen wollten. Grüne, Linke, Bürger, die im Rathaus die Wahlpartys besuchten. Die Neonazis rückten immer näher, erhöhten den Druck. Setzten bald Pfefferspray ein und teilten Tritte und Schläge aus. Als wir Ketten vor dem Eingang bildeten, traf mich eine Flasche am Kopf“, erzählt Christian Gebel, Spitzenkandidat der Piraten, seine Platzwunde wird im Krankenhaus geklebt, zehn Personen verletzt.
Auch Dortmunds OB Ullrich Sierau erlebt den Tumult mit. Am Abend äußert er Kritik am Polizei-Einsatz: „Es war verabredet, dass die Polizei schnell kommt, wenn etwas passiert. Das hat wohl nicht so schnell geklappt!“ Am Montag mag man im Rathaus solche Töne nicht mehr hören. Um 22.08 Uhr sei die 110 gewählt worden. 22.14 Uhr seien Polizisten vor Ort gewesen, vier Streifenwagen, acht Mann. Danach sei im Minutentakt Verstärkung eingetroffen, so der Stadtsprecher. Der Staatsschutz habe keine Hinweise auf die Pläne der Neonazis gehabt.
So die Sicht der Verwaltung. Bei Grünen und Piraten sieht man das jedoch anders. Schon Wochen zuvor habe es Gespräche gegeben, wie man damit umgehen wolle, falls die Rechten ein Mandat bekämen. „Siggi Borchardt ist stadtbekannt, vorbestraft. Die Truppe ist kein Ponyhof. Da wundert es mich schon, wenn deren Erscheinen im Rathaus als harmlos eingestuft wird“, so Grünen-Fraktionssprecherin Ingrid Reuter.
OB Sierau bedauert „zutiefst“
Siegfried Borchardt, der für „Die Rechte“ in den Dortmunder Rat einzieht, ist in der Tat kein unbeschriebenes Blatt. Er hat den Fanclub Borussenfront gegründet, der in die rechtsextremistische Szene abdriftete, ist mehrfach vorbestraft wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung, saß mehrere Jahre in Haft.
Auch Sven K. soll unter den Aufmarschierern gewesen sein, einer der gefährlichsten Rechtsradikalen im Land. 2005, mit 17 Jahren, erstach er an einer U-Bahnhaltestelle den Punker Thomas S. Im Mai wurde er erneut verurteilt, weil er an dem Überfall auf die Szene-Kneipe „Hirsch-Q“ beteiligt war, wo Männer in Bomberjacken wahllos Menschen zusammenschlugen.
Sierau, der vor zwei Jahren in seinem Privathaus von einem „Nikolaus“ der Neonazis „beschenkt“ wurde („Wir vergessen niemanden!“), bedauerte „zutiefst“ den Vorfall vom Wahlabend. Eine Ältestensitzung des Rates soll sich mit dem Ratsmitglied Borchardt befassen.