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Duisburg und Essen: Einst lagen sie im Trend – jetzt kommt die Schließungs-Welle – „Wir haben schon Angst“

In Duisburg und Essen – aber auch in vielen anderen Städten – steht es schlecht um die Geschäfte. Nun trifft es auch SIE.

Duisburg und Essen: Außenansicht vom Unverpacktladen in Duisburg
© Marie Bonnet / DER WESTEN

5 Lebensmittel, die den Heißhunger stillen

Diese Lebensmittel tragen natürlich dazu bei, weniger zu essen.

Im Ruhrgebiet machen immer mehr Geschäfte dicht. Entweder sind die Mieten zu hoch oder sie haben es nicht durch die Krise – Corona, Energie, Inflation – geschafft. Doch vor allem bei einem Geschäftsmodell, dass sich in Duisburg und Essen, aber auch in vielen anderen Städten bewährt hatte, fallen nun alle Stützen weg.

Es geht um die Unverpacktläden. Noch vor Corona sprossen sie gerade zu aus dem Boden, mittlerweile haben aber viele Standorte auch in Essen schon wieder dichtgemacht oder eine Schließung zum Ende des Jahres angekündigt. DER WESTEN hat bei zwei Läden in Duisburg und Essen nachgefragt, was hinter diesem Negativtrend steckt.

Duisburg und Essen: Unverpacktläden in der Krise

Angelika Sanders schmeißt den Laden „Duisburg Unverpackt“ quasi alleine. „Und das ist auch gut so“, meint die 46-Jährige. Denn Geld für Angestellte – abseits einer Bekannten, die einen Tag in der Woche aushilft – hätte sie keines. Zum Glück bekommt sie aber tatkräftige Unterstützung von ihrem Mann, der sie auch finanziell mitträgt. „Ohne ihn würde ich das gar nicht schaffen“, ist sich Sanders sicher. Denn eines ist ganz klar: „Mit einem Laden wie diesem kann man kein Geld verdienen.“ Das ist aber auch gar nicht ihr Anspruch. „Für mich ist das ein Projekt.“

Dennoch wird auch ihr etwas mulmig, wenn sie auf die Verkaufszahlen und ihren Kontostand blickt. „Als wir den Laden Anfang des Jahres von Andrea und Lucas Langwald übernommen haben, hatten wir schon kurz Angst, dass wir Kunden verlieren.“ Sanders gibt zu, dass sie selber nicht so politisch aktiv ist wie die Vorbesitzer. „Das bin ich einfach nicht.“ Doch, „Gott sei Dank“, sind ihr viele Stammkunden nach der Übernahme erhalten geblieben. „Ich bin froh, dass ich den Laden offenhalten kann“, zeigt sie sich erleichtert. Denn das sah Mitte des Jahres noch ganz anders aus.

Duisburger Unverpacktladen stand kurz vor dem Aus

Die neue Besitzerin kommt aus dem Einzelhandel und hatte schon immer den Traum, ihren eigenen kleinen Laden zu haben. Und der sollte sich „zumindest tragen“. Allerdings gingen die Verkaufszahlen bis zum Sommer 2022 immer weiter in den Keller. Dann kam das große Sommerloch und plötzlich schrieb der Laden rote Zahlen – kein Wunder bei nur noch acht Kunden am Tag. „Da habe ich mir gedacht, das machst du nur noch bis zum Ende des Jahres“, hatte die Besitzerin des Geschäfts schon fast abgeschlossen.

  • Angelika Sanders vom Unverpacktladen Duisburg.

Nun, da andere Läden im Umkreis dichtmachen – Mülheim, Essen, Moers – geht es wieder bergauf. „Das ist natürlich schade, auch wenn ich selbst Profiteur davon bin“, zeigt sich Sanders betroffen. Zurzeit bekommt sie massig Zulauf, sodass die Kundenzahlen wieder etwas steigen. Am Mittwoch macht sie für einen Kunden sogar den Laden auf, obwohl er an dem Tag geschlossen ist. Er ist extra aus Mülheim für seinen „Großeinkauf“ gekommen, denn das Geschäft dort hat schon seit Oktober zu. „Scheiße, hoffentlich macht Duisburg nicht auch noch zu“, befürchtet er.

Unverpacktladen in Essen macht noch vor Weihnachten dicht

„Glücklich Unverpackt“ in Essen war 2017 der erste Unverpacktladen in der Stadt. Nun muss Christiane Teske nach fast sechs Jahren das Geschäft auf der Rosastraße in Rüttenscheid aufgeben. Die Entscheidung, bereits zum 22. Dezember zu schließen, ist der Besitzerin sehr schwer gefallen. „Ich hatte mir selbst eine Deadline gesetzt und nach der Crowdfunding-Aktion im Sommer noch einmal Flyer verteilt.“ Doch der erhoffte Kundenzuwachs blieb aus. „Ich war schon ziemlich enttäuscht“, sagt die Besitzerin im Gespräch mit DER WESTEN.

Und dabei hat Teske im Gegensatz zu anderen Lebensmittelhändlern nicht einmal die Preise angehoben – nur aufgrund des Ukraine-Krieges beim Sonnenblumenöl und den Sonnenblumenkernen. „Aber das sehen die Menschen einfach nicht“, muss sie feststellen. Bis Corona lief noch alles super. Doch als die Kunden nur noch in einen Laden gingen anstatt wie zuvor in mehrere, fiel der Unverpacktladen unter den Tisch. „Zudem machen es uns die Online-Lieferdienste schwer“, sagt Teske. Das praktische Bestellen von zu Hause und die vermeintlich ökologischen und günstigen Angebote in Supermärkten und Co. würden immer mehr Kundschaft weglocken.

  • Der Unverpacktladen "Glücklich unverpackt“ in Essen-Rüttenscheid.
  • Essen Unverpacktladen "Glücklich unverpackt" in Rüttenscheid
  • Inhaberin Christiane Teske von "Glücklich Unverpackt" in Essen.

Mit dem Weggang von „Glücklich Unverpackt“ schrumpft das Angebot im Ruhrgebiet immer weiter. Von einst zwölf Geschäften sind nur noch drei übrig, davon zwei in Duisburg und Essen. Die Stammkunden, die dem Laden noch bis zuletzt erhalten bleiben, sind darüber „todtraurig“, wie Teske bemerkt. Sie fürchtet nun auch um die anderen Einzelhändler in der Umgebung. „Wir sind nicht der einzige Einzelhandel, der jetzt gerade schließt. Allen geht’s nicht gut.“

Duisburger Besitzerin teilt Erfolgsrezept

Warum hält sich also der Duisburger Standort, während alle anderen in der Umgebung wie Fliegen fallen? Sanders glaubt, das liegt vor allem daran, dass ihr Geschäft klein ist und sie keine Angestellten hat. „Dadurch spare ich enorm an Personalkosten und Miete und zur Not kann ich auch alles alleine stemmen.“ Sie hält ihren Laden eher minimalistisch – und das kommt gut an. „Das spiegeln mir auch die Kunden wider.“


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Warum es Unverpacktläden allgemein schlecht geht, erklärt sie sich vor allem durch die Berührungsängste, die viele mit dem Konzept haben. Eine Kundin hatte sich erst nach mehrfachem Auf- und Abgehen vor dem Schaufenster ins Geschäft gewagt. Vor Sanders gab sie zu: „Ich traue mich nicht.“ Die Besitzerin kommt gerne mit Kunden ins Gespräch, um gerade solche Vorbehalte aus dem Weg zu räumen. „Man muss sich schon umstellen.“ Das Befüllen und Auswiegen der Ware kostet Zeit. Und die muss man sich nehmen.