Duisburg.
Als Frau im Irak könnte man manchmal meinen, es gebe dort nur Männer. Jedenfalls sei ihr das so gegangen, erzählt Chalat Saaed. Frauen seien im Irak unsichtbar. Frauen seien nicht nur Bürger zweiter Klasse. „Sie sind nicht besser gestellt als Haustiere.“
Auch Chalat Saaed (39) ist es viel zu lange so ergangen. In ihrem Buch „Ich wähle die Freiheit“ hat die mutige Frau, die heute in Duisburg lebt, ihr Leben im Käfig einer Zwangsehe im Nordirak aufgeschrieben.
Denn Chalat Saeed hat ihren Schleier abgelegt. Sie hat ihren Niqab getragen, seit sie 13 Jahre alt war. Mit 14 Jahren hat ihr Bruder sie für zwölf Goldringe an einen Mann verkauft, von dem das Mädchen schon nach der Verlobung wusste: „Der Mann ist nicht gut.“
Tränen und Verrat: „Die hat nur Bauchweh“
Doch ihre eigene Schwester ignorierte ihre Tränen und entschuldigte sich bei Chalats Verlobtem. „Die hat nur Bauchweh.“
Für Chalat begann mit der Zwangsehe ein jahrzehntelanges Martyrium aus Gewalt, Hass und Missachtung. An diesem sonnigen Mittwoch in Duisburg, der Stadt, die für sie der Inbegriff von Freiheit ist, erzählt sie ihre Geschichte. Sie lebt heute mit ihren Kindern im Süden der Stadt.
Mann bricht Chalat die Nase – dann platzen ihre Trommelfelle
Chalat trägt noch einen Verband auf der Nase. Denn ihr Mann hat sie geschlagen, bis ihre Nase brach und sie mit Schuhen verprügelt, bis ihre Trommelfelle platzten. Erst vor einigen Tagen hat ein Arzt die gebrochene Nase in einer Essener Klinik gerichtet. Es geht ihr langsam besser.
In ihrer Zwangsehe musste sie gehorsam sein. Sie durfte nicht reden, nicht lachen und schon gar nicht mit ihrem wesentlich älteren Mann diskutieren. Immer wieder schlug er sie, manchmal einfach nur so.
„Er nahm dann die Bettdecke hoch und schlug zu“
„Er kam müde oder schlecht gelaunt von der Arbeit. Ich versteckte mich unter der Bettdecke, tat so, als ob ich schlafen würde. Doch er nahm dann die Bettdecke hoch und schlug zu.“
Sie habe oft daran gedacht sich zu wehren, doch der Mann sei einfach viel stärker gewesen als sie. „Es hätte nicht geklappt, er hätte zu härteren Waffen gegriffen.“
Muslima nimmt den Schleier ab – ein langer Weg zur Freiheit
Manchmal war der Schleier für Chalat wie ein Schutz. Doch über die Jahre verstärkte der Niqab nur das Gefühl, in einem engen Käfig zu leben.
Denn selbst zu Hause musste Chalat den dunklen Schleier nahezu immer tragen, vor allem wenn Besuch kam. Der dunkle Niqap bedeckte ihren gesamten Körper, nur ihr Gesicht lag frei.
Chalat legt Niqab Schritt für Schritt ab
Doch schon im Nordirak hat Chalat Saeed ihren Schleier Schritt für Schritt abgelegt. Unter dem Schleier trug sie Straßenkleidung, die immer sichtbarer wurde. Von unten nach oben hat die Kurdin immer mehr Haut gezeigt, weil es für sie Freiheit und Rebellion bedeutete. Als ihr Mann den Wandel bemerkte, war auch dies ein Grund zuzuschlagen. Trotzdem trug sie Irgendwann nur noch das Kopftuch und keinen Schleier über ihrer Straßenkleidung.
Irgendwann schmiedete sie mit ihrer ältesten Tochter Nigin (18) einen Fluchtplan.
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Zukunftspläne und die Flucht aus dem Käfig
Als Näherin konnte Chalat Saeed sich oft mit anderen Frauen austauschen, sie alle waren zwangsverheiratet. Sie wollten alle weg. Doch wenn Frauen diese Gedanken laut aussprechen, bekommen sie Todessdrohungen.
Auch Chalats Bruder sagte zu den Plänen seiner Schwester: „Wenn du das nochmal sagst, stirbst du – dann ist dein Kopf ab.“ Doch Chalat war zu mutig, um aufzugeben.
Da draußen musste es schließlich noch ein anderes Leben geben, in dem Frauen frei sind. Während sie für andere Frauen nähte, hörte sie von ihnen, dass das in Deutschland so sei.
Flucht in die Freiheit? „Nicht ohne meine Kinder“
„Ein paar Mal wollte ich fliehen. Doch ich konnte nicht, nicht ohne meine Kinder.“ 2015 floh sie schließlich mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihren Mann konnte sie aber nicht abhalten, sich ebenfalls bei der Flucht mitanzuschließen. In den letzten Tagen vor der Flucht geriet er durch seine islamistischen Kontakte massiv unter Druck.
Wohl aus Angst packte auch er seine Koffer. In Deutschland hat die Duisburger Polizei ihn später wegen fortgesetzter häuslicher Gewalt aus der Wohnung entfernt.
Chalat Saeed hat dann die Chance genutzt und gemeinsam mit ihrem Flüchtlingshelfer Martin Redies die Scheidung durchgesetzt.
Scheidung in Deutschland: „Das war Mamas großer Moment“
„Das war Mamas großer Moment“, sagt Tochter Nigin lächelnd. Denn ihr Vater darf sich seitdem weder ihren Geschwistern, noch ihrer Mutter nähern. Er lebt im Duisburger Norden.
Auch wenn sie immer wieder Angst hat, würde Chalat Saeed ihr Buch immer wieder schreiben. Sie ist in Deutschland zum Christentum konvertiert und will ihre Vergangenheit hinter sich lassen. „Ich will andere Frauen ermutigen diesen Weg zu gehen, den Weg in die Freiheit.“