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Duisburg: Lehrerin wagt Experiment mit Problem-Klasse – „Am Anfang dachte ich ‚Scheiße‘!“

In Duisburg steht eine Lehrerin vor dem Problem, einer Klasse aus Sitzenbleibern den Abschluss zu ermöglichen. Sie hat eine kreative Idee.

Gruppe von Schülern aus Duisburg
© Marie Bonnet / DER WESTEN

Warum heißt Duisburgs Stadtteil Marxloh eigentlich Marxloh?

Warum heißt Duisburgs Stadtteil Marxloh eigentlich Marxloh?

Es ist ein zusammengewürfelter Haufen aus Sitzengebliebenen, Schwänzern und Beinahe-Abgängern, der Ende September im Stuhlkreis im Norden von Duisburg sitzt. Für sie wird das laufende Schuljahr darüber entscheiden, ob sie ihren Hauptschulabschluss bekommen oder nicht. Und das wiederum wird großen Einfluss auf ihre berufliche Laufbahn haben.

Ihre Lehrerin kämpft um die Klasse und um jeden einzelnen Schüler. Sie will das Jahr gleich mit einem positiven Schub für deren Selbstbewusstsein beginnen. Dafür hat sie die Klasse für das Projekt eines Jugendzentrums in Duisburg angemeldet. DER WESTEN war vor Ort und hat sich den vielversprechenden Workshop angesehen.

Duisburg: Schüler testen Grenzen der Demokratie

Der Theaterworkshop „Demokratie, Autokratie, Monarchie, Diktatur….war da noch was, oder kann das weg?“ fand in der letzten Septemberwoche 2022 im Kiebitz statt. Das Internationale Jugend- und Kulturzentrum an der Marienstraße bot damit der Abschlussklasse der Justus-von Liebig-Sekundarschule die Möglichkeit, sich im Improvisationstheater auszuprobieren.


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Die Idee des Theaterstücks war, politische Führungskonzepte wie beispielsweise Diktatur, Demokratie, Anarchie und Kommunismus zu veranschaulichen. Die Schüler spielten selbst erdachte Szenen, in denen sie Machtausübung, Unterdrückung, aber auch Freiheit anhand teils alltäglicher Situationen darstellten. Zum Schluss wollten sie ihre ganz persönlichen Wünsche für ihre eigene Zukunft mit dem Publikum und miteinander teilen.

Duisburg: Demokratie-Workshop für Schwänzer und Sitzenbleiber

Diesen Workshop zu leiten war keine leichte Aufgabe für Lene Harlan und Kaspar Küppers. Denn die Klasse bestand aus vielen Sitzenbleibern und Schwänzern, die ihre letzte Chance bekamen, ihren Hauptabschluss noch zu schaffen. Viele kannten sich erst seit dem Sommer, darum gab es noch keine spürbare Gruppendynamik.

Kaspar Küppers kommt ursprünglich vom Oberhausener Theater und gibt seit 17 Jahren derartige Workshops. Lene Harlan hingegen ist Sozialpädagogin und später erst zum Theater gekommen. Es war ihr zweiter Workshop im Kiebitz. „Dass sie hier die Chance haben, mit dem Theater in Berührung zu kommen, ist etwas Besonderes“, fand Leiter Küppers.

„Alleine würden wir das nicht schaffen“

Nach dem ersten Tag hatten sich bereits viele krankgemeldet oder waren danach einfach nicht mehr erschienen. Ein harter Kern aus circa 20 Schülern blieb allerdings. Jeden Tag um 9 Uhr begann die Gruppe mit ein paar Aufwärmübungen. Dabei ging es vor allem darum, das laute Sprechen zu üben, das für das Schauspiel auf der Bühne unerlässlich ist. Teambuilding war ebenfalls wichtig, damit alle an einem Strang zogen und bei der Präsentation am Freitag zeigen konnten, was sie gelernt und erarbeitet hatten.

Am Mittwoch ist die Gruppe noch nicht ganz so motiviert. Das sollte sich aber bald ändern.
Am Mittwoch ist die Gruppe noch nicht ganz so motiviert. Das sollte sich aber bald ändern. Foto: Marie Bonnet / DER WESTEN

Sich in so einer großen Gruppe Gehör zu verschaffen, konnte sich von Zeit zu Zeit etwas schwierig gestalten. Darum waren die Kursleiter froh, den Workshop zu zweit zu halten. „Alleine würden wir das auch nicht schaffen“, war sich Lene Harlan sicher. Auch Karin Kümmerlein von der Peter-Klöckner-Stiftung, der Hauptsponsor des Kiebitz, bemerkte bei ihrem Besuch, dass die Schüler Schwierigkeiten mit der „Impulskontrolle“ hatten: „Damit haben die noch zu kämpfen“.

Das wünschen sich die Schüler

Der Tag vor der Aufführung wurde dann plötzlich „sehr emotional“ für Lene Harlan. Ihr und ihrem Kollegen gelang endlich der Durchbruch bei ein paar Schülern. „Eine wollte erst gar nicht mitmachen. Und dann hält sie mir plötzlich ihren Zettel mit Wünschen vor die Nase. Eine andere fragte mich, ob ich mit auf die Bühne käme und hat dann ihre Wünsche vorgetragen.“ Das beeindruckte und berührte die Kursleiterin sehr.

Viele wünschten sich Glück, Liebe, Freiheit und Frieden. Besonders auffällig war, dass die meisten gerne eine eigene Familie gründen und einen guten Job wollten, mit dem sie genug Geld verdienen, um sie zu ernähren.

Nun kristallisierte sich auch heraus, was die Schüler vor ihrem Publikum zeigen wollten. Es arw deutlich zu spüren, dass die Teilnehmer ruhiger geworden waren und sich mehr auf die gemeinsame Agenda konzentrierten. „Die sind kaum wiederzuerkennen“, meinte auch Susanne Budde, stellvertretende Geschäftsführerin des Kiebitz.

Positives Fazit nach Projektwoche

Die Aufführung am Freitag lief bis auf eine leichte Unstimmigkeit zwischen den Schauspielern problemlos ab. Auch die Lehrerin Sonja Dargazanli war ganz überrascht und stolz auf ihre Klasse. „Ich hatte schon befürchtet, dass am Ende nur noch neun kommen.“

Die Klasse nach erfolgreichem Auftritt
Nach der Vorstellung sind alle sehr stolz auf sich, auch die Lehrerin (rechts) erkennt ihre Schüler kaum wieder. Foto: Marie Bonnet/DER WESTEN

Doch von den anfangs 30 waren immerhin noch 20 übrig. „Am Anfang dachte ich noch ‚Scheiße‘, ob die das packen? Aber sie haben wirklich durchgehalten“, lobte sie. Ihr größter Wunsch wäre es, den Schülern am Ende des Schuljahres ihr Abschlusszeugnis überreichen zu können.


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Und wie hat es den Schülern am Ende gefallen? „Das hat echt Spaß gemacht“, sagte ein Schüler in der Feedbackrunde nach dem Workshop im Kiebitz. Obwohl ihnen die morgendlichen Aufwärmübungen etwas lästig oder kindlich erschien, gingen die meisten mit einem positiven Gefühl aus der Woche. Einer ging sogar so weit zu sagen: „Ich glaube, wir sind als Klasse zusammengewachsen“.